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„Auch mal bei einer fremden Kuh nuckeln“

„Auch mal bei einer fremden Kuh nuckeln“

„Auch mal bei einer fremden Kuh nuckeln“

 

„Auch mal bei einer fremden Kuh nuckeln“

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Wie eine Seifenblase zerplatzte nach einem Putschversuch der Altkommunisten am 19. August 1991 eines der mächtigsten Imperien der Welt – die Sowjetunion. Anschließend erklärten sich zusätzlich zu den drei baltischen Ländern auch die restlichen zwölf Sowjetrepubliken für unabhängig. Seitdem nutzen viele ehemalige Vasallenstaaten des Sowjetimperiums die Augustereignisse als Anlaß, ihre Nationalfeiertage zu begehen. Die pompösen Feierlichkeiten anläßlich der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung fanden wie jedes Jahr am 24. und 25. August statt – mit Militärparade, Salut und diversen Volksbelustigungen. Ein für dieses ostslawische 50-Millionen-Einwohner-Land schicksalsträchtiges Thema – die Ausrichtung nach dem Westen oder nach dem Osten – bildete in diesem Jahr den Hintergrund sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung des Jubiläums. Um seinen Bürgern die Antwort auf diese inzwischen zu einem Dilemma gewordene Frage zu erleichtern, veröffentlichte der ukrainische Präsident Leonid Kutschma anläßlich seines eigenen Geburtstages, den er ebenfalls im August begeht, ein Buch unter dem Titel „Die Ukraine und Rußland“. Darin philosophiert er über den Nationalcharakter der Russen und Ukrainer, über das schwierige historische, kulturelle und politische Erbe dieser beiden Nationen, über die gegenseitigen Schuldansprüche der „Brudervölker“ sowie darüber, ob die Ukraine als ehemalige russische Kolonie betrachtet werden darf. Bezeichnend ist, daß der Ex-Kommunist Kutschma das Buch auf russisch schrieb und es dann ins Ukrainische übersetzen ließ. Veröffentlicht wurde es in einem Moskauer Verlag. Soldaten für 2,5 Milliarden Dollar an die USA „verkauft“ Am Vorabend des Nationalfeiertages hielt Kutschma eine einstündige Ansprache. Als Hauptaufgabe seiner Amtszeit nannte er die Verwandlung der Ukraine in eine Republik mit „parlamentarisch-präsidentieller“ Regierungsform (siehe JF 23/03). Eine Priorität für die Zukunft sei die Festigung der ukrainisch-russischen Beziehungen. Dem Westen warf der ukrainische Staatschef vor, sein Augenmerk bloß auf die derzeitigen Probleme der Ukraine zu richten und dabei ihre zahlreichen Chancen und Errungenschaften außer acht zu lassen. Seine Landsleute rief er auf, sich in der internationalen Staatengemeinschaft „stolz und würdevoll“ zu positionieren. Wohl um diesen „Stolz“ bei den meist armen Bürgern aufkommen zu lassen, strebt die Ukraine nach Ansehen in der internationalen Politik an. Da die Russen die Ex-Sowjetrepubliken mit einer gewissen Arroganz behandeln, bleibt den jungen Nationalstaaten nur der Blick nach Westen. Und weil von der EU wenig zu erwarten ist, richtet sich der Blick immer öfter gen Washington. Mit dem Ziel, diese aufkeimende Freundschaft zu festigen, wurden im Sommer etwa 2.000 ukrainische Soldaten zur „Gewährleistung der Sicherheit im Nachkriegsirak“ entsandt. Der Schritt löste in den USA eine Welle der Begeisterung aus: Die Ukraine sei der erste postsowjetische Staat, der sich an der Festigung von Demokratie und Stabilität im Irak beteilige, lobte die Washington Times. Sogar Präsident George W. Bush fand Zeit, die ukrainische Führung für ihren friedensstiftenden Einsatz zu loben. Er versicherte dabei die unveränderte Haltung seiner Administration, die Integration der Ukraine in die nordatlantischen und die europäischen Strukturen zu fördern. Dies blieb in Moskau natürlich nicht unbemerkt. Auf der offiziellen Internet-Nachrichtenseite der russischen Regierung (www.strana.ru) kommentierte man die Situation wie folgt: Das Einschmeichelmanöver der Ukraine sei eine sehr plumpe Eigenwerbung. Bloß indem sie ihre Soldaten für 2,5 Milliarden Dollar an die USA „verkaufe“, habe die Ukraine ihre Aufnahmeprüfung in die westliche Gemeinschaft noch keinesfalls bestanden. Auch wenn die USA Beifall klatschten, wären sie nicht so schnell gewillt, einem undemokratischen, korrupten und wirtschaftlich schwachen Staat eine Nato-Mitgliedschaft zu vermitteln. Außerdem wolle Amerika seine guten Beziehungen zu Moskau nicht gefährden. Deshalb kam die Zusicherung der ewigen Freundschaft mit Moskau anläßlich des Nationalfeiertags nicht überraschend. Freilich gelingt es der Ukraine, deren Bevölkerung zu etwa 22 Prozent aus Russen besteht, nicht immer, diese „Balance“ aufrechtzuerhalten. Nachdem der gleich nach dem Nationalfeiertag erfolgte Besuch von US-Kongreßabgeordneten vorbei war und sich Kutschma erneut der Freundschaft der USA vergewissert hatte, unterzeichnete er eine Verordnung, die den führenden ukrainischen Hochschulen den Rang „nationaler Bildungseinrichtungen“ verleiht. In Moskau schrillten sofort die Alarmglocken: Dies gefährde die Rechte der russischsprachigen Studenten! Man munkelt, Kutschma habe sich mit dieser Verordnung am russischen Botschafter in der Ukraine Viktor Tschernomyrdin gerächt. Denn der frühere russische Regierungschef habe seinen Gastgeber Kutschma beim letzten Staatsempfang beleidigt – womit genau, drang allerdings nie an die Oberfläche. Ein altes ukrainisches Sprichwort lautet: „Ein gewitztes Kalb darf auch mal bei einer fremden Kuh nuckeln“. Genau nach dieser Lebensweisheit scheint sich die ukrainische Führung im Moment zu richten. Am Vorabend des Kutschma-Besuches in Moskau, bei dem es um die Schaffung einer gemeinsamen Wirtschaftszone zwischen Rußland, Belarus, Kasachstan und der Ukraine gehen sollte, verlor der ukrainische Außenminister Anatolij Zlenko sein Amt. Die Vorstellungen des Kremls gehen so weit, den ehemaligen „Brudervölkern“ eine Währungsunion als Krönung der wirtschaftlichen Integration in Aussicht zu stellen. Zlenko hatte kein Hehl daraus gemacht, daß er dieses Vorhaben als gefährlich für die mühsam erkämpfte Unabhängigkeit betrachtet. Daher wurde er letzte Woche von Konstantin Grischtschenko, dem Ex-Botschafter der Ukraine in den USA, abgelöst. Dieser soll die Linie seines Präsidenten strikt umsetzten: den USA gegenüber Loyalität bekunden, es mit Rußland aber keinesfalls verscherzen.

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