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Frei zum Abschuß

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Der wegen seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit unter schweren Beschuß geratene CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann soll an diesem Freitag aus der Fraktion ausgeschlossen werden. Nach vielen Gesprächen scheint sich die CDU-Chefin und Fraktionsvorsitzende Angela Merkel sicher zu sein, die für den Ausschluß aus der Fraktion notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zu bekommen. Tatsächlich hatte in der Sitzung des Fraktionsvorstandes am Montag, in der Merkel ihren überraschenden Kurswechsel gegenüber Hohmann bekanntgab, nur ein Abgeordneter gegen den Ausschluß von Hohmann votiert. Nach Informationen aus der Fraktion soll dies die Stimme des haushaltspolitischen Sprechers der Fraktion, Dietrich Austermann, gewesen sein. Fraktionsvize Friedrich Merz soll sich enthalten haben. Und Gespräche mit Abgeordneten noch am Montag zeigten, daß der Hesse Hohmann wie eine heiße Kartoffel fallengelassen werden könnte. Jede Stimme für Hohmann, so wird argumentiert, wäre eine Stimme gegen Merkel und die CDU-Führung. Größerer Widerstand oder gar ein Mißerfolg der Vorsitzenden würden den CDU-Parteitag Anfang Dezember verderben und den öffentlichen Druck gegen die Union weiter hochhalten. Dabei hatte sich Merkel, das räumen viele befragte Abgeordnete unumwunden ein, durchaus nicht fehlerfrei verhalten. Nach Bekanntwerden des Redetextes von Hohmann hatte sie in der CDU-Führung zunächst für eine Rüge gesorgt und den 55jährigen Parlamentarier vom Innen- in den Umweltausschuß des Bundestages versetzen lassen. Da Hohmann klargestellt hatte, daß er die Juden nicht als Tätervolk habe bezeichnen wollen, wollte die CDU-Führung die Sache mit der Rüge und der Zuweisung eines anderen Ausschusses auf sich beruhen lassen. Danach mangelte es der Partei- und Fraktionsführung aber an Selbstbewußtsein, die Causa Hohmann in der Öffentlichkeit durchzustehen. Die Serie der Distanzierungen, zuletzt in hilfloser Art durch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer in der Sendung „Christiansen“, ging weiter. CDU-Politiker wie NRW-Landeschef Jürgen Rüttgers und der Europapolitiker Elmar Brok sprachen die Trennung von Hohmann an. Noch am Montagmittag hatte es Signale aus der Fraktion gegeben, Merkel wolle die Kritiker von Hohmann wie zum Beispiel Rüttgers zum Schweigen bringen und die Geschlossenheit wiederherstellen. Ohne das Vorliegen neuer Fakten, so heißt es in der Fraktion, habe die Führung die Meßlatte für Hohmann am Montagnachmittag plötzlich höher gehängt und das Ausschlußverfahren betrieben. Angeblich waren noch Gespräche mit Hohmann geführt worden, um ihn zu einer deutlicheren Klarstellung oder zu einer Niederlegung des Bundestagsmandates zu bewegen. Mit Hohmann gut bekannte Abgeordnete sind sich aber sicher, daß zu diesem Zeitpunkt der engere Führungszirkel der CDU längst die Entscheidung getroffen hatte, das Ausschlußverfahren zu eröffnen, falls Hohmann nicht von selbst geht. Hohmann hat in seiner Fraktion gewiß mehr Sympathien genossen, als es in der aktuellen TV-Berichterstattung deutlich wird. Seine Kritik an der Zwangsarbeiterentschädigung wurde seinerzeit von vielen seiner Kollegen als mutig anerkannt. Neben Hohmann wagten es nur wenige, öffentlich darauf hinzuweisen, daß deutsche Zwangsarbeiter nicht entschädigt wurden, während viele ausländische Zwangsarbeiter aber bereits eine Entschädigung erhalten hätten. Andererseits werden auch Hohmann Fehler angelastet. Dem Fernsehen Interviews zu geben sei genauso falsch