Griaß di, Moin oder Gude: Allein die Möglichkeiten zur Begrüßung zeigen die regionale Vielfalt der deutschen Sprache und ihrer Dialekte. Je nach Mundart kann sich der jeweilige Klang auf kleine Ortschaften beschränken, andere, wie das Bairische, decken einen größeren Sprachraum ab. Neben den Ähnlichkeiten zum Hochdeutschen haben sie dabei jedoch eines gemeinsam: Sie sind deutsches Kulturgut und deshalb schützenswert. Um ihren Zungenschlag möglichst lange zu erhalten, hat sogar der Gesetzgeber vorgesorgt.
Erst im März ertönte deshalb im Bundestag ein helles Durcheinander der Dialekte und Sprachen. Anläßlich des 25jährigen Bestehens der EU-Charta für Regional- und Minderheitensprachen holten selbst einige Bundestagsabgeordneten ihre Mundarten hervor. „Wi proten neet blot over Platt. Wi proten ok over Dänisch, Obersorbisch, Niedersorbisch“, wies der SPD-Abgeordnete Johann Saathoff auf die Dialekte sowie die unter Schutz gestellten Sprachen der anerkannten Minderheiten hin.
Doch nicht nur auf europäischer, auch auf Bundes- und Landesebene finden sich entsprechende Gesetze. 2004 etwa verabschiedete man in Schleswig-Holstein das „Friesengesetz“, welches Friesisch als zweite Amtssprache auf der Insel Sylt und in allen anderen nordfriesischen Gebieten festlegt und die „friesischen Sprachformen als Ausdruck des geistigen und kulturellen Reichtums des Landes“ anerkennt.
Der politische Wille spielt eine wichtige Rolle
Das zeigt: Die unterschiedlichen Dialekte haben eine lange Tradition. Nicht nur auf der Landkarte, sondern auch sprachlich kommt Deutschland bis ins 16. Jahrhundert als Flickenteppich daher. Verschiedene Mundarten wie das Kölsche existieren zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahrhunderten und reichen bis in die heutige Zeit. Niederdeutsche Dialekte werden in Norddeutschland gesprochen, mitteldeutsche in Mitteldeutschland und oberdeutsche in Süddeutschland. Erst die Erfindung des Buchdrucks und Martin Luthers Übersetzung der Bibel führen zu einer vereinheitlichten Schriftsprache: Die Grundlage für das spätere Hochdeutsch war geschaffen.
Welche Abweichungen davon heute als eigenständige Sprache und welche als Dialekte verstanden werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Während Dialekte vor allem in der mündlichen Form weitergegeben werden, ergänzt sich in der Sprache zusätzlich noch eine eigene Grammatik und eine ausreichend große Anzahl an Sprechern. Nicht zuletzt spielt auch der politische Wille eine wichtige Rolle. Denn: Theoretisch kann jeder Dialekt zur Sprache werden, es braucht lediglich ein geeignetes Verbreitungsgebiet und die Absicht, sich auf schriftsprachliche Regelungen zu einigen.
Neben dem gesetzlichen Schutz kümmern sich in Deutschland auch andere Institutionen um den Erhalt der Sprachen. In Köln etwa gründete sich 1983 die „Akademie för uns kölsche Sproch“. Sie setzt sich für den Erhalt der rheinländischen Redensart ein, die nicht als Dialekt gezählt wird, sondern als Sprache mit eigenständiger Grammatik und Wortschatz. Die Akademie betreibt dazu nicht nur Forschung zur Sprachgeschichte, sondern fördert aktiv: Regelmäßig werden halbjährige Sprachkurse in verschiedenen Schwierigkeitsstufen angeboten.
Die Abschlußarbeit kann man auch auf hochdeutsch verfassen
Wer die ersten beiden Kurse, „Mer liere Kölsch“ und „Mer liere Kölsch – ävver höösch Teil 2“, abgeschlossen hat, kann sich stolzer Besitzer des Kölsch-Abiturs nennen. Doch danach geht es noch weiter: Ebenso werden ein Kölsch-Examen und sogar ein Kölsch-Diplom angeboten, für das die Studenten eigenständig eine Diplomarbeit verfassen müssen – ausnahmsweise auf hochdeutsch.
Das südliche Pendant findet sich bei der „Bayerischen Sprachwissenschaftlichen Gesellschaft“, die 1938 gegründet und ihren Hauptsitz in München gefunden hat. Die Ziele dort sind ähnlich: Erforschung und Dokumentation, Förderung, Sprachpflege und auch Bildungsarbeit. Das scheint sich zu lohnen: Nach einer Umfrage des Reisemagazins Travelbook stimmten 21 Prozent der Teilnehmer für das Bairische als beliebteste Mundart.
Trotz aller Bemühungen und Beliebtheit sieht die Zukunft der Dialekte und Regionalsprachen jedoch nicht rosig aus. Viele von ihnen sind vom Aussterben bedroht. Das liegt zum einen am Generationenwandel: Sterben die alten Dialektsprecher und geben Wortschatz und Co. nur halbherzig weiter, ist ein Ende absehbar. Zum anderen fördert unser täglicher technologischer Alltag die Abkehr von sprachlichen Besonderheiten. Fernsehen, Radio und Social Media werden von Standardsprache bestimmt. In einer globalisierten Welt erscheint vielen jungen Menschen eine Abkehr davon als „unmodern“ oder gar „rückständig“. Gilt also weiterhin: Et hätt noch immer jot jejange?