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Filme aus Fernost: Die asiatische Welle rollt

Filme aus Fernost: Die asiatische Welle rollt

Filme aus Fernost: Die asiatische Welle rollt

Szene aus der südkoreanischen Erfolgsserie "Squid Game": Asiatische Filmproduktionen müssen sich hinter Hollywood nicht mehr verstecken Foto: picture alliance / Everett Collection | ©Netflix/Courtesy Everett Collection
Szene aus der südkoreanischen Erfolgsserie "Squid Game": Asiatische Filmproduktionen müssen sich hinter Hollywood nicht mehr verstecken Foto: picture alliance / Everett Collection | ©Netflix/Courtesy Everett Collection
Szene aus der südkoreanischen Erfolgsserie „Squid Game“: Asiatische Filmproduktionen müssen sich hinter Hollywood nicht mehr verstecken Foto: picture alliance / Everett Collection | ©Netflix/Courtesy Everett Collection
Filme aus Fernost
 

Die asiatische Welle rollt

„Soft Power“: China und Korea rütteln an der Filmmacht der Vereinigten Staaten. Dabei zensiert die kommunistische Volksrepublik alles, was nicht in ihr Weltbild paßt. Zugleich unterwerfen sich westliche Firmen bereitwillig den Vorgaben aus Asien.
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Über Jahrzehnte prägten Hollywood und US-Produktionen die weltweite Filmbranche und damit letztlich auch die Kultur und die Gesellschaften fremder Nationen. Doch seit einigen Jahren steigt der Einfluß Asiens auf Kino, Fernsehen und Streaming. Der „American Way of Life“ bekommt Konkurrenz aus Fernost, die längst mehr zu bieten hat als Hongkonger Kampfkunst-Streifen mit Bruce Lee oder Jackie Chan.

Besonders südkoreanische Produktionen, von denen allein 2020 über 800 veröffentlicht wurden, können derzeit punkten und profitieren dabei sicherlich auch vom aktuellen K-Pop-Hype in der Musikindustrie. Galten Filme wie „Oldboy“ von 2003 , der zehn Jahre später ein US-Remake erhielt, früher als Geheimtip, entwickeln sich heutige Werke vom technikverrückten Südteil der koreanischen Halbinsel zu wahren Kassenschlagern. Die „Koreanische Welle“ (kor: „Hallyu“) breitet sich aus. „Gangnam Style“-Youtube-Phänomene, Essenstrends wie Kimchi und Korean BBQ treffen auf Sänger und Schauspieler wie O Yeong-Su, der für seine Rolle in „Squid Game“ einen Golden Globe als bester Nebendarsteller überreicht bekam.

Nachdem das Drama „Parasite“ 2020 vier Oscars unter anderem für den „Besten Film“ gewann und auch das Feuilleton begeisterte, entwickelte sich „Squid Game“ 2021 zur meistgestreamten Netflix-Serie aller Zeiten, indem es scharfe Kritik und damit viel Aufmerksamkeit auf sich zog: Die Reihe um hoch verschuldete Menschen, die zur Belustigung reicher Zuschauer auf einer geheimen Insel Kinderspiele um Leben und Tod und um ein millionenschweres Preisgeld spielen, sei zu brutal und habe einen schlechten Einfluß auf Minderjährige, die mancherorts die Serie tatsächlich nachahmten.

Staatliche Förderung, um das Land besser dastehen zu lassen

Doch hinter „Parasite“ und „Squid Game“ steckt ein in der von Überschuldung, Kaufräuschen und einer Arm-Reich-Schere gekennzeichneten südkoreanischen Gesellschaft beliebtes Thema: Kritik an der Konsumgesellschaft und dem ungebremsten Turbokapitalismus. Ein großer Unterschied zum Narrativ des „American Dream“. „Der US-Markt, der in ständiger Wiederholung immer nur noch Remakes und Fortsetzungen produzierte, suchte etwas Neues“, zitierte der Spiegel kürzlich aus dem inneren Kreis eines großen südkoreanischen Unterhaltungskonzerns.

Amerikanische Studios würden mittlerweile darum bitten, „gemeinsam zu planen, zu entwickeln und in koreanischsprachige Inhalte zu investieren“. Der Staat fördert die Entwicklung mit der Korea Creative Content Agency (Kocca); auch um Touristen ins Land zu locken und Elektronikfirmen wie Samsung oder LG zu pushen.

China versucht schon länger, seine Wirtschafts- und Sicherheitspolitik mit filmischen Gütern zu flankieren. Die Stärkung der „Soft Power“ ist eine Methode, das Image eines Landes aufzupolieren. In Quingdao wurde mit 40 Filmstudios das größte Produktionsgelände der Welt geschaffen. Spezialeffekte und Ausstattungen können längst international mithalten.

Die kommunistische Regierung setzt allerdings auch auf unsanfte Bilder und Geschichten, die nach einem bewährten Muster ablaufen, das den Kalten Krieg grüßen läßt: Die Chinesen sind die Helden, fremde Mächte die Feinde. In „The 800“ (2020) wehrt sich im Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg ein heroischer Haufen gegen eine Übermacht aus Nippon. Im Koreakriegs-Epos „The Battle at Lake Changjin“ (2021), das 900 Millionen Dollar und damit 200 mehr als der letzte James Bond eingespielt hat, werden brutale US-Streitkräfte besiegt. Anfang Februar lief Teil 2 an.

