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Das Pentagon gehört nicht dazu

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Ich schaffte es, 400 Leichen zu zählen. Dann wurde mir verboten, mich dort aufzuhalten. Aber es gab da viel mehr Tote. Es waren hauptsächlich Männer. Einem fehlte der Arm, dem anderen der Schädel, der Dritte hatte keine Beine. Es war schrecklich.“ Vor einem Jahr kam es in Andischan zu einer Eskalation der Gewalt. Augenzeugenberichte wie dieser waren in den usbekischen Medien – schließlich waren es Regierungstruppen, die auf ihre eigenen Bürger schossen – nicht zu finden. Die offizielle Darstellung des zentralasiatischen Regimes von Islam Karimow lautete, es seien Verbrecher und – das neue Lieblingsfeindbild aller innenpolitischen Hardliner – „islamistische Terroristen“ gewesen, die im Kugelhagel umkamen. Die Folgen der Niederschlagung des Aufstandes – wer auch immer die „Aufwiegler“ waren – waren staatlicher Terror und Emigration. Tausende ergriffen die Flucht. Wer fliehen wollte, konnte dies auch, heißt es. Um so schwerer war es jedoch hineinzukommen. Journalisten wurden an der Einreise gehindert. In die Hauptstadt ließen die Regierungstruppen nicht einmal das Rote Kreuz einreisen, das in den Krankenhäusern die Verwundeten versorgen wollte. Neun Monate später wurden die ohnehin schweren Arbeitsbedingungen von Journalisten – insbesondere solchen aus dem Westen – klar geregelt. Dadurch aber mitnichten vereinfacht. Seit Februar benötigt ein ausländischer Korrespondent eine offizielle Erlaubnis. Keine Erlaubnis, keine Berichterstattung. „Man bekommt aber keine Erlaubnis“, klagt Daria Bryantseva. Die 29jährige arbeitet bei der Deutschen Welle (DW), koordiniert die Arbeit in Zentralasien. Die gebürtige Russin schildert ihre Arbeitsbedingungen bei der Pressekonferenz von Reporter ohne Grenzen (ROG). Recht schnell war auch die DW betroffen. „So sind auch wir auf einer ‚feindlichen Liste‘ gelandet.“ Zusammen mit der BBC, Radio Free Europe oder Voice of America – alle diese Büros wurden kurzerhand geschlossen. Am Vortag des „Tages der Pressefreiheit“ (3. Mai) hat das Netzwerk ins ARD-Hauptstadtstudio in der Wilhelmstraße 67 geladen. Usbekistan ist nur die „Krönung“ dieser Pressekonferenz. In den letzten drei Jahren hat sich die Lage für Journalisten weltweit erheblich verschlechtert. „Seit 2003 – seit dem Irak-Krieg also – hat sich die Zahl der getöteten Reporter erhöht“, berichtet Michael Rediske, der Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen. Der 53jährige Journalist war in den achtziger Jahren Zentralamerika-Korrespondent, später taz-Chefredakteur. Vor zwölf Jahren hat Rediske die deutsche Sektion der ursprünglich französischen Journalistenorganisation (Reporters sans frontières) gegründet. Die ROG setzt sich weltweit für Pressefreiheit und für inhaftierte Reporter ein. Rediskes Liste wirkt ein bißchen wie die Strichliste eines Strafgefangenen, der jeden neuen Tag abhakt, um später zu wissen, wie lange er hinter schwedischen Gardinen war. Die aktuelle Liste der Reporter ohne Grenzen sieht so aus: 16 getötete Journalisten (überwiegend im Irak), sechs weitere getötete Medienmitarbeiter (ausschließlich im Irak), 119 inhaftierte Journalisten (überwiegend in China, Kuba, Äthiopien) und weitere drei inhaftierte Medienmitarbeiter (Laos, Pakistan). Schließlich 56 inhaftierte „Internetdissidenten“ (allesamt in China). Schon diese letzte Kategorie macht deutlich, wie sehr die Grenzen im Zeitalter der digitalen Informationstechnologie verschwinden. Wer ist noch Journalist? Und wo liegt der Unterschied zum regimekritischen Blogger aus dem Reich der Mitte? Geheimdienste, Guerilleros und Islamisten als Gefahr Trotzdem wären die Reporter ohne Grenzen ohne solche Methoden kaum in der Lage, ihre Liste vorzulegen: die 37 größten Feinde der Pressefreiheit. Auf der Liste finden sich die Namen von Guerilleros aus Lateinamerika, Geheimdienstlern aus Afrika oder Islamisten aus Asien. Vor allem aber Staatsoberhäupter. Neu auf der Liste ist zum Beispiel Mahmud Ahmadinedschad. Irans neuem Präsidenten wird unter anderem zum Vorwurf gemacht, das Kulturministerium von Reformern gesäubert zu haben. Aber auch der an den gegenüberliegenden Ufern des Persischen Golfes herrschende Königs Abdalla Ibn Al-Saoud von Saudi-Arabien findet sich auf der Liste. Und die Staatsoberhäupter Weißrußlands, Chinas, Rußlands, Nordkoreas, Kubas oder Libyens. Diese Auflistung von „Schurkenstaaten“ läßt zuweilen den Verdacht aufkommen, Reporter ohne Grenzen bete die Argumente des Pentagon nach. Der Verein wird unter anderem aus Mitteln von „Endowment for Democracy“, also letztlich vom US-Außenministerium, und von Exil-Kubanern gesponsert. Aber sind die Argumente deswegen falsch? Die Vorfälle einseitig wiedergegeben? Ein besonders amerikakritischer Kollege in der Pressekonferenz fragt deswegen gleich als erster: „Warum steht das Pentagon nicht darauf?“ Rediske verweist in seiner Antwort darauf, daß 2003 auch die USA zu den Ländern auf der Liste gehörten – wegen der Einschränkung der Freiheit bei der Berichterstattung im Irakfeldzug. Und auch Deutschland erwähnt der Vorstandsvorsitzende – wie zu erwarten wegen der Cicero-Affäre (JF 43/05). Deutschland hat infolge dieser (und anderer) Durchsuchungsaktionen im letzten Jahr ein wenig Boden verloren auf der Liste der Länder, in denen die Pressefreiheit gewährleistet ist. Deutschland fiel vom 11. auf den 18. Platz (von insgesamt 160). Foto: Usbekische Sicherheitskräfte: BBC, Voice of America und Deutsche Welle auf „Feindesliste“ gesetzt

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