In den neunziger Jahren war ein „Outing“ noch ein medialer Aufreger. Alfred Biolek, Michael Kühnen oder Hape Kerkeling war es noch ein wenig unangenehm, daß die Öffentlichkeit über ihr Sexualleben ungefragt aufgeklärt wurde. Inzwischen hat sich die schwule Emanzipation durchgesetzt. Schwul sein ist heute schick – und „schwul“ ist kein Schimpfwort mehr, wie wir es noch auch unserer Schulzeit kennen. Da ist „Schwul macht cool!“ ein weiterer Meilenstein in der Verblödung durch das deutsche Fernsehen. RTL 2, bekannt als Lieferant von qualitativ hochwertigen Reportagen und Seifenopern, will helfen: Vier Schwule gestalten einen Hetero so um, daß er schick und „trendy“ wird. Die Anfänge der Sendung sind strapaziös. In den ersten paar Minuten präsentieren sich die vier Hauptpersonen dermaßen tuntig, daß es große Überwindung verlangt, nicht abzuschalten. Es scheint fast so, als ob es darum geht, möglichst alle Schwulenklischees innerhalb von zwei Minuten zu bestätigen. Dann werden die Personen eingeführt. Zuerst ist da der 52jährige Clifford Lilley. Seine Qualifikation: Er war Lifestyle-Experte in Michelle Hunzikers TV-Show „Cinderella“. Der selbständige Mode- und Imageberater zählt angeblich zu den bekanntesten Stylisten in der Schweiz. Bei „Schwul macht cool!“ soll er das Beste aus den Männern herausholen. Für Frisur und Kosmetik ist Eric Schmidt-Mohan zuständig. Sein Handwerk hat der 22jährige bei „Vidal Sassoon“ in Frankfurt gelernt. Ansonsten schminkt er Models für Modeschauen. Peter Sperlich ist Lifestyle-Coach und Chefredakteur des schwul-lesbischen Stadtmagazins OurMunich. In seiner Freizeit mag er Opern, Essen und Trinken und Shopping. Als letzter kommt Lars Schwuchow. Er ist Innenausstatter und hat schon Guido Westerwelle die Wohnung eingerichtet. Das muß als Qualifikation ausreichen. Dann kommt der erste Höhepunkt der Sendung. Die Schwulen fallen bei der „Hete“ Vahid ein wie George Bush im Irak. Als erstes schnappt sich Eric die herumliegende Blockflöte. „Ich kann leider nicht blasen, das laß ich lieber machen“, ulkt der rotbemützte Homo mit der Flöte in der Hand. Dabei sieht er aus wie Tom Gerhard als Hausmeister. Nur noch etwas dümmer. „Eaaaasy“ lautet der tuntige Grundton. Denn weil die „fantastischen Vier“ so hipp sind, sprechen sie auch einen Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch. Der Innendesigner darf sich als nächster austoben. Schnell ist klar: Die Normalowohnung taugt nichts. „Willst Du die Wohnung nicht sprengen“, sind die lustigen Kommentare. Auch Vahids Privatleben ist schnell Thema. Nachdem klar ist, daß er eine Freundin hat, darf er sich sofort die ersten Sprüche anhören: „Wie oft gebrauchst du deine Frau? Wäscht du sie hinterher ab? Steht sie auf Brustpiercings?“ Solche Fragen wollen erst einmal beantwortet sein. Und immer wenn man glaubt, tiefer geht’s nicht mehr, wird noch einer draufgesetzt. Bei der Autofahrt lecken die Schwulen die Autoscheiben ab und zeigen auf diese Art ihren Mitmenschen ihre Zuneigung. Die Vorzeigehomos versuchen jedes Klischee zu erfüllen. Sie sind ja „soooo lustig“, „totaaaaal trendy“ und natürlich „ganz suuuuupi“. Vahid muß neue Klamotten kaufen. Normalerweise trägt er am liebsten Schwarz. Das geht natürlich nicht. „Die ganzen alten Sachen müssen zum Red Cross“, weiß Eric. Schließlich gibt es ja auch noch andere schöne Farben. In einem Bekleidungsgeschäft geht es dann zur Sache. Verkäuferin und Designerin Nadja darf sich ein bißchen über die „old-fashioned“ Sachen lustig machen. Aus den alten Sachen soll sie was „waaahnsinnig kreatives“ Neues machen. Das ist dann ja „sooooo individuell“, daß es kaum noch auszuhalten ist. Neu gibt es die beliebten Trainingshosen, die normalerweise von unseren ausländischen Mitbürgern beim Videoausleihen getragen werden und selbstverständlich „totaaaaal Trendy“ sind. Als dann noch eine Niete an der Hose entdeckt wird, sind die schwulen Einkäufer völlig aus dem Häuschen: „Nieten und Nutten, ich mag beides!“ Vahid schaut immer wieder sehr befremdet, sagt aber nichts. Auch beim Schuhkauf kommt der Humor nicht zu kurz. „Am liebsten würde ich alle durchprobieren. Durchprobieren, hihihi“, ja, so sind sie halt, die Schwulen. Auch ein bißchen Hausfrauenpsychologie darf nicht fehlen. „Vahid ist ein dunkler Typ, da braucht er Licht in seinem Leben“, bekommt er als wichtigen Tip vom Imagecoach Peter. Als Perser hat ihr Opfer Vahid es nicht leicht, wissen zumindest die schwulen Vier. „Als Araber mußt du ja mit allen möglichen Vorurteilen kämpfen und immer mehr bringen als die anderen, genauso wie wir Schwulen“, philosophiert Eric. Auch Vahids Haare sind überarbeitungsbedürftig. In seinem „süßen Bad“ bekommt er eine Haarwäsche verpaßt. Die ursprüngliche Frisur sah aus wie die von Rudi Dutschke. Nachdem der Friseur mit Vahid fertig ist, hat er zwar immer noch einen rechtschaffenen Seitenscheitel, allerdings durchzogen von Strähnchen. Vermutlich wäre das sogar Daniel Küblböck zu schwul. Inzwischen sind wir ja allerhand gewohnt. Nach schwulen Rappern, Schwulen gegen Rechts, schwulen Ärzte und Schwulen für Stoiber schockt uns nicht einmal mehr die Regenbogenfahne vor dem Berliner Rathaus. Trotzdem urteilte selbst das „schwule Online-Magazin Queer.de“ über die neue Geschmacklosigkeit bei RTL 2, daß sich die „vier Homo-Experten derart übertrieben als schlechte Tunten aufführen, daß man als Kämpfer für Homo-Emanzipation und jahrelanger schwuler Journalist plötzlich wieder Spuren eigener Homophobie entdeckt“. Interessant an „Schwul macht cool!“ ist gar nichts. Die Wohnung wird umgekrempelt, das Opfer bekommt ein paar neue Klamotten und ein neuer Haarschnitt ist fällig. Sonst bleibt alles beim alten. Langweiler bleibt Langweiler und schwul bleibt schwul. So einfach ist das.