gewesen wie die Bekanntmachung des Briefes von KSK-General Günzel, in dem Sympathien für die Hohmann-Rede deutlich wurden. Für Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) war dies eine Steilvorlage, sich als Macher zu präsentieren und den General zu feuern. Damit konnte das Thema, das sonst mangels neuer Nachrichten in den Hintergrund getreten wäre, weiter am Kochen gehalten werden. So wurde nach dem Rauswurf des Generals der Druck auf die Union erhöht: Wenn schon Struck und damit die SPD so schnell für klare Verhältnisse sorge, dann müsse die Union das mit Hohmann auch tun, so der Tenor zahlreicher Kommentare. Auch der Zentralrat der Juden attackierte die Union mit schweren Geschützen. Der Vorsitzende der Frankfurter Jüdischen Gemeinde und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, sprach Hohmann sogar das Recht ab, die „Interessen des deutschen Volks“ als Parlamentarier zu vertreten. Angesichts dieses Drucks von außen und der Festlegung der Führung auf den Rauswurf ballen selbst konservative Kollegen von Hohmann die Faust in der Tasche zusammen und werden nicht gegen Merkel rebellieren. Politik lebt vom Opportunismus. Die wirkliche Frage für die Volksvertreter lautet nicht etwa, ob man jemandem noch verzeihen kann, der einen Fehler gemacht hat, sondern welches Verhalten einen persönlich weiterbringt. Im Fall Hohmann glaubt man, mit dem Abgeordneten den Makel des Antisemitismus gleich mit aus der Union auszuschließen. Außerdem wird gehofft, damit die lähmende Debatte beenden und die Wahl 2006 doch gewinnen zu können. Daher werden die meisten Abgeordneten der Vorsitzenden folgen, eine ganze Reihe vielleicht nur zähneknirschend. Es liegt auch daran, daß Konservative in der Union keine Heimat mehr haben und niemanden in der Führung, der im Falle eines Fehlers zu ihnen stehen würde. Politiker wie Hohmanns Vorgänger im Wahlkreis Fulda, Alfred Dregger, gibt es heute nicht mehr. Sein eigenes Spiel treibt auch Hohmanns hessischer Landesvorsitzender und Ministerpräsident Roland Koch. Koch hatte noch am Sonntag für Hohmanns Verbleib in der Partei gesprochen, am Montag jedoch seine Haltung ins Gegenteil gekehrt. Dahinter stehen rein taktische Motive, vermuten viele Unionsabgeordnete. Koch hätte, wenn er Hohmann weiter verteidigt hätte, den Makel des Antisemitismus auf sich gezogen, nachdem Merkel den Kurs geändert hatte. Das kann Koch sich nicht leisten. Er strebt nach höheren Ehren, der Kanzlerkandidatur. Umgekehrt kann Koch nur profitieren, falls Merkel durch die Causa Hohmann in Schwierigkeiten kommt. Falls es keine Mehrheit für den Ausschluß geben sollte (dafür spricht aber wenig), wäre Merkel selbst so schwer beschädigt, daß sie zurücktreten müßte. Gäbe es allzu viele Sympathisanten für Hohmann in der Fraktion, hätte Merkel ebenfalls Probleme, weil sie dann mit dem Vorwurf eines „antisemitischen Bodensatzes“ in ihrer Fraktion leben müßte. Koch sieht sich – egal, wie die Sache ausgeht – schon als eigentlichen Gewinner. Ähnlich verhält sich CSU-Chef Edmund Stoiber, der, nachdem die CDU-Führung bereits die Rüge ausgesprochen hatte, noch besonders heftig gegen Hohmann zu Felde zog. Stoiber drohte dem hessischen Abgeordneten bereits am 8. November mit dem Parteiausschluß. „Noch ein Vorgang dieser Art, und er kann unmöglich weiter zur Union gehören“, so Stoiber damals. Er kann sich sicher sein, daß seine Chancen auf eine erneute Kanzlerkandidatur steigen, je stärker Merkel in den Strudel der Hohmann-Affäre gezogen wird. Der einzige, um den es in der Union schon längst nicht mehr geht, ist Hohmann selbst.

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