Geschichte wird nie langweilig. Denn das Schöne an dieser akademischen Disziplin ist, daß sie ständig neu gedeutet werden kann. In England sorgen derzeit eigenwillige Bewertungen zum Wirken des Premierminister Winston Churchill (1874-1965) für Aufsehen.
Während einer Online-Diskussion über die Bedeutung von Churchill für das Zusammenleben der Rassen im Vereinigten Königreich fiel der Professor für Black Studies an der Birmingham City University, Kehinde Andrews, laut der Daily Mail mit gelinde gesagt höchst eigenwilligen Thesen auf. „Das Britische Empire war viel schlimmer als die Nazis.“ Denn die britische Herrschaft habe länger gedauert und mehr Menschenleben gefordert, faßte der Dozent das Wirken Churchills zusammen.
Dieser Sicht auf den in England immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung verehrten Kriegspremier wollte sich der Soziologie-Professor der Kent University, Frank Furedi, nicht anschließen. Er witterte in solchen Aussagen einen Versuch, die britische Geschichte zu erniedrigen.
Anti-weißes Gepöbel bleibt ohne Folgen
Schützenhilfe bekam Andrews, der sich zudem über die Popularität von Churchill beklagte, übrigens von der Professorin für postkoloniale Literatur, Priya Gopal. Sie ist nicht nur eine Kritikerin des britischen Kolonialreiches. Im vergangenen Jahr wurde sie international bekannt, als sie während der „Black Lives Matter“-Proteste twitterte: „Weiße Leben spielen keine Rolle.“ Später legte sie nach: „Weißsein abschaffen.“ Ihr Arbeitgeber, die Cambridge University, stellte sich pflichtbewußt hinter sie.
Sollte die Veranstaltung des Churchill Colleges Cambridge repräsentativ für den Ton und den Gehalt der akademischen Auseinandersetzung auf der Insel sein, dürfte dort künftig in den Universitäten kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Wildes Draufhauen mit Nazi-Vergleichen und anti-weißes Gepöbel von Professoren, die dafür noch Rückendeckung ihrer Institutionen erhalten, sind Zeugnisse eines bestürzenden Niveauverlustes.
Wenn der Weg der Geisteswissenschaften in diese Richtung weiter beschritten wird, dauert es nicht mehr lange, bis sich auch der römische Herrscher Julius Cäsar mit Nazi-Vergleichen konfrontiert sieht. Nicht nur Papier ist geduldig. Auch die Geschichte muß es bisweilen sein.