BERLIN. Das Verbot des Compact-Magazins durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist auf scharfe Kritik gestoßen. Bundestagsvizepräsident Wolfang Kubicki (FDP) brachte den Rücktritt von Faeser ins Spiel. „Sollte das Verbot, was ich befürchte, gerichtlich aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeidlich“, schrieb er auf Facebook. Das Vereinsrecht erlaube keine Verbote von Medien. „Gerade zum Schutz der Verfassung muss die Verfassung aber peinlich genau beachtet werden.“
— Wolfgang Kubicki (@KubickiWo) July 16, 2024
Die AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel werteten das Vorgehen als „schweren Schlag gegen die Pressefreiheit“. Faeser mißbrauche ihr Amt, „um kritische Berichterstattung zu unterdrücken“, teilten die Parteisprecher am Dienstag mit. Dadurch verweigere sie Diskurs und Meinungsvielfalt. „Wir fordern die Ministerin dazu auf, die Pressefreiheit zu respektieren.“
Journalisten kritisieren Angriff auf die Pressefreiheit
Auch unter Journalisten stieß der Vorgang auf Unverständnis. Der Zeit-Journalist Lars Weisbrod kritisierte auf X die Entscheidung Faesers. „Pressefreiheit ist so wichtig. Ich finde, über das Verbot eines Mediums sollte in Deutschland immer zuerst ein Gericht entscheiden, nicht der Innenminister oder der Verfassungsschutz“, schrieb Weisbrod. Weiter halte er es für fraglich, ob ein solches Verbot durch die Bundesregierung überhaupt rechtlich möglich sei.
Mal juristische Fragen beiseite: ich finde das kein gutes werbeFoto für einen liberalen rechtsstaat. Sturmhauben-cops klingeln morgens rechtsradikale Publizisten aus dem Bett und bringen gleich presse mit die möglichst peinliche Fotos davon macht? Finde ich komplett verkehrt pic.twitter.com/lrr0xw64gV
— @larsweisbrod@det.social (@larsweisbrod) July 16, 2024
Die gleiche Frage stellte der Zeit-Korrespondent Jochen Bittner. „Die hohen Hürden, die das GG vor einem Parteiverbot aufstellt, sprechen verfassungssystematisch eigentlich dagegen, daß eine Ministerin mal eben ein Medium verbieten darf, oder?“ Später ergänzte er, mit Verweis auf die im Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit.
Man muss es immer und immer wieder sagen, gerade weil viele Journalistinnen und Journalisten es offenkundig nicht verstanden haben:
Der Staat hat nicht zu definieren, was eine legitime Meinung ist. Er hat im Einzelfall andere (!) höherwertige Rechtsgüter als die… https://t.co/LXmWUQdgKu pic.twitter.com/mUDGJMEXqF
— Jochen Bittner (@JochenBittner) July 16, 2024
Welt-Korrespondent Deniz Yücel kommentierte in dem Blatt: „Eine Exekutive, die keinen Unterschied mehr zwischen Recht und Moral kennt und deren leitendes Personal derart beseelt ist von der Richtigkeit des eigenen Tuns (gegen „Haß“, Rechtsextremismus, Antisemitismus etc.), daß es rechtsstaatlichen Prinzipien so viel Beachtung schenkt wie dem Kleingedruckten auf einem Beipackzettel“, sei „unsäglich“.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Compact-Verbotes
Der liberale Publizist Rainer Zitelmann forderte auf X seine Parteikollegen in der FDP auf, das Vorgehen der Bundesinnenministerin zu verurteilen. „Eine solche Partei darf nicht schweigend zuschauen, wie Frau Faeser unsere liberale Demokratie Stück für Stück zerstört.“
Der FDP bin ich vor fast genau 30 Jahren beigetreten, weil sie sich für wirtschaftliche und geistige Freiheit einsetzt. Eine solche Partei darf nicht schweigend zuschauen, wie Frau Faeser unsere liberale Demokratie Stück für Stück zerstört. @MarcoBuschmann @f_schaeffler…
— Dr. Dr. Rainer Zitelmann (@RZitelmann) July 16, 2024
Zweifel am Bestand des Verbotes äußerte der bekannte Medienanwalt Joachim Steinhöfel. „Ob das von der in Verfassungsfragen nicht immer sattelfesten Innenministerin Faeser heute verkündete Verbot des höchst unappetitlichen Magazins #Compact Bestand haben wird, könnte fraglich sein“, schrieb er auf X.
Ob das von der in Verfassungsfragen nicht immer sattelfesten Innenministerin Faeser heute verkündete Verbot des höchst unappetitlichen Magazins #Compact Bestand haben wird, könnte fraglich sein. Hier ein Zitat des Bundesverfassungsgerichts: „Die mögliche Konfrontation mit…
— Steinhoefel (@Steinhoefel) July 16, 2024
Medienanwälte zweifeln an Rechtsmäßigkeit
Der renommierte Medienanwalt Ralf Höcker warnte vor dem Vorgang, durch den Compact verboten wurde. „Eine AfD an der Macht müßte nicht erst offiziell die Diktatur ausrufen. Es bedürfte keines Ermächtigungsgesetzes. Es würde völlig genügen, nach der Machtübernahme die bisherige Begründungspraxis 1 zu 1 fortzuführen“, schrieb er auf X.
