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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

Ein Eckpfeiler wird repariert

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Es ist eine interessante Frage, wie in Deutschland die Auffassung Raum greifen konnte, der Föderalismus sei ein „Eckpfeiler der Demokratie“. Abgesehen davon, daß Frankreich, das die Demokratie im modernen Sinne erfunden und eingeführt hat, seither auf Föderalismus verzichtete, gab es ihn in Deutschland schon, als von Demokratie noch keine Rede war. So fanden sich seit 1815 die deutschen Fürsten im Fürstentag zusammen und verständigten sich darauf, nicht in die Souveränitätsrechte der Bundesstaaten einzugreifen, wohl aber die Verteidigung und vornehmlich die Abwehr nationaler und liberaler Bestrebungen zu koordinieren. Otto von Bismarck knüpfte daran an, indem er bei der Reichsgründung 1871 den Ländern die grundsätzliche Allzuständigkeit beließ. Das Reich hatte Gesetzgebungsrechte nur in ganz bestimmten Grenzen, die sich allerdings stetig erweiterten. Ewigkeitsgarantie und Widerstandsrecht So steht es auch heute noch im Grundgesetz – nur daß die Ausnahmen fast alle relevanten Materien der Gesetzgebung abdecken. Verwaltung und Polizei, Bildung, Kultur und Rundfunk sind die letzten Bastionen, die die Landesfürsten von heute eifersüchtig und nicht immer erfolgreich verteidigen. Das Dritte Reich hatte die föderale Struktur weitgehend abgeschafft, die Länder zu Verwaltungseinheiten degradiert und Reichsstatthalter eingesetzt. Daß die föderale Struktur wieder eingeführt wurde, geht auf eine Entscheidung der Siegermächte zurück. Auf der Konferenz von Jalta einigten sie sich 1945 darauf, daß die künftige Staatsordnung Deutschlands eine zu Mißbrauch verleitende Machtkonzentration unterbinden solle. Auf der Londoner Sechsmächtekonferenz 1948 beschlossen die drei westlichen Siegermächte zusammen mit den Niederlanden, Belgien und Luxemburg, in Deutschland einen Staat mit föderaler Struktur zu errichten. Der Parlamentarische Rat hat die bundesstaatliche Ordnung in Artikel 79 des Grundgesetzes mit einer „Ewigkeitsgarantie“ ausgestattet und zu ihrem Schutz allen Deutschen ein Widerstandsrecht ausdrücklich zugewiesen. Wer die derzeitigen Diskussionen um eine Föderalismusreform verfolgt, kann sich des Eindrucks kaum erwehren, als würden die Maßnahmen der Sieger besser als erwartet funktionieren. Beklagt wird allgemein eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit des Staates durch permanenten Wahlkampf in den Bundesländern, weiterhin Undurchsichtigkeit, bürokratische Verkrustung, Verschleierung von Verantwortlichkeiten und zahlreiche Syndrome der Verzögerung und Verhinderung von Gesetzesvorhaben. Große und notwendige Umbauten etwa im Gesundheitswesen, bei der Rentenversicherung und im Steuerrecht seien kaum noch durchzusetzen. Der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Hans-Olaf Henkel fordert seit Jahren eine „Reform der Reformfähigkeit“. Der frühere Bundesminister Ezard Schmidt-Jorzig nennt die vordringlichsten Aufgaben: Entflechtung der Gesetzgebungszuständigkeiten und die Reduzierung von Mitwirkungsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern, Abbau der Mischfinanzierung und Verbesserung der europabezogenen Handlungsfähigkeit des Bundes. Für mittelfristig notwendig hält er die Sicherung eines angemessenen Leistungsstandes von Bund und Ländern, ein Überdenken von Zuschnitt und Stärke wie auch von instrumenteller Ausstattung und finanzieller Leistungsfähigkeit und die Herstellung möglicher Ebenbürtigkeit zwischen den beteiligten Institutionen. Nachdem im Jahre 2004 eine Föderalismuskommission nach 13monatigen Verhandlungen vor allem an der Bildungspolitik gescheitert war, zeichnete sich mit der Bildung der Großen Koalition, die im Bundestag über eine verfassungsändernde Mehrheit verfügt, eine neue Chance ab. Entsprechend der Strategie der heutigen Kanzlerin versucht sie nicht den großen Wurf, der alle Probleme löst. Vielmehr wurde im Koalitionsvertrag eine Reihe von punktuellen Schritten verabredet, welche die Lage verbessern sollen. Neben einer Neugestaltung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates sollen Gesetzgebungskompetenzen geändert, Mischfinanzierungen neu geordnet und die „Europatauglichkeit“ verbessert werden. Schließlich wird auch eine Hauptstadtklausel für Berlin in das Grundgesetz eingefügt. Die Minderung der Quote zustimmungspflichtiger Gesetze soll folgendermaßen erreicht werden: Soweit der Bund Gesetze mit Verwaltungsvorschriften erläßt, sollen Länder künftig davon abweichen und eigene Verwaltungsvorschriften