Wer ist Jürgen Elsässer? In der vergangenen Woche beschrieb JF-Reporter Hinrich Rohbohm Elsässers Vergangenheit in der linksextremen Szene. Doch welchen Kurs fährt der Publizist mit seinem Magazin heute? Und warum sucht er dafür Kontakte zu Islamisten? Eine Spurensuche.
Elsässer fungiert bei Compact als Mitherausgeber und Chefredakteur. Weitere Herausgeber sind der Verleger Kai Homilius und Andreas Abu Bakr Rieger. Homilius ist Gründer des gleichnamigen Verlags im brandenburgischen Werder. Langjähriger Autor dort ist der Margot-Honecker-Neffe Peter Feist. Der Diplom-Philosoph und Militärhistoriker gehört auch zum Autorennetzwerk von Compact. In dem Verlag erschienen unter anderem die Werke hochrangiger Stasi-Offiziere. Zu seinen Autoren zählen prominente Kommunisten wie Fidel Castro, Hans Modrow oder die ehemalige DDR-Wirtschaftsministerin Christa Luft. Auch der einstige Stasi-Spion Rainer Rupp alias „Topas“ gehört dazu.
Rieger ist zudem Herausgeber der Islamischen Zeitung (IZ), für die auch Elsässer schrieb. Die IZ ist eng mit der Murabitun-Bewegung des schottischen Islam-Konvertiten Ian Dallas verbunden, der sich Scheich Abdulqadir as-Sufi al-Murabit nennt und Moscheen in Spanien, Großbritannien und Südafrika gründete. Die Bewegung gilt als Erfinder des Gold-Dinar, mit dem sie eine Gegenwährung zum Dollar schaffen möchte. „Viele von denen sind religiös-fanatische Wirrköpfe“, sagt der Islamwissenschaftler Tilman Nagel. Allerdings handele es sich bei der Bewegung lediglich um eine kleine Splittergruppe.
Interessanter ist da schon Elsässers guter Freund Yavuz Özoguz, der auch als Autor für Compact schreibt. Der in Istanbul geborene Verfahrensingenieur ist der Bruder der stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Aydan Özoguz, die im