Im Landtag von Sachsen-Anhalt streiten die Parteien um den Rundfunkbeitrag. Die CDU-Fraktion hat erklärt, der geplanten Erhöhung nicht zuzustimmen. Doch der Druck wächst, denn die CDU vertritt damit eine AfD-Position. Im JF-Interview sieht der AfD-Politiker Joachim Paul Anzeichen für einen „Fall Kemmerich light“.
Im Landtag von Sachsen-Anhalt findet ein heftiger Streit um die Rundfunkgebühr statt. Die CDU-Fraktion hat erklärt, der geplanten Erhöhung nicht zuzustimmen. Für wie glaubwürdig halten Sie diese Ankündigung?
Joachim Paul: Ein Fall Kemmerich „light“ zeichnet sich ab – der Druck auf das medienpolitische gallische Dorf in Sachsen-Anhalt wächst ja Tag für Tag. Ausgehend von Ministerpräsident Reiner Haseloff, genüßlich angefeuert vom SPD-General Lars Klingbeil, der die „Nazi-Karte“ spielt. Es würde mich eher wundern, wenn die CDU-Fraktion vor dem großen Showdown der Medienpolitik nicht umfallen würde.
Im „Spiegel“ kündigte Ministerpräsident Haselhoff „Gespräche“ innerhalb der eigenen Partei sowie mit den Koalitionspartnern von SPD und Grünen an …
Paul: „Gespräche“, das bedeutet: Es werden jetzt wohl einfach größere Drohkulissen aufgebaut. Der eine oder andere, den man mit dem möglichen Verlust des Mandats erschrecken kann – weil er keine anderweitige berufliche Perspektive hat zum Beispiel – wird dann vielleicht einknicken. Gemeinhin wird das dann mit der angeblichen Verantwortung für dies oder jenes übertönt.
Wo sehen Sie Parallelen zur Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen Anfang des Jahres?
Paul: Jüngst hat der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im NDR-Magazin „Zapp“ recht schlüssig erklärt, warum „Beitragsstabilität“ gerade in Corona-Zeiten bedeuten muß, nicht wieder einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags zuzustimmen. Er hat sich damit für seine Fraktion im Prinzip festgelegt und sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Wer sich jetzt dermaßen schrill von der oberen Führungsebene zurückpfeifen läßt, der tritt in Kemmerichs Fußstapfen.
„Restle im Elfenbeinturm“
Allerdings wächst auch bei mehreren Bundestagsabgeordneten der Union der Widerstand gegen höhere Rundfunkgebühren. Stärkt das nicht die Position der Kollegen im Landtag?
Paul: Ja und nein. Ich nehme an, daß das eine konzertierte Aktion war. Also die Fraktion gewogene Mitglieder des Bundestags zur Unterstützung aufgefordert hat. Immerhin ist die Beitragserhöhung auch in der Union umstritten, zumal damit das ‘Weiter so!’ von ARD, ZDF und Deutschlandfunk zementiert wird.
Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn die CDU der Erhöhung wirklich nicht zustimmt?
Paul: Sollte die CDU-Fraktion sich ein Herz fassen und dem Druck widerstehen, würde der öffentliche Diskurs über die Beitragserhöhung verlängert, er würde sich zuspitzen. Das ist genau das was die Herren Intendanten nicht wollen, sie wollen ihre Strukturen unangefochten über die Zeit retten.
Schon jetzt dürften sie die Zahl der ÖR-kritischen Artikel in den etablierten Medien erschreckt haben. Ob eine Klage der Sender vor dem Verfassungsgericht Erfolg hat, steht in den Sternen. Insbesondere weil die Beitragserhöhung ja in einer Pandemie stattfinden soll. Diese Begründung ist mehr als ein Hilfsargument.
Wo bleiben die VerteidigerInnen des ÖRR angesichts der Kumpanei zwischen @cdufraktion_LSA und der #AfD? Hier geht's nicht um Finanzierungsfragen, sondern um eine Schwächung des ÖRR, der Rechtsextremisten in diesem Land ein Dorn im Auge ist.
— Georg Restle (@georgrestle) November 23, 2020
ARD-Moderator Georg Restle hat kürzlich in einem Twitter-Streit mit dem Vorsitzenden der Jungen Liberalen in Brandenburg bezweifelt, daß 86 Cent mehr pro Monat einen „schmerzhaften Einschnitt“ bedeuten. Was halten Sie von solchen Aussagen?
Paul: Absurd. Restle hat sich im Elfenbeinturm gemütlich eingerichtet, läßt sich seine Gesinnung quasi vergolden. Auf der anderen Seite geht es um zehn bis elf Milliarden Euro Kaufkraftverlust. Unsere Bürger leisten sich den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt – ein analoges Senderkonglomerat – und das in einem Land, das hinsichtlich digitaler Infrastruktur – Mobilfunk und schnelles Netz – auf dem Niveau von Schwellenländern liegt. Stellen Sie sich vor, ein Teil des Kapitalberges würde für Glasfaser-Gutscheine an die Bürger verwendet. Wir würden im Ausbau einen Riesensprung machen.
Ein Signal, gerade in der Corona-Krise
WDR-Intendant Tom Buhrow hat die Beitragserhöhung auch mit der Corona-Pandemie gerechtfertigt. Wie sehen Sie diese Argumentation?
Paul: Umgekehrt wird ein Schuh draus: Gerade jetzt, wo es massive Einschnitte für Bürger und Gewerbetreibende gibt, besteht die Pflicht zu sparen – ein Signal zu setzen. Nach dem Motto: Wir tragen unseren Teil bei. Man braucht ohnehin nicht zig Milliarden, um guten Rundfunk zu machen und die Bürger fundiert zu informieren. Zumal – ähnlich wie im Sommer der Massenzuwanderung, also 2015 – die Regierungsnähe der Corona-Berichterstattung oft genug mit den Händen zu greifen war.
Viele Politiker, auch aus Union und FDP, fordern konkretere Sparmaßnahmen von den Rundfunkanstalten. Also sind die anderen Parteien doch sensibilisiert bei dem Thema. Wo könnte denn weniger Geld ausgegeben werden?
Paul: Mann könnte den Senderwildwuchs beschneiden, das Gehaltsgefüge der Mitarbeiter dem Markt anpassen, das Programm sinnvoll schärfen – und zwar schwerpunktmäßig ausgerichtet auf Kultur, Bildung, Regionales und Dokumentation. Auch bei den Phantasie-Gehältern der Intendanten lässt sich sparen.
Wie sollte denn Ihrer Meinung nach eine Alternative zum momentanen öffentlich-rechtlichen Rundfunk aussehen?
Paul: Sieben Landtagsfraktionen der AfD haben in diesem Jahr das Grundfunk-Programm beschlossen, das eine Strukturreform vorsieht. Wir wollen eine Eindampfung des Budgets auf eine Milliarde, im Streaming-Zeitalter genug Geld für gute Regionalprogramme.
Durch eine Konzentration des Programmauftrags könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Medienlandschaft des digitalen Zeitalters viel besser ergänzen und Zukunftsgestaltung gemacht werden. Die Zwangsbeiträge könnten ersatzlos entfallen, wenn Tech-Konzerne mittels Kulturumlage den Grundfunk finanzieren. Immerhin profitieren sie in Teilen von der angestrebten Programmschärfung.
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Joachim Paul ist Beisitzer im AfD-Bundesvorstand und stellvertretender Fraktionsvorsitzender sowie medien- und bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), ist Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, welche die Medien- und Rundfunkpolitik koordiniert.