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„In der Politik gibt es mehr Fronten als im Krieg“

„In der Politik gibt es mehr Fronten als im Krieg“

„In der Politik gibt es mehr Fronten als im Krieg“

 

„In der Politik gibt es mehr Fronten als im Krieg“

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Was der mit Mühe zustande ge kommene Verfassungsentwurf für den Irak (JF 36/05) bedeutet, stellt sich immer klarer heraus. Weder die Hoffnungen „irakistisch“ denkender Politiker in Bagdad noch die Vorstellungen der US-Besatzungsmacht, über die Verfassungsgebung müsse im Irak ein nationaler Konsens wachsen, haben sich erfüllt. Inzwischen gehen viele Beobachter und auch die Beteiligten selbst davon aus, daß sich eine „prästabilisierte Harmonie“ zwischen den konkurrierenden oder gar verfeindeten Bevölkerungsgruppen nicht herstellen läßt. Eine separate Entwicklung der Regionen unter einem losen irakischen Dach wäre noch die denkbarste Zukunft für den glücklosen und von Anfang an verhunzten Staat. Daß man so viele Fragen offengelassen hat, kann Schiiten wie Kurden nur recht sein. In ihrer Mehrheit haben die schiitischen Parteien von Anfang an darauf hingewirkt, strittige Fragen dem Parlament zu überlassen, das sie mit rund 62 Prozent schon jetzt dominieren. Im nächsten Parlament, das im Dezember gewählt werden soll, wird sich daran kaum etwas ändern. Die Kurden, die unverzichtbaren Mehrheitsbeschaffer für die in allen wichtigen Fragen notwendigen Zweidrittelmehrheiten, haben das Spiel mitgespielt und sich dafür von den Schiiten ihre Autonomie festschreiben lassen. Je länger die Verhandlungen dauerten, desto häufiger und lauter waren auch im schiitischen Lager Überlegungen zu hören, es den Kurden gleichzutun und als Gegenstück ein autonomes „Schiitistan“ zu schaffen. Daß die Kurden so gut wie alle ihre Forderungen durchsetzen konnten, ist nicht zuletzt dem erstaunlichen diplomatischen Geschick Massud Barsanis zu verdanken, der im Februar zum Präsidenten der „Autonomen Region Kurdistan (Irak)“ gewählt worden war. Der 59jährige Politiker ist Sohn und Nachfolger Mustafa Barsanis, des Gründers der Kurdischen Demokratischen Partei. In den achtziger Jahren kämpfte Masud Barsani als kurdischer Kriegsherr sieglos gegen Bagdads Truppen. Verfassungsentwurf schafft volle Autonomie der Kurden In den letzten Wochen saß er persönlich mit am Verhandlungstisch und rang geduldig, leise und unnachgiebig um die Durchsetzung seiner Ziele, der jahrzehntealten Forderungen der Kurden. „Politik ist sehr viel komplizierter“, sagt er rückblickend. „In der Politik gibt es sehr viel mehr Fronten als im Krieg.“ Die Bagdader Verhandlungen fanden übrigens im dortigen Besitz der Familie Barsani statt, unter einem Porträt des legendären Mustafa Barsani, der Ikone der kurdischen Freiheitsbewegung. Für die Kurden ist das Ergebnis ein voller Erfolg. Der Verfassungsentwurf macht aus der de-facto-Autonomie, die sich die Kurden unter dem anglo-amerikanischen Schutzschild der „nördlichen Flugverbotszone“ aufgebaut haben, eine de-jure-Autonomie. Alle Gesetze, die seit 1992 von der kurdischen Regionalregierung erlassen worden sind, werden im Rahmen des irakischen Verfassungsentwurfs auch von Bagdad akzeptiert. Gesetze, die in Bagdad erlassen werden, können – müssen aber nicht – auch in Kurdistan gelten. Die Kurden behalten die Kontrolle über ihre eigene 60.000-Mann-Miliz. Und sie bekommen die Verfügungsgewalt über alle neuen Öl- und Gasfelder in ihrer Region. Selbst die Rückführung der unter Saddam aus den Kurdenregionen vertriebenen Menschen wurde festgeschrieben. Sie soll bis Ende 2007 abgeschlossen sein. Nur in einem einzigen wichtigen Punkt mußten die Kurden nachgeben: Die Formulierung, sie hätten das Recht, sich unter bestimmten Umständen ganz vom irakischen Staat zu lösen, wurde aus dem Verfassungsentwurf herausgenommen. Barsani hat es hingenommen und sibyllinisch erklärt: „In vielen Weltgegenden gab es im letzten Jahrzehnt einen grundlegenden Wandel, der vielen Völkern die Freiheit gebracht hat. Ich wäre nicht überrascht, wenn ich einen solchen Wandel auch in unserer Region erleben würde.“

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