Der Endspurt im Kampf um ein Direktmandat für den Deutschen Bundestag begann für Martin Hohmann mit einem Paukenschlag. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) griff am vergangenen Dienstag mit einer Rede auf dem Universitätsplatz in Fulda höchstpersönlich in den Wahlkampf um das Direktmandat im Wahlkreis 176 ein. Wer Hohmann am 18. September seine Erststimme gebe und mit der Zweitstimme wie gewohnt die CDU wähle, müsse sich bewußt sein, daß die Zweitstimmen gelöscht werden, sollte der aus der CDU ausgeschlossene Bundestagsabgeordnete das Direktmandat erringen, warnte Koch. Das könnte dazu führen, daß am Ende die Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, „Tausende Zweitstimmen“ fehlen. Unter Umständen würde dadurch sogar der angestrebte Regierungswechsel in Berlin gefährdet, sagte Koch und verwies auf die Bundestagswahl 2002, bei der 6.000 Stimmen zu einem Regierungswechsel gefehlt hatten. Roland Kochs Rede sorgt für Unruhe „Er schadet dem Wahlkreis, er schadet ganz Deutschland“, sagte der Ministerpräsident mit Blick auf Hohmann. Er berief sich bei seinen Ausführungen auf den Paragraphen 6 des Bundeswahlgesetze, der eine entsprechende Regelung enthält (siehe den Artikel auf dieser Seite). Die Rede Kochs sorgte im Lager von Hohmann für erhebliche Unruhe. Es wird befürchtet, daß Wähler davon abgeschreckt werden könnten, Hohmann ihre Stimme zu geben. „Von der Regelung über die Zweitstimmenverwertung bei unabhängigen Bundestagskandidaten bin ich selbst überrascht worden“, sagte Hohmann, der mit dem Spruch „Erststimme Hohmann, Zweitstimme wie bisher“ offensiv um Stimmen aus dem Unionslager wirbt. Mit Interesse beobachtet unterdessen die SPD das Scharmützel im konservativen Lager. Ein Funktionär der Partei bezeichnete den Auftritt Kochs als „höchst durchsichtiges Manöver aus der politischen Trickkiste“. Die SPD hofft, daß ihre Kandidatin für den Wahlkreis, Claudia Blum, von dem Konkurrenzkampf zwischen Hohmann und dem CDU-Kandidaten Michael Brand um die Stimmen der konservativen Wähler profitieren und erstmals in der Geschichte den Wahlkreis für die Sozialdemokraten gewinnen könnte. Abseits von allen juristischen Diskussionen zeigt der Vorstoß von Koch, wie nervös die CDU im Wahlkreis Fulda mittlerweile geworden ist. Die Kandidatur des Hohmann-Nachfolgers Brand ist alles andere als ein Selbstläufer. Hohmann, das zeigte der bisherige Wahlkampf (JF 36/05), ist im Wahlkreis populär und genießt in der Bevölkerung nach wie vor ein hohes Ansehen. Seine Wahlkampagne setzt der CDU offensichtlich so sehr zu, daß sie sich gezwungen sieht, zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen: Sie widmet ihrem ehemaligen Mitglied jetzt sogar ein eigenes Wahlplakat, auf dem die Partei davor warnt, dem Bundestagsabgeordneten seine Erststimme zu geben: „Wer Hohmann wählt“, heißt es, „spielt Rot-Grün in die Hände, schadet der CDU und gefährdet den Wechsel in Deutschland!“ Ungewöhnlich genug, daß eine Partei auf ihren Wahlplakaten den politischen Gegner namentlich erwähnt – daß die CDU den Namen „Hohmann“ auf ihren Plakaten zudem größer druckt als den ihres eigenen Kandidaten, gehört zu den Kuriositäten dieses Wahlkampfes. Der CDU-Bezirkschef Walter Arnold forderte Hohmann zudem fast flehentlich auf, den Wahlkampf einzustellen. In dieses Bild paßt die Abstimmung unter Teilnehmern einer Podiumsdiskussion der Bundestagskandidaten im Wahlkreis 176 in der vergangenen Woche. Zwar erreichte Michael Brand die meisten Stimmen (120), doch Martin Hohmann folgte mit 108 Stimmen bereits auf Platz zwei. Die SPD-Kandidatin Claudia Blum landete mit 67 Stimme auf dem dritten Platz. Bei einer Umfrage des Internet-Portals osthessennews.de erreichte Hohmann 49 Prozent der Stimmen, der CDU-Kandidat Brand kam auf 23 Prozent. Auch wenn die Umfragen nicht repräsentativ waren, lassen sie zusammen mit den wütenden Angriffen von Koch auf die Stimmung im Wahlkreis 176 schließen, den Hohmann 2002 mit 54 Prozent der Stimmen gewinnen konnte. Nach wie vor scheint es nicht völlig ausgeschlossen, daß Hohmann als unabhängiger Kandidat in den Bundestag einzieht. Hohmann gibt sich unterdessen von den Angriffen seiner ehemaligen Partei unbeeindruckt. Er glaube nicht, daß sich die Wähler davon irritieren ließen. Hinzu komme, daß viele Wähler von dem Streit um Erst- und Zweitstimmen offensichtlich nichts mitbekommen haben. „Für viele ist das völlig neu, wenn man sie darauf anspricht“, sagte Hohmann der JUNGEN FREIHEIT. Wichtig sei es, den Wählern klarzumachen, daß ihre Stimme nicht ungültig wird, wenn sie Hohmann wählen. Unterstützung erhält der unabhängige Kandidat weiterhin von zahlreichen freiwilligen Helfern. Für das Wahlwochenende sind nochmals Wahlkampfstände in den größeren Städten des Wahlkreises geplant. Und für den Sonntag ist bereits eine Wahlparty fest eingeplant – so oder so. Foto: Martin Hohmann im Straßenwahlkampf in Fulda: Der Bundestagsabgeordnete ist nach wie vor populär