erlassen dürfen. Beamtenrecht soll auf die Länder übergehen Nur noch ausnahmsweise soll der Bund zwingende Verwaltungsvorschriften beschließen dürfen, und nur diese Gesetze sollen im Bundesrat zustimmungspflichtig sein. Bundesgesetze dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden keine Aufgaben mehr übertragen. Weiterhin sollen nur noch solche Gesetze zustimmungspflichtig sein, welche die Länder in erheblichem Umfang zur Erbringung von Leistungen verpflichten. Davon erhofft sich die Koalition die Senkung der Quote der in der Länderkammer zustimmungspflichtigen Gesetze von 60 Prozent auf etwa 40 Prozent. Bei der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen wird einerseits die Rahmengesetzgebung abgeschafft, andererseits eine sogenannte „Abweichungsgesetzgebung“ eingeführt. So wird dem Bund die Gesetzgebung über Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse im Rahmen der „konkurrierenden Gesetzgebung“ zugestanden. Aber die Länder können durch Gesetz abweichende Regelungen treffen. Das Beamtenrecht einschließlich der Bestimmung der Arbeitszeit, der Besoldung und Versorgung und der Beförderung von Beamten soll auf die Länder übergehen, ebenso Kompetenzen mit besonderem Regionalbezug wie die Förderung sozialen Wohnraums. Die Regierungskoalition hat sich vorgenommen, bislang weit verstreute Vorschriften zum Umweltschutz in einem Umweltgesetzbuch zusammenzufassen. Hierfür sollen ihm die entsprechenden Kompetenzen eingeräumt werden. Doch auch hier sollen den Ländern abweichende Regelungen erlaubt sein. Insgesamt werden sechs Gesetzgebungsmaterien in die ausschließliche Kompetenz des Bundes überführt und 14 ausschließlich auf die Länder überlagert. Mischfinanzierungen will die Koalition reduzieren, indem sie den Hochschulbau und die Bildungsplanung aus dem Bereich der Gemeinschaftsaufgaben herausnimmt und ausschließlich den Ländern überantwortet. Eine verbesserte „Europatauglichkeit“ soll dadurch erreicht werden, daß der Bund auf einigen Gebieten die Interessenvertretung auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter überträgt. Das betrifft die schulische Bildung, die Kultur und den Rundfunk. Hierfür ist im Bundesrat eine besondere Europakammer vorgesehen. Wie bei dem weitgesteckten Feld nicht anders zu erwarten, gibt es Widerspruch von vielen Seiten. Besonders die Übertragung des Beamtenrechts auf die Länder ist heftig umstritten. Dabei zeichnen etwa der Innenminister von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner (SPD), und der Chef des Beamtenbundes, Peter Heesen, gegensätzliche Szenarien. Stegner befürchtet, reichere Länder könnten den finanzschwächeren die besten Beamten abwerben, und drohte an, dem Gesetzesvorhaben im Bundesrat die Zustimmung zu verweigern. Die Schweriner Finanzministerin Sigrid Keler (SPD) teilt diese Befürchtungen. Die ebenfalls finanzschwachen Länder Saarland und Bremen wollen aber an den Beschlüssen zur Föderalismusreform festhalten. Der Vorsitzende des Beamtenbundes Peter Heesen befürchtet dagegen, daß es bei der Beamtenbesoldung zu einem Dumping-Wettbewerb komme und das öffentliche Dienstrecht nun 17mal verhandelt werden müsse. Wulff fordert weitergehende Vereinbarungen Dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) gehen dagegen alle Vereinbarungen nicht weit genug. Das sei nur der kleinste gemeinsame Nenner. Er fordert eine grundlegende Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und will auch die Hürden für eine Neugliederung des Bundesgebietes absenken und Länderfusionen erleichtern. Fuldas Oberbürgermeister Gerhard Möller hofft ebenfalls, daß die Föderalismusreform noch weiterentwickelt wird. Er verlangt ein verbindliches Anhörungsrecht der Kommunen im Gesetzgebungsverfahren des Bundes. Besonders dezidiert äußern sich Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe e.V. Deren Geschäftsführer Jürgen Resch läßt an der ganzen Reform kein gutes Haar. Sie werde das Unvermögen des Bundes und der Länder bei der Umsetzung EU-rechtlicher Vorschriften weiter verschärfen, erreichte Umweltstandards absenken und zu einem Wettbewerb der Bundesländer um die niedrigsten Umweltnormen führen. Vorbehaltlos positiv äußerte sich nur einer, nämlich der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. „Das ist der Durchbruch“ – freut er sich über die neue Hauptstadtklausel. Sie sichere Berlin die emotionale Zuneigung der „Restrepublik“ und ihm eine bessere Verhandlungsposition. Bundesrat auf dem Prüfstand: Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze soll reduziert werden foto: picture alliance / dpa

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