Am 14. August 2004 weihte der ungarische Staatspräsident Ferenc Mádl das Denkmal „Aufnahme“ ein, welches an das tausendfache Kirchenasyl für mitteldeutscher Flüchtlinge im Sommer 1989 in Budapest erinnern soll. Das Denkmal befindet sich – ebenso wie eine Gedenktafel – in dem Kirchgarten der Pfarre Szent Család (Heilige Familie) im Bezirk Zugliget. Die „Aufnahme“ besteht aus einer drei Meter hohen Kalksandsteinstatue, die zwei Figuren darstellt, die sich gegenseitig umarmen. Geschaffen wurde das Werk von dem Bildhauer Tibor Rieger aus Szentendre. Auch der Außenminister (und künftige EU-Kommissar) László Kovács, der damals als KP-Apparatschik und Staatssekretär maßgeblich an der Fluchthilfe beteiligt war, besuchte die Veranstaltung. Von deutscher Seite hatten zwar einige Politiker, unter anderem Hans-Dietrich Genscher, ihr Kommen angekündigt, aber letztlich wurde das Ereignis stillschweigend übergangen. Ob mit Absicht oder einfach nur, weil einem der Freiheitstaumel der Wendezeit inzwischen peinlich ist? Von offizieller Seite gab es hierfür keine Erklärung. Dabei spielten sich hier in der Zeit zwischen dem 14. August und Mitte November 1989 bewegende Szenen ab. Eigentlich wollte der Paderborner Malteser-Hilfsdienst im August 1989 nur ein Sommerlager in Budapest ausrichten. An Politik war dabei nicht gedacht. Deutsche und ungarische Jugendliche sollten sich hier ganz einfach erholen und kennenlernen. Doch dann kam es anders. Kaum angekommen, erreichte die Malteser ein Hilferuf aus der westdeutschen Botschaft. Denn hier waren inzwischen mehrere hundert DDR-Flüchtlinge untergekommen. Täglich kamen neue hinzu, aber die Botschaft wußte schlicht nicht mehr, wie und wo sie die „Republikflüchtlinge“ unterbringen sollte. Es war nur klar, daß niemand zurückgewiesen werden sollte. Die Malteser Jugendgruppe aus Paderborn zögerte nicht lange, sondern half mit dem, was sie bei sich hatte: Man baute die Zelte auf und teilte die Decken aus, die eigentlich für den eigenen Urlaub bestimmt waren. Damit kam eine Lawine ins Rollen. Die gesamte humanitäre Hilfe bei jenem Flüchtlingsdrama gelangte so in die Hände des Malteser Hilfsdienstes, der eigentlich immer im Schatten des Roten Kreuzes agiert. Ein weiterer Zufall ereignete sich, als die Malteserin Csilla von Boeselager aus dem westfälischen Arnsberg im August 1989 in der deutschen Botschaft Budapest einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Rumänien machte. Die gebürtige Ungarin hatte eigentlich geplant, der magyarischen Minderheit in Rumänien zu helfen, die immer mehr unter dem kommunistischen Diktator Nicolae Ceausescu zu leiden hatte. Bundesregierung handelte damals erst viel später Als von Boeselager jedoch von der bedrängten Lage der mitteldeutschen Flüchtlinge in der deutschen Botschaft erfuhr, disponierte sie sofort um. Die Hilfe für die Siebenbürger Magyaren wurde zurückgestellt, und fortan setzte sich Csilla von Boeselager mit ganzer Kraft für die Botschaftsflüchtlinge ein. Ihr gelang es, eine entscheidende Kontaktperson zu ermitteln, so daß der wachsende Flüchtlingsstrom auf ein größeres Gelände ausweichen konnte: Imre Kozma, Malteser und Pfarrer von Szent Család, gewährte auf seinem Kirchengelände weiteren 600 DDR-Flüchtlingen Asyl. Aber auch zur Malteser-Zentrale in Köln hatte von Boeselager Signale gesendet, die nicht ungehört verhallten. Malteser aus ganz Deutschland reisten ab Mitte August 1989 in Ungarns Hauptstadt. Erst als die Betreuung bereits in vollem Gange war, bekamen die Malteser auch von der damaligen Bundesregierung einen offiziellen Auftrag für ihren Einsatz. Auf dem Höhepunkt dieser Fluchtwelle gab es in Budapest und am Balaton fünf Flüchtlingslager für etwa 48.600 Personen. Insgesamt hatten 50.000 bis 60.000 Mitteldeutsche über Ungarn den Weg in den Westen genommen. Angesichts der Menschenmassen kam es bald zum Bruch der sozialistischen Treue: Ungarn ließ die „DDR-Bürger“ ab 11. September 1989 ziehen. Wochenlang wurden die Flüchtlinge mit Bussen in die Bundesrepublik gebracht. Zurück blieben Hunderte von Trabis, die in den folgenden Monaten von den Magyaren „wiederverwertet“ wurden. Staatspräsident Mádl würdigte in seiner Rede den Mut der Malteser, die schon gehandelt hätten, als die ungarische Regierung noch gezögert habe. Denn ausliefern wollte man die „Republikflüchtlinge“ nicht, aber sie als offizielle Asylanten zu deklarieren, schien politisch heikel. Pater Kozma, der in Ungarn nicht nur in Kirchenkreisen bekannt ist, hob in seiner Rede die Bedeutung der Aufnahmebereitschaft hervor und deklarierte sie zur Kernbotschaft des Christentums. Dabei sparte er nicht mit Kritik an den aktuellen gesellschaftlichen Tendenzen. Der herrschende Individualismus sei ausschließend, er halte die Bedürftigen fern, so Kozma. Und: „Wir präsentieren mit der Aufnahmebereitschaft die einzige menschliche Haltung, die sich dem grenzenlosen Wirtschaftsliberalismus, dem Nihilismus des Konsums, der Diskrimination und dem Mangel an sozialpolitischem Wissen stellt“. Zur Aufnahme gebe es keine Alternative und sie sei nicht an Bedingungen gebunden, wenn man in der Seele anerkenne, daß alle Menschen gleich seien.
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