Wichtig zu wissen: nach der aktuellen Praxis des Verfassungsschutzes könnten „delegitimierende“ Posts wie der von @larsweisbrod in der Tat auch Anlass für eine Durchsuchung der @DIEZEIT– @zeitonline-Redaktion sein. Eine AfD an der Macht müsste nicht erst offiziell die Diktatur… https://t.co/Mp4Hns0eLj
— Prof. Dr. Ralf Höcker (@Ralf_Hoecker) July 16, 2024
Sein Kanzleikollege Carsten Brennecke kritisierte auf X die Anwesenheit von Journalisten bei der Razzia. „Das Compact-Magazin wird verboten und es gibt komischerweise und natürlich rein zufällig pressewirksam inszenierte Bilder vom Zugriff auf die Personen, die in ihrer Privatsphäre überrumpelt und der Presse vorgeführt werden.“ Dies sei nicht „nur potentiell strafbar, sondern es stellt auch einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar“.
Er ergänzte, daß er Compact nicht vermissen werde. „Die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze bei Durchsuchungen allerdings schon! Ich wünsche mir nun auch von Nancy Faeser, daß sie entschieden an der Aufklärung der hier zumindest als Verdacht im Raum stehenden Straftaten der Verletzung des Dienstgeheimnisses mitwirkt.“
Ist die Presse-Inszenierung der Durchsuchung zum Verbot des #Compact – Magazins eine Straftat?
Das #Compact Magazin wird verboten und es gibt komischerweise und natürlich rein zufällig pressewirksam inszenierte Bilder vom Zugriff auf die Personen, die in ihrer Privatsphäre…
— Carsten Brennecke (@RABrennecke) July 16, 2024
Der frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm forderte auf X Solidarität mit Compact. „Die Schlinge der Allwissenden zieht sich immer enger um den Hals von Vielfalt und Meinungsfreiheit! Da muß es auch von links Solidarität mit Compact und Jürgen Elsässer geben!“
Compact: Faeser auf McCarthy-Spuren
Die Schlinge der Allwissenden zieht sich immer enger um den Hals von Vielfalt und Meinungsfreiheit! Da muss es auch von links Solidarität mit Compact und Jürgen Elsässer geben!— Diether Dehm (@Diether_Dehm) July 16, 2024
Böhmermann bejubelt Verbot
Lob für das Verbot und die damit einhergehende Razzia folgte dagegen prompt von ZDF-Moderator Jan Böhmermann. „Mit Rechten reden (Symbolbild)“, schrieb er auf X. In einem weiteren Beitrag verteidigte er den Vorgang als „wehrhafte Demokratie“.
Mit Rechten reden (Symbolbild)
cc @PresseserviceRN pic.twitter.com/aEwe4coie4
— Jan Böhmermann 💩 (@janboehm) July 16, 2024
Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali kommentierte das Bild der Hausdurchsuchung. „Symbolbild: Wenn Meinung und Freiheit geschützt werden…“
Symbolbild: Wenn Meinung und Freiheit geschützt werden…#compact #Elsässer #Deckmantel #Demokratie #Meinungsfreiheit
cc @PresseserviceRN pic.twitter.com/GoQP2jBY8g
— Dunja Hayali (@dunjahayali) July 16, 2024
Ebenso befürwortete Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) die Entscheidung. „Compact ist Haß und Hetze in Hochglanz. Diese Plattform der Demokratiefeinde verfolgt ein Ziel, und das ist die Zerstörung unserer freiheitlichen Gesellschaft“, behauptete Stübgen. „Es ist gut, daß diese extremistischen Eiferer jetzt durch das Verbot des Bundesinnenministeriums gestoppt wurden.“
Innenminister loben „Schlag gegen Rechts“
Auch lobte der Innensenator von Hamburg, Andy Grote (SPD), das Verbot von Compact. „Wie Compact unter dem Deckmantel der Pressefreiheit antisemitische Verschwörungsmythen und rechtsextremistische Propaganda in die Kioske der Republik getragen und gegen Demokratie und Rechtsstaat agitiert hat, war unerträglich“, sagte Grote. Es sei ein „erfolgreicher Schlag des Rechtsstaats gegen seine Feinde“.
Dem schloß sich Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) an. „Unser Rechtsstaat hat heute ein klares Signal gegen Rechtsextremismus, Demokratie- und Menschenfeindlichkeit gesetzt“, sagte Poseck. „Der Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung unserer Demokratie. Deshalb müssen wir alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten nutzen, um rechtsextreme Strukturen zu zerschlagen.“
Thüringens Verfassungsschutzchef äußert sich
Der Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes, Stephan Kramer (SPD), lobte den Vorgang. „Das Verbot ist im weiteren staatlichen Kampf gegen die rechtsextremistische Szene konsequent und dringend geboten“, sagte er dem RND. „Es zeigt die Wehrhaftigkeit der Demokratie gegen ihre Feinde. Vor allem wird damit auch eine Quelle von Finanzmitteln der Szene trockengelegt.“
Bundesinnenministerin Faeser hatte das Magazin Compact sowie die dazugehörige Videoproduktionsfirma Conspect Film GmbH verboten. Beide richteten sich „gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne von Artikel 9 des Grundgesetzes und Paragraph 3 des Vereinsgesetzes“, begründete die Politikerin das Verbot. (sv)