Kaum machen die Linken keinen Stunk mehr, fangen die Rechten damit an. Die Journalistin Julia Ruhs hatte sich an diesem zugig kalten Mittwochabend in der Bibliothek des Konservatismus (BdK) in Berlin angekündigt, um ihr Buch „Links-grüne Meinungsmacht: Die Spaltung unseres Landes“ vorzustellen. Von Kollegen hatte sie in den vergangenen Monaten viel Kritik für ihre Arbeit einstecken müssen. „Ein bißchen rechtsextrem“ (Anja Reschke) seien ihre Beiträge im Reportageformat „Klar“ – und „Populismus“ (Sarah Bosetti). Deshalb habe sich Ruhs vorher gründlich überlegt, ob sie die Veranstaltung in der BdK zusage oder nicht, eröffnete sie ihren rund 130 Zuhörern im restlos ausgebuchten Lesesaal.
„Die ganze Sache nennt sich bekanntlich Kontaktschuld“, begründet die bekennende Konservative ihre Vorsicht trocken. Sie könne es sich als BR-Redakteurin „derzeit absolut nicht leisten“, mit den falschen Leuten in Verbindung gebracht zu werden. Doch glücklicherweise habe sie dann bei ihrer Recherche die Namen von BdK-Gästen gefunden, die ihr „vertrauenswürdig“ erschienen: Andreas Rödder, Henryk M. Broder und Caroline Bosbach. Damit war der Besuch „safe“. Das Publikum beantwortete das überraschend ehrliche Statement mit Tuscheln. Das kenne man doch alles schon. Warum schert die sich noch um Kontaktschuld? Derselbe Argwohn also, nur von der anderen Seite?
Auf der Suche nach der abweichenden Meinung
Argwöhnisches Murmeln begleitete auch den restlichen Vortrag, der sich über weite Strecken an tradierten Argumentationen konservativer Medienkritik orientierte. Sätze wie „Was die Menschen stört, ist, daß wir Journalisten sie zum richtigen und guten Denken bekehren wollen“ oder auch „Stinknormale Meinungen werden in die rechte Schmuddelecke abgeschoben“ ließen nicht lang auf sich warten. Für viele im Saal nichts Neues. Interessant wurden die Ausführungen durch Ruhs’ Episoden aus ihrem Berufsalltag. So schilderte sie beispielsweise Schwierigkeiten, auf Reportage Statements einzuholen, sobald es irgendwie politisch wurde.

„Warten Sie bitte auf meine Frau. Die hat die Meinung, die Sie hören wollen“, reichte sie die schelmische Antwort eines Passanten bei einem Dreh zum Thema Windkraft ans Publikum weiter. Dieses lachte, erkannte sich in der hintersinnigen Antwort womöglich auch ein Stück weit selbst. Der dahinterliegende Befund war dennoch ernst: Ein Rundfunk, der durch seine Berichterstattung polarisiert, erschwert sich dadurch die Arbeit.
Warum braucht es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
„Viele stempeln mich mittlerweile als Meinungsjournalistin ab“, faßt Ruhs das Problem zusammen. Dabei habe sie die vergangenen paar Jahre beim BR hauptsächlich mit klassischen Nachrichtenbeiträgen zugebracht. Das Produzierte sei denkbar untauglich für Aufreger gewesen. Trotzdem werde sie als Journalistin ständig für ihr Medium haftbar gemacht. Das sollte sich auch beim Termin in der BdK nicht ändern, erklärte das Publikum Ruhs doch immer wieder zum Stellvertreter von ARD und ZDF.
Ob da etwas ins Rutschen gekommen sei, nachdem sie vom NDR aus ihrer eigenen Sendung geworfen wurde, wollte ein Zuhörer wissen. Sie könne nicht mit Interna um sich werfen, aber – sicher! –, antwortete Ruhs. Ein Zuschauer faßte nach, fragte, weshalb der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner derzeitigen Form aus ihrer Sicht überhaupt erhaltenswert sei. „Ich glaube schon, daß für eine gemeinsame Öffentlichkeit auch eine gemeinsame Plattform wichtig ist“, entgegnete die Reporterin.
Ohne diese gebe es auch keine Diskussionsgrundlage, auf die man sich gesellschaftlich noch einigen könne. ARD und ZDF seien insofern nach wie vor der beste Ausgangspunkt, um auf hohem Niveau bis in den ländlichen Raum hinein zu berichten, bekräftigte die Journalistin. Aus den Zuschauerreihen war dazu lautstark protokollierter Zweifel vernehmbar.
Argwohn von links, Argwohn von rechts
Überhaupt machte es das Publikum ihr nicht immer einfach. Zwischenrufe, Schnaufen und Gelächter begleiteten ihren Vortrag, auch wenn viele der Besucher Ruhs ausdrücklich dafür dankten, sich in die BdK getraut zu haben. „Natürlich sitze ich zwischen den Stühlen“, überschlug sie die Herausforderung, als konservative Nachrichtenmacherin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu existieren. „Die einen mögen mich nicht, weil sie mich als Nestbeschmutzer sehen. Die anderen kommen nicht mit mir zusammen, weil ich nicht alles gleich in Grund und Boden stampfen will.“





