Martin Hohmann – und kein Ende. Auch knapp vier Wochen nach dem Rauswurf des mit absoluter Mehrheit direkt gewählten Bundestagsabgeordneten aus der CDU/CSU-Fraktion wegen dessen umstrittener Rede zum 3. Oktober köchelt die Debatte unter der Oberfläche weiter. Daran konnten auch die Jubel-Arien nichts ändern, die der Unions-Chefin Angela Merkel auf dem Parteitag in Leipzig entgegengebracht wurden. Denn die Aufmüpfigen meldeten sich auch dort zu Wort. Im Blickpunkt steht neuerdings der Euskirchener Kommunalpolitiker und Parteitagsdelegierte Leo Lennartz. Es geht um die Frage, wie die Partei mit Mitgliedern umgeht Die Kritik an der Art und Weise von Hohmanns Fraktionsausschluß hatte die Parteitagsregie erheblich gestört – und die Öffentlichkeit auf den NRW-Politiker aufmerksam gemacht. Zumal dann Landesparteichef Jürgen Rüttgers ausrastete. „Gut, daß das Ihr letzter Parteitag war“, giftete er dem 71jährigen entgegen. „Ich will mit solchen Leute wie Ihnen nicht in einer Partei sein.“ Doch auch dadurch ließ sich Lennartz nicht beirren: „Wenn Herr Rüttgers nicht mit mir in einer Partei sein möchte, dann soll er doch aus der CDU austreten“, erklärte Lennartz patzig. Der Landesparteichef habe mit seiner Rede „sein schlechtes Benehmen unter Beweis gestellt“. Len-nartz verteidigte sein Vorgehen: „Es geht um die Frage, wie eine Partei mit ihren Mitgliedern umgeht. Natürlich muß eine Fraktion oder Partei das Recht haben, Äußerungen eines Mitgliedes mit Folgen zu versehen“, so Lennartz. „Doch das muß dann rechtsstaatlich vonstatten gehen.“ Im Falle Hohmann habe aber die Partei- und Fraktionsführung „Anwalt, Richter und Vollstecker in einer Person gespielt“. Das wolle er so nicht akzeptieren, erklärte Lennartz. Die hysterischen Reaktionen folgten auf dem Fuß. Die Landes-CDU prüfte, ob sie gegen Lennartz vorgehen könne. Generalsekretär Hans-Joachim Reck sagte, es werde zu überlegen sein, ob Schritte gegen Lennartz eingeleitet werden müßten. Bei dessen Rede handele es sich um eine Entgleisung, die absolut nicht akzeptabel sei. Doch mit diesem Vorpreschen dürfte sich der Rüttgers getreue General nur wenig Freunde an der Basis gemacht haben. Denn erst bei der letzten Kommunalwahl wurde Lennartz nach Aussagen der Euskirchener CDU „massiv bedrängt, erneut zu kandidieren“. Allgemeiner Tenor: „Auf diesen alten Fuhrmann können wir nicht verzichten“. Der Umgang mit Lennartz läßt altgediente Christdemokraten die Stirn runzeln. Der Jurist gehört seit 1955 der Union an und vertritt die CDU seit fast dreißig Jahren im Stadtrat. Euskirchens Stadtparteivorsitzender Manfred Storn sieht demnach „keine Notwendigkeit“, den Stab über Lennartz zu brechen. Dieser habe sich schließlich nicht mit dem Inhalt der Hohmann-Rede auseinandergesetzt, sondern lediglich mit dem Verfahren über dessen Ausschluß. Und das müsse erlaubt sein. Der Euskirchener CDU-Chef hat warnende Beispiele vor Augen. Denn seit dem Rauswurf Hohmanns geht es in der nordhessischen Union drunter und drüber. Der Solmser CDU-Vorsitzende Hartmut Raetzer kritisierte die Vorgehensweise auf der jüngsten Jahreshauptversammlung hart: „Ist es nicht das Besondere einer Demokratie, auch Provozierendes, Unangenehmes, ja, auch Falsches sagen zu dürfen? Hat nicht gerade eine Partei, die sich wie die CDU auf christlichen Werte beruft, im Umgang mit ihren Mitgliedern besondere Verpflichtungen, auch wenn jemand möglicherweise irrt oder in seinen Vorstellungen von dem abweicht, was von den Parteispitzen als vertretbar angesehen wird? Auf Provokation, auf Unangenehmes, auf Falsches, auf Halbwahrheiten oder wie sonst die Bewertung von Kritikern lautet, mit Ausschlußverfahren zu reagieren, ist immer ein Zeichen von Schwäche“, so seine schallende Ohrfeige in Richtung der Bundes-Union. Im Stadtverband Schlüchtern ist unterdessen von einer Austrittswelle die Rede. Die genaue Zahl der Austritte mag der Vorsitzende Peter Lotz zwar nicht nennen, aber er spricht von „228 Jahren CDU-Mitgliedschaft“, die der Partei wegen der Hohmann-Affäre den Rücken gekehrt hätten, weil die langjährigen Mitglieder unzufrieden mit der Behandlung des CDU-Bundestagsabgeordneten gewesen seien. In der ganzen Angelegenheit habe die Parteispitze das Gespräch mit der Basis vermissen lassen, kritisierte auch der Freidensteiner CDU-Vorsitzende Carsten Pöhl. „Es gab ein Urteil gegen Hohmann und die Hinrichtung, und das war’s.“ Auch auf die vom Gemeindeverband verabschiedete Resolution, den Parteiausschluß Hohmanns noch einmal zu überdenken, habe die Landes-CDU nicht reagiert. Pöhl: „Es gab noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung.“ Ein CDU-Ausschluß wird sich lange hinziehen Aus Sicht der örtlichen CDU gebe es daher nach wie vor Klärungsbedarf. Die Landespartei stehe im Zugzwang und müsse der Parteibasis ihre Handlungsweise erklären, gab Pöhl zu verstehen. In Erklärungsnotstände könnte die hessische Union um Ministerpräsident Roland Koch vor allem dann kommen, falls Hohmann tatsächlich aus der Partei ausgeschlossen werden sollte. Das Parteigericht soll noch in diesem Jahr zusammenkommen. Doch selbst mit einem formellen Ausschluß Hohmanns wird das Verfahren wohl nicht beendet sein. Weil der Abgeordnete bereits gegen seinen Ausschluß aus der Bundestagsfraktion juristische Schritte angekündigt hat, ist abzusehen, daß er auch gegen den zu erwartenden Parteiausschluß zivilrechtlich vorgehen wird. Unterstützer dabei hat er genug. Zum Beispiel den Fuldaer Landtrat Fritz Kramer: „Einen Bannstrahl über Martin Hohmann wird es mit mir nicht geben.“ Hohmann sei gewählter Vertreter der Region im Bundestag und aus diesem Grund bei offiziellen Anlässen auch Gast des Kreises. Die Fuldaer Grünen hatten gefordert, den Abgeordneten aus Neuhof nicht mehr zu offiziellen Veranstaltungen einzuladen. Kramer sagte, diese Forderung sei an „Selbstgefälligkeit und Haß kaum zu überbieten“. Damit solle die Kampagne gegen den Abgeordneten neu entfacht werden, um den Menschen „Hohmann öffentlich zu brandmarken“, ereiferte sich Kramer.