Chinas Regierung zensiert unliebsame Szenen

Doch westliche Produzenten passen sich diesem System gerne an. Immerhin spielen Blockbuster wie „Avengers: Endgame“ (2019) einen nicht unerheblichen Teil in China ein – obwohl etwa 75 Prozent der Profite beim Fiskus des roten Drachen bleiben. Die Sitze vor den Leinwänden füllen sich dort auch in der Corona-Pandemie: 2020 übertrafen die Kinokartenverkäufe in China erstmals die in Nordamerika. Waren letztere früher zentral für die Einspielergebnisse, verschiebt sich der Bemessungsfokus auf die bevölkerungsreichen, zunehmend Wohlstand generierenden und damit immer mehr Kinos bauenden Regionen Asiens. So mancher Flop in der westlichen Welt kann in China zum Hit werden.

Doch wer von den 1,4 Milliarden, potentiell Kinotickets kaufenden Chinesen profitieren will, muß an den offiziellen Stellen des kommunistischen Einparteienstaats vorbei – deren Einfluß übertrifft die Mitspracherechte des US-amerikanischen Pentagon. Die Nationale Radio und Television Administration (NRTA) kontrolliert jeden Film, der in China aufgeführt werden soll. Verweise auf Tibet, Homosexualität, drastische Gewaltdarstellungen, regierungskritische Aussagen oder Chinesen als Bösewichte werden hier zum Problem.

So mußte beispielsweise „Fluch der Karibik 3“ für den Markt im Reich der Mitte umgeschnitten werden, da ein Chinese einen Fiesling spielte, und in „Bohemian Rhapsody“ (2018) über den schwulen Queen-Sänger Freddy Mercury fehlen Schlüsselszenen. Zahlreiche Filme verlieren so deutlich an Minuten oder werden komplett verboten wie „The Dark Knight“ (2008), „Deadpool“ (2016) oder „Rocketman“ (2019). Ohnehin werden lediglich 34 ausländische Filme pro Jahr zugelassen.

Um einen der wenigen Plätze vor dem Milliardenpublikum zu ergattern, üben sich zahlreiche Produktionen im vorauseilenden Gehorsam und unterwerfen sich den Vorstellungen Pekings. Charaktere werden gestrichen, Heldenrollen systematisch mit Chinesen besetzt oder extra kreiert. In „Doctor Strange“ (2016) wurde die Figur eines tibetanischen Mönchs durch die weiße Tilda Swinton ausgetauscht – woker Minderheitenschutz und PoC-Sichtbarkeit interessiert hier niemanden.

Kritik erscheint bisweilen bigott

Die Invasionsgroteske „Red Dawn“ (2012) wurde digital nachbearbeitet, um aus den Amerika angreifenden chinesischen Truppen böse Nordkoreaner zu machen. Die Autorenvereinigung Pen-America warnt in ihrem Bericht „Made in Hollywood, Censored by Beijing“ vor der Kumpanei und dem langen chinesischen Arm bis in die kalifornische Traumfabrik.

Doch so treffend die Kritik sein mag, so bigott erscheint sie. Die westliche „Cancel Cuture“ hat schließlich unter #BLM-Druck Serien wie „Cops“ zensiert und Klassiker wie „Vom Winde verweht“ mit links-ideologischen Trigger-Warnungen und Kommentierungen versehen. Und wer die Unterstützung der US-Armee haben möchte und teures Kriegsgerät für aussagekräftige Szenen gestellt bekommen will, sollte im Drehbuch das Militär nicht in einem schlechten Licht darstellen. In China läuft dieses Prinzip nicht anders, jedoch strenger, und es bezieht sich auf die gesamte Nation. Einige Studios holen sich daher chinesische Partner mit ins Boot. Die US-Produktionsgesellschaft Legendary Entertainment, die unter anderem für „300“ (2007) oder „Dune“ (2021) verantwortlich war, gehört praktischerweise seit sechs Jahren zur chinesischen Wanda-Gruppe.

Westliche Produktionen unterwerfen sich Peking

Gleichzeitig versucht man das Publikum mit Bekanntem aus dem fernöstlichen Alltag zu erreichen. Das neuaufgelegte „Karate Kid“ (2010) lernt so plötzlich nicht mehr Karate, sondern Kung Fu. Zahlreiche Showdowns und Weltpremieren finden nicht mehr in Europa oder den Vereinigten Staaten statt, sondern in Metropolen wie Hongkong. Mit „The Great Wall“ (2016) mit Matt Damon – federführend: Legendary Entertainment – und mit „Mulan“ (2020) bespielte man gleich urchinesische Sujets.

Gab es zudem früher den berüchtigten Quotenschwarzen, so gibt es heute mindestens den Quotenasiaten, wenn nicht gleich den mutigen chinesischen Gefährten à la „Der Marsianer“ (2015) oder „Independence Day: Wiederkehr“ (2016). Berühmte chinesische Schauspieler erhalten wie in „Iron Man 3“ (2013) oder in „X-Men“- und „Star Wars“-Weiterdrehen extra eine Nebenrolle auf den Leib geschneidert, um die heimische Fanbasis anzulocken. Die Komödie „Crazy Rich“ von 2018 ist die erste US-Produktion, in der alle Hauptrollen ausschließlich mit Asiaten besetzt sind – von wegen „White Supremacy“.

Dazu kommen chinesische Produkte, die im Zuge des altbekannten „Product Placement“ Einzug in viele Szenen erhalten. Immer mehr Chinesen stören sich indes an der plumpen Anbiederung an ihren Markt und ziehen verstärkt inländische Produktionen ausländischen vor. Das Riesenreich hat Hollywood-Schinken schlicht kaum mehr nötig, um die Nachfrage zu decken.

JF 10/22

Szene aus der südkoreanischen Erfolgsserie „Squid Game“: Asiatische Filmproduktionen müssen sich hinter Hollywood nicht mehr verstecken Foto: picture alliance / Everett Collection | ©Netflix/Courtesy Everett Collection
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