Da waren‘s nur noch drei. Am Montag gab die Frankfurter Allgemeine Zeitung bekannt, daß Holger Steltzner, der bis dahin mit Werner D’Inka, Berthold Kohler und Jürgen Kaube zu den Herausgebern gehört hatte, ausgeschieden sei. Der Vorgang ist nicht ohne Beispiel: 2001 mußte Hugo Müller-Vogg gehen, 1970 war es Jürgen Tern und 1955 Paul Sethe. Die offiziellen Erklärungen blieben immer schmallippig. Jetzt ist davon die Rede, daß die „Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Herausgebern … nicht mehr gegeben“ sei.
Nun sind Personalwechsel in Verlagen nicht ungewöhnlich; auch nicht, wenn es sich um Spitzenpositionen handelt. Daß die Vorgänge in der FAZ regelmäßig besondere Aufmerksamkeit erregen, hat ganz wesentlich mit deren Schlüsselstellung unter den Qualitätsblättern zu tun. So dramatisch die Auflage „der Frankfurter“ in den letzten Jahren gesunken ist, so stabil hält sich doch ihre Funktion als Tonangeber.
„Gouvernementale“ Tendenz
Den konnte sie seit der Nachkriegszeit verteidigen, auch mit Hilfe einer einmaligen Kombination: „Konservatismus auf Samtpfoten“ (Armin Mohler) plus Kompetenz im Ökonomischen plus Bereitschaft, dem Feuilleton linke Extratouren zu erlauben. Allerdings hatte und hat der Einfluß der FAZ auch mit einer starken „gouvernementalen“ Tendenz zu tun.
Die Teestunden für Redakteure im Kanzleramt mögen der Vergangenheit angehören, aber es gibt nach wie vor das Staatstragende, die Vorstellung, nicht einfach nur journalistisch zu arbeiten, sondern Gesamtverantwortung zu tragen. Deshalb reagiert man empfindlich auf alles, was als Angriff auf die Räson der Bundesrepublik betrachtet wird. Die definiert sich über nationale Selbstbescheidung, Antiradikalismus, Kompromißbereitschaft, Westbindung und atlantische Orientierung.
Daß Sethe gehen mußte, weil er gegen Adenauer opponierte und für einen Neutralitätskurs eintrat, erklärt sich vor diesem Hintergrund genauso wie der Ausschluß Terns, der mit der Ostpolitik der Regierung Brandt-Genscher sympathisierte. Müller-Vogg betont zwar, daß ihm bis heute nicht klar sei, warum man ihm den Stuhl vor die Tür setzte, aber manche Indizien sprechen dafür, daß er sich zu strikt der Annäherung an den neuen Konsens entgegengestellt hatte, der plötzlich auch die Altachtundsechziger einschließen sollte.
Eindruck einer Art Hofberichterstattung
Dabei agierte die FAZ zu Beginn des neuen Jahrhunderts noch aus einer Position der relativen Stärke. Seitdem hat sie von den damals 400.000 verkauften Exemplaren ein gutes Drittel eingebüßt und kein Feld gefunden, auf dem sie die Verluste wiedergutmachen könnte. Das dürfte eine gewisse Unruhe erklären und auch die Entschlossenheit, sich mit den Mächtigen in Berlin gutzustellen. Die Milde, mit der man alles kommentiert, was die Große Koalition tut, ist deutlich spürbar.
Meistens wird laviert, aber häufig hat man den Eindruck quasioffizieller Verlautbarungen oder einer Art Hofberichterstattung. Nichts, was Steltzner mitzumachen bereit war. Das hatte vor allem mit seiner strikt marktwirtschaftlichen Linie zu tun. Tatsächlich wirkte die Beharrlichkeit überraschend, mit der er die Ausgabenpolitik der Regierungen Merkels, die permanenten Eingriffe in das ökonomische Gefüge und den schwarzen, roten, grünen Egalitarismus kritisiert hat. Für Steltzner ging es erkennbar ums Prinzip, das heißt um Freiheit des Einzelnen und Selbstverantwortung im Wirtschaftlichen.
Das alles charakterisiert ihn als klassischen Liberalen. Aber das ist es nicht allein, was ihm im eigenen Haus mächtige Feinde gemacht haben dürfte. Viele seiner Kritiker müssen im Gedächtnis behalten haben, mit welcher Sympathie Steltzner die Anfänge der AfD begleitet hat und wie deutlich er immer wieder durchblicken ließ – etwa im Hinblick auf die Aktivität der EZB –, daß es deutsche Interessen gebe, die zu verteidigen legitim sei.
Im Gespräch meinte einmal ein Bankmanager mir gegenüber: „Steltzner, – der ist doch ein Nationalist“. Angesichts der Leichtfertigkeit, mit der so etwas als Beschimpfung in Umlauf gesetzt wird, wäre hinzufügen: Steltzner ist ein Nationalliberaler. Was unter den heute obwaltenden Umständen wohl bedeutet, daß man zur Fundamentalopposition gehört und für ein weiland bürgerliches Leitorgan nicht mehr tragbar ist.