Die dritte Ausgabe der im Auftrag der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF) von Harald Bergbauer, Till Kinzel und Caspar von Schrenck-Notzing herausgegebenen Zeitschrift Unsere Agenda befaßt sich schwerpunktmäßig mit dem deutschen Nachkriegskonservatismus. In seinem umfassenden Beitrag hält sich Caspar von Schrenck-Notzing nicht lange mit einer Definition des Konservativismus-Begriffs auf, sondern beginnt sogleich mit einer geharnischten Widerlegung der unhaltbaren These, der Konservatismus habe 1945 den „absoluten Tiefpunkt seiner Geschichte erreicht“ (Axel Schildt). Vielmehr gehörten die kriegsnahen fünfziger Jahre der Ära Adenauer zu den am stärksten konservativ geprägten Abschnitten der neueren deutschen Geschichte. So war es wohl kein Zufall, daß die konservative Deutsche Partei 1960, im Jahr der „intellektuellen Gründung der Bundesrepublik“ (Clemens Albrecht) nach den Schnittmustern der wirkmächtig agierenden Frankfurter Schule, ihre Vertretung in der Bundesregierung und ein Jahr später auch im Bundestag verlor. Die Vollendung dieser Zäsur geschah schließlich durch die Mutation der Medienöffentlichkeit zur veröffentlichten Meinung, die „fast über Nacht zum closed shop der Linksliberalen wurde“. In enger Verbindung mit der 1946 von Johann Wilhelm Naumann gegründeten Zeitschrift Neues Abendland entstanden in den fünfziger Jahren die Abendländische Aktion und die Abendländische Akademie als lockere Zusammenschlüsse der intellektuellen Nachkriegs-Konservativen. Der christlich-konservative Abendlandbegriff, wie ihn beispielsweise noch Konrad Adenauer verwendete, war zwar einerseits eine Abweisung des übersteigerten Nationalismus, andererseits aber durchaus gedacht als Propagierung einer Kultur- und Schicksalsgemeinschaft, die vom Geist dieses christlichen Abendlandes getragen wurde. Adenauer selbst saß im Kuratorium der Abendländischen Akademie; sein neuer Außenminister Heinrich von Brentano hielt im Juli 1955 anläßlich der Tausendjahrfeier der Schlacht am Lechfeld, wo das christliche Heer unter Otto dem Großen die heidnischen Ungarn besiegte, seine erste große Rede. Für die Konservativen war der Umschlag des geistigen Klimas Ende der fünfziger Jahre eine Katastrophe. „Der linksliberale Zeitgeist blies aus vollen Backen seine verbalen Seifenblasen ins Land und ergriff von der formierten Öffentlichkeit fast uneingeschränkt Besitz“, schreibt Schrenck-Notzing. Galt der Mensch bislang als ein von „innen heraus gefährdetes Wesen“ (Nicolai Hartmann), avancierte er nun zum Maß aller Dinge. Dem Staat wurde der Boden der Autorität unter den Füßen weggezogen, seine Degradierung zum Zweckverband ähnlich einer Krankenkasse oder Lebensversicherung ließ dann nicht mehr lange auf sich warten. Eine Neubelebung des „mit dem Ende der Ära Adenauer überrollten Konservatismus“ (CSN) brachte erst in den sechziger Jahren das größte europäische Zeitungshaus. Der Verleger Axel Springer setzte sich an die Spitze des Widerstands gegen die Kulturrevolution der Studentenbewegung. Ohne die Verdienste Springers und der in seinen Zeitungen publizierenden konservativen Journalisten wie Kremp, Zehm, Walden, Martini, Schlamm und Mohler schmälern zu wollen, entwickelte sich jedoch der im Zeichen der Studentenrevolte stehende Konservatismus der sechziger Jahre endgültig zur reinen Abwehrbewegung gegen Sozialismus und Kommunismus und zum Basisgedanken der Westintegration der Bundesrepublik. Daß der Staat vor den 68er-Krawallen zurückwich und seine Verteidiger sozusagen im Regen stehen ließ, war das Resultat einer bürgerlichen Feigheit, die der Zerstörung der Institutionen relativ ungerührt zusah und ansonsten höchstens um ihre damals noch blendend laufenden Geschäfte besorgt war. Mit Gerd-Klaus Kaltenbrunners 1974 begonnener, eine mögliche „Tendenzwende“ signalisierender Herderbücherei Initiative, den Debatten der achtziger Jahre über „nationale Identität“ sowie der demokratischen Rechten Mitte der neunziger Jahre (Schwilk, Schacht, Zitelmann) schließt sich vorläufig der Kreis. Gesonderte Texte befassen sich mit dem „Unionskonservativismus“ in Hessen unter Alfred Dregger, der Rolle der DSU in Sachsen und dem Studienzentrum Weikersheim. Mit Leben und Werk des kolumbianischen Schriftstellers Nicolás Gómez Dávila stellt Till Kinzel einen Reaktionär vor, dem nichts weniger vorschwebte als die Restauration des Vergangenen: „Denken als Guerillakampf gegen die Moderne“. Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF), Knöbelstr. 36, 80538 München, E-Post: sekretariat@fkbf.de . Titelbild „Unsere Agenda“