Am 23. November wird in Kroatien ein neues Parlament (Sabor) gewählt. Dann wird sich entscheiden, ob die von den Wendekommunisten, welche jetzt als „Sozialdemokraten“ (SDP) firmieren, geführte Linkskoalition im Amt bleibt. Der allgemeinen Stimmung nach wäre ein Wechsel fällig. Die Regierung des früheren KP-Spitzenpolitikers Ivica Racan hat seine Wahlversprechen nicht erfüllt: Die Arbeitslosenzahl ist weiter gestiegen, die Verschuldung des Staates erreicht „titoistische“ Ausmaße. Die Erwartung, der Westen und die EU würden Kroatien mit offenen Armen empfangen, wenn das Land erst den „nationalistischen“ ersten Präsidenten Franjo Tudjman „entsorgt“ hätte, erfüllten sich nicht. Viele erwarten deshalb einen Sieg der seinerzeitigen Tudjman-Partei HDZ (Kroatische Demokratische Union). Ihr Vorsitzender Ivo Sanader – unter Tudjman Staatssekretär im Außenministerium – wird bereits als neuer Premier gehandelt. Doch selbst im Fall eines HDZ-Wahlsieges ist das Land mit ungelösten Problemen und einer zunehmenden Polarisierung konfrontiert. Da ist einmal die Frage der kroatischen Generäle, die an das internationale Tribunal in Den Haag ausgeliefert werden sollen – wegen angeblicher Kriegsverbrechen während des „vaterländischen Krieges“. Einer von ihnen, General Ante Gotovina, ist flüchtig und die kroatische Regierung war bisher nicht in der Lage, ihn dingfest zu machen. Die meisten Kroaten sehen nicht ein, warum ihre Volkshelden, die das Land von Fremdherrschaft und serbischer Aggression befreiten, nun plötzlich Verbrecher sein sollen. Wie immer man das Problem juristisch beurteilt – der Westen hat hier einen erschreckenden Mangel an Fingerspitzengefühl gezeigt. Ein weiteres Ärgernis ist der von vielen Kroaten befürchtete Ausverkauf des Landes an westliche Investoren, die – gewiß nicht immer, aber doch häufig – nur ins Land kommen, um Kasse zu machen. Man spricht von finanzieller Überfremdung. In Istrien wird befürchtet, daß sich demnächst kein Einheimischer mehr ein kleines Haus in Meeresnähe wird leisten können, weil alles von Ausländern aufgekauft wird. Der von der Links-Regierung zwangspensionierte Admiral Davor Domazet – unter Tudjman Chef der militärischen Abwehr – warf dieser Tage dem Ministerpräsidenten vor, dieser habe die „Existenz des kroatischen Staates“ in Frage gestellt. Racan habe eine totale ideologische Polarisierung herbeigeführt. Das sei eine Abkehr von der Politik der nationalen Versöhnung, wie Tudjman sie anstrebte. Die Folge sei ein „gespaltenes Kroatien“: „Wir kehren heute in die Zeit vor sechzig Jahren zurück“ (in die Ära kommunistischer Machtergreifung). Die Medien in Kroatien befinden sich weitgehend unter Kontrolle der Linksregierung und ihrer Anhänger. Die nationale Opposition hat keine einzige ihr nahestehende Tageszeitung – wobei die von westlichen Konzernen (WAZ, Styria) aufgekauften Blätter eine stramm regierungskonforme Linie fahren. Sanader wird sich, wenn er ans Ruder kommen sollte, der Blockade durch Medien und die in Spitzenpositionen zum Teil noch oder wieder vorhandenen KP-Kader erwehren müssen. Hinzu kommt der internationale Druck. Man wird von ihm Nachgiebigkeit verlangen – und es ist interessant zu sehen, wie groß die Widerstandskraft einer HDZ ohne die charismatische Gestalt eines Tudjman sein wird. Es wird eine schicksalhafte Wahl für Kroatien.