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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Integration mit Krummsäbel

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Sie waren der Schrecken Europas der Frühneuzeit. Ein furchtbarer Ruf eilte ihnen stets voraus. Überall wo die Janitscharen, die Elitegardisten des osmanischen Sultans, in Europa auftauchten, verbreiteten sie Angst unter der Bevölkerung. Besonders die Mütter fürchteten um ihre Söhne – denn die Janitscharen rekrutierten ihren Nachwuchs aus der „Knabenlese“. Christenkinder wurden ihren Familien entrissen und mit unerbittlich hartem Drill zu Kämpfern für den Sultan gemacht. Ihr Vorteil: Durch den Wegfall familiärer, religiöser und sozialer Bindungen waren sie in ihrem Kadavergehorsam nur ihrem Sultan verpflichtet. Vergangenes Wochenende marschierten sie durch Berlin-Mitte. Mit viel Tschingderassabumm und Fahnen zog eine Janitscharen-Kostümgruppe mit eindrucksvollen Krummsäbeln im Rahmen des „Türkisch-Europäischen Kulturfestes“ am Reiterdenkmal des alten Fritz Unter den Linden vorbei und wurde vom Publikum bejubelt. Es waren wohl Auftritte dieser Art, die den Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) gegen das Festival poltern ließen. Das Signal, das von Aufmärschen und dem türkischen Fahnenmeer ausgehe, sei wenig integrativ, so der TBB. In der Berliner Zeitung wurde das Fest sogar mit dem Attribut „nationalistisch“ belegt – bei deutschen Ereignissen eine Totschlagvokabel. Fest sollte eigentlich „politikfrei“ bleiben Die Veranstalter, die Türkische Gemeinde zu Berlin (TGB), brauchen sich indes über die Kritik nicht zu ärgern. Suat Bakir, der Pressesprecher des türkischen Festivals, ist „sehr zufrieden“. Dabei wird bei der Nachlese des Festes nicht unorientalisch übertrieben. Während Bakir gegenüber der jungen freiheit von „etwa 100.000 Besuchern“ spricht, berichtet die Polizei von gerade einmal 10.000. Das türkische Internet-Portal Turkdunya erwartete 50.000 Gäste, und die Berliner Morgenpost schreibt „Zehntausende“. Der Standort Berlin ist bewußt gewählt: Mit 125.000 Türken ist die Bundeshauptstadt die größte türkische Gemeinde außerhalb der Türkei. Das schafft Selbstbewußtsein. Und genau mit diesem begründet Bakir auch das Fahnenmeer. „Wir sind Europa“ war das Motto des Kulturfestes – eine überdimensionale Werbeveranstaltung für einen türkischen EU-Beitritt. Insgesamt 300 Künstler, darunter die Musikgruppe Athena, die die Türkei beim Grand Prix 2004 in Istanbul vertrat, sowie die superblonde Viva-Moderatorin Gülcan Karahanci gaben sich am Samstagnachmittag vor dem Brandenburger Tor die Ehre. Mit 600 Bussen sollen Türken aus ganz Deutschland angereist sein. Die Kritik des TBB würde bei den Organisatoren schon ob der breit angelegten Unterstützung aus allen möglichen türkischen Vereinen auf Unverständnis stoßen, wenn es da nicht einen Vorfall gegeben hätte, der die Berliner Lokalpresse gar von einem „Eklat“ berichten ließ: Die Berliner SPD-Abgeordnete Dilek Kolat, Ehefrau des TBB-Geschäftsführers Kenan Kolat, beklagte sich darüber, daß zwei Sicherheitsleute versucht hätten, sie aus dem VIP-Bereich des Festes zu werfen. „Die beiden sind sehr massiv geworden, haben mir auch körperliche Gewalt angedroht“, wird Kolat in der Berliner Zeitung zitiert. Sie drohe sogar mit einer Strafanzeige. Nach ihren Worten gebe es unter den am Fest beteiligten Organisationen sogar „extremistischere Gruppen“. Wer das sein soll, kann der Sprecher des TBB, Safter Cinar, selbst nicht genau sagen. Suat Bakir von der Türkischen Gemeinde mag dagegen nicht von einem „Eklat“ sprechen. Ja, ein Mann von einer Sicherheitsfirma habe irrtümlich versucht, Kolat aus dem VIP-Bereich zu komplimentieren – allerdings sei das schnell geklärt gewesen. „Ich habe mich sofort bei Frau Kolat in aller Form entschuldigt“, so Bakir gegenüber der JF. Das mit der Strafanzeige könne er sich „nicht vorstellen“. Schließlich feierte Kolat noch zwei Stunden nach dem Zwischenfall auf dem Kulturfest. Kolats anscheinend nachträglicher Verärgerung könnten hingegen viel banalere Ursachen zugrunde liegen. Denn der SPD-Politikerin wurde kein Rederecht eingeräumt – und das vor nicht wenigen in Deutschland eingebürgerten und wahlberechtigten Türken. War das vielleicht der Grund für Kolats späteres Nachtreten? Was hat das mit Nationalismus zu tun? Bakir hofft indes, daß wenig von dieser „Geschichte“ am Kulturfest hängenbleibt, welches die Veranstalter weitgehend „politikfrei“ halten wollten und daher auch die politischen Reden auf ein Minimum reduzierten. An Fahnenmeeren und Traditionskostümen kann er nichts Schlimmes finden. „Das ist eben auch ein Stück Mentalität und hat rein gar nichts mit Chauvinismus oder Nationalismus zu tun“. Er wünsche sich für die kommenden Feiern allerdings „vielmehr deutsche Fahnen“ als Integrationszeichen. Allerdings seien aber nunmal die Türken leidenschaftlichere Fahnenschwenker als die Deutschen. Wolfgang Schrauth geht da schon analytischer ran. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von Demokratie, Heimat und Menschenrechten (BDB), einem Verein, der für eine bessere Integration hier lebender Ausländer engagiert, beobachtet solche Veranstaltungen bereits seit Jahren. Er vermag dort aber weniger einen „Nationalismus“ zu erkennen als vielmehr ein „Identitätsproblem“ der deutschen Mehrheitsgesellschaft. „Wenn selbst ein Deutscher unter Nationalismusverdacht gerät, wenn er außerhalb von Länderspielen die deutsche Fahne trägt – weshalb sollte dies dann ausgerechnet ein Türke tun?“ Die Deutschen bräuchten mehr Mut und Selbstbewußtsein – „auch beim Einfordern der Integration“, so Schrauth. Dazu gehöre auch, daß man martialische Auftritte wie der Janitscharen „entschlossen unterbindet“, sagte Schrauth gegenüber der JF. Wenn es tatsächlich um Integration gehen sollte, sei das Fest schlicht und ergreifend eine „Themaverfehlung“ gewesen. Aber das sei kein Wunder – „was keiner wirklich mit Nachdruck fordert, wird auch nicht geleistet“. Foto: Osmanischer Krieger in Kettenhemd, türkisches Fahnenmeer in Berlin: Weshalb sollten ausgerechnet Türken die deutsche Fahne schwenken?

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