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Gründungsfieber rechts der Mitte

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Innerhalb von zehn Tagen gab es in Hamburg zwei Parteineugründungen. Zunächst startete Ex-Justizsenator Roger Kusch mit seiner Partei „Heimat Hamburg“, wenige Tage später folgte ihm Ex-Innensenator Dirk Nockemann mit einem Hamburger Ableger der Zentrumspartei. (JF 21/06) Diese Neugründungen sind in der Hansestadt jedoch nichts Ungewöhnliches, sondern folgen einer gewissen Regelmäßigkeit. Den Anfang machte 1993 die Statt-Partei, eine CDU-Abspaltung der mit 5,6 Prozent der direkte Einzug in die Bürgerschaft gelang. Ihr folgte 2000 die Partei des damaligen Amtsrichters Ronald Schill, der ein Jahr später bei der Wahl zum Stadtparlament fast 20 Prozent erreichte und zusammen mit CDU und FDP den Senat bildete. Doch was den beiden ersten Neugründungen gelang, dürfte sich für ihre jetzigen Nachahmer ungleich schwieriger gestalten. Während die Statt-Partei den Bonus des ersten Versuchs hatte und die Schill-Partei eine Ein-Mann-Veranstaltung bot, die von der Ausstrahlungswirkung ihres Vorsitzenden lebte, haben die Neugründungen noch eine Reihe hoher Hürden zu nehmen. Besucht man die sehr überschaubare Internetseite der Kusch-Partei ( www.heimathamburg.de ), kann man die fünf Parteiziele nachlesen. Diese sind: Abschaffung des Jugendstrafrechts, der kompromißlose Kampf gegen Drogen, eine verantwortliche Sterbehilfe, Verzicht auf das Antidiskriminierungsgesetz sowie die Abschaffung des generellen Leinenzwangs für Hundehalter. Wiederholt bekräftigt Parteigründer Kusch jedoch, daß sich die Arbeit seiner Partei auf die Grenzen Hamburgs beschränken werde. Damit dürften von den fünf Parteizielen die ersten vier ausscheiden, da es sich bei ihnen um bundespolitische Themen handelt. So erscheint es zwar äußerst löblich, daß ein Berufspolitiker eher sein Parteibuch als seine Ziele und Ideale aufgibt, allerdings ergibt dies nur dann Sinn, wenn dann bei der Umsetzung der Ziele mehr als nur die Aufhebung des Leinenzwangs übrigbleibt. Ein weiteres wichtiges Erfordernis, um als Neugründung an Wählerstimmen zu gelangen, ist eine positive Medienpräsenz. Diese blieb „Heimat Hamburg“ bis jetzt allerdings versagt. Allein Geschäftsführer Guy Seidel schafft es mit einiger Regelmäßigkeit in die örtliche Presse, allerdings weniger mit Inhalten seiner jetzigen Partei, sondern vielmehr mit seiner politischen Vergangenheit als Landesvorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), den er an den Rand des Ruins wirtschaftete. Nun soll ausgerechnet er für die Finanzierung der neunen Partei sorgen. Dies dürfte allerdings ein schwieriges Unterfangen werden, denn die konservativen Kräfte der Stadt werden wohl eher versuchen, die CDU an der Macht zu halten, als in Parteien zu investieren, die ihr womöglich die entscheidenden Stimmen abjagen und dadurch bei der nächsten Bürgerschaftswahl mittelbar die SPD zum lachenden Dritten machen. In all diesen Punkten waren die Ausgangschancen für Schill wesentlich besser: Damals regierte die SPD, und mit Schills Hilfe konnte der Regierungswechsel stattfinden. Schill beschränkte sich mit seiner Politik auch nicht kategorisch auf die Grenzen Hamburgs und schaffte es, sich sowohl die Medien zunutze zu machen, als auch Geldgeber zu finden. Kusch hingegen hatte es schon bis zum Justizsenator gebracht, stand allerdings mit seinen Forderungen auf verlassenem Posten und isolierte sich schließlich völlig. Ob es ihm nun gelingt, mit einer zehn Mitglieder starken Partei, der offensichtlich keine größeren Mittel zur Verfügung stehen, diese Ziele umzusetzen, darf gespannt erwartet werden. Ähnliche Mankos sind auch bei der zweiten Neugründung dieses Monats, dem Hamburger Ableger der Zentrumspartei, unübersehbar. Mit ihr versuchen sich Hamburgs Ex-Innensenator Dirk Nockemann und der ehemalige Fraktionschef der Schillpartei, Norbert Frühauf. Für ihn ist ein neues Parteibuch keine Besonderheit mehr. Nachdem er früher für die Jusos aktiv war und sich 2000 der Partei Rechtsstaatlicher Offensive von Ronald Schill anschloß, um dann vier Jahre später in die CDU zu wechseln, ist die Zentrumspartei nun Partei Nummer vier in seiner Vita. Die Zentrumspartei beschreibt Nockemann so: „Wir sind nicht rechts, wir sind nicht links, wir sind die Mitte“. Offen läßt er mit dieser Beschreibung jedoch, wie er seine Partei zur CDU und SPD abgrenzen will. Da die Zentrumspartei traditionell eine Partei des katholischen Bürgertums war und seit 1933 bis auf wenige kommunale Ausnahmen faktisch bedeutungslos ist, fällt es schwer zu glauben, das ausgerechnet im protestantisch geprägten und doch eher linken Hamburg die Renaissance gelingen soll. Eine Zusammenarbeit der neuen Parteien lehnen beide Seiten strikt ab. Bei den etablierten Parteien herrscht daher relative Gelassenheit ob der Neugründungen. Während der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion Michael Neumann es für abenteuerlich hält, was für „Leute“ in Hamburg Senator werden können, teilte die Pressestelle der CDU-Bürgerschaftsfraktion auf Anfrage mit, „zu Herrn Kusch äußern wir uns nicht mehr“. Wenn sich also nicht noch Entscheidendes innerhalb der beiden neuen Parteien ändert, wird auch in Hamburg schnell wieder Normalität einkehren, allerdings mit dem Hinweis an die mit absoluter Mehrheit regierende CDU, den rechten Wählerrand nicht unbeackert zu lassen. Foto: Dirk Nockemann (l.), Norbert Frühauf: Parteipolitisch reichlich Erfahrungen gesammelt

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