Wilde Sagen ranken sich um ihn; dem einen erschien er als Bergmann, dem anderen als Junker oder gar in Tiergestalt. Der Berggeist Rübezahl aus dem Riesengebirge ist über weitere Teile Mitteleuropas bekannt. Von ihm handelt auch das erste polnische Buch, das nach der Vertreibung der Deutschen 1945 in den neuen Gebieten publiziert wurde – es war eine Sammlung von übersetzten Rübezahlsagen.
Daß er auch die „Liegnitzer Bombe“ geschaffen haben soll, wissen nur die wenigsten. Dabei handelt es sich nicht um ein Sprengstoffpaket, sondern um eine Pfefferkuchenspezialität aus Niederschlesien. Der runde Lebkuchen wird mit Früchten und Marzipan gefüllt und zu einer kleinen Torte geformt, die vor allem vor dem Zweiten Weltkrieg massenhaft hergestellt und sogar ins Ausland exportiert wurde. Vorwiegend wurde sie zur Weihnachtszeit gebacken und genossen, wie so viele Köstlichkeiten aus den Vertriebenengebieten. Bis heute sind viele in unserem Alltag präsent. Das von Rübezahl angeblich höchstpersönlich erfundene Naschwerk beispielsweise in der Lausitz.
Auch für eine andere süße Versuchung muß man geographisch nicht weit wandern. Die „Karlsbader Oblaten“, einst von Deutschen erfunden, sind bis heute in vielen Backbüchern ein Pflichtbestandteil. Traditionell werden dafür zwei runde dünne Oblaten aus Wasser, Mehl und Stärke mit Zucker-Mandelsplitter-Masse „zusammengepappt“. Heute gibt es verschiedene Füllungen von Schokolade bis Haselnuß.
Gegen den Protest Deutschlands, Österreichs und sudetendeutscher Verbände wurde 2011 auf Antrag der Tschechischen Republik die Bezeichnung als „geschützte geographische Angabe“ nach europäischem Recht genehmigt. Demnach dürfen nur noch Backwaren aus der Stadt Karlsbad ihren Namen tragen.
Karlsbader Oblaten und Böhmische Mohnstriezel
Ähnlich bekannt wie die Weihnachtsleckerei aus Karlsbad ist der „böhmische Mohnstriezel“. Mit Germ und warmer Milch entsteht bis heute aus kundigen Händen ein süßer Zopf. Wer genug von Süßkram hat, ist wohl besser bei pikanten, wenngleich ebenso kalorienreichen Besonderheiten aufgehoben. Eine typische Landesspeise der Schlesier war und sind etwa die „Dampfklöße“, welche nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr gerne gegessen werden.
Die kinderhandgroßen Knödel saugen die leckersten Soßen mühelos auf und werden vor allem statt Kartoffeln als Beilage gereicht. Die Mischung aus Hefe und Butter wird über Dampf gegart und dann pikant zubereitet. Über Schlesien wurden sie so auch in allen umliegenden Gebieten beliebt und werden bis heute von zahlreichen Nachkommen der vertriebenen Deutschen am Eßtisch in Ehren gehalten. Ein weiterer Klassiker zu Weihnachten ist die schlesische Weißwurst, die im Vergleich zur bayerischen meist dünner und länger ist sowie oft gebraten und zu Kartoffelsalat serviert wird.
Alle jene, die fernab der ursprünglichen Heimat gern weiter ihre Traditionen pflegen, kommen auch um Salzbrötchen aus Pommern nicht vorbei. Das mit Kümmel und Salz angereicherte Hefeteigbrot wird liebend gern mit Schmalz und Leberwurst oder einfach mit beidem belegt. Damit die deftige Speise auch gut verdaut werden kann und ihren Weg in den Magen zielsicher findet, trinkt man heute noch den universell einsetzbaren eiskalten Stettiner Kräuterlikör „Schit-Lot-Em“ dazu.
Wo Deutsche sind und waren, wird auch herzhaft gegessen und getrunken
So manch Hochprozentiges wie beispielsweise ostpreußischer „Bärenfang“ aus Honig darf auch nach der alten wie simplen (Ost-)Brandenburger Spezialität „Quark mit Leinöl“ oder zu einem herzhaften Käsestück „Stolper Jungchens“ konsumiert werden. Als heißer Seelenwärmer und Glühweinalternative bietet sich ein „Rußer Milchpunsch“ mit Rum an.
Doch auch über die deutschen Ostgebiete hinaus sind viele schmackhafte Facetten der deutschen Küche bestehen geblieben. Seien es die Paprikawurst der Donauschwaben, die Krautrollen der Bukowinadeutschen oder der Maissterz. In Ungarn wird er scharf gewürzt und an Gewässern oft als Beilage zu Fisch zubereitet. Dort, wo Deutsche sind und waren, dort wird auch herzhaft gegessen und getrunken. Vor allem jetzt zur Weihnachtszeit.
JF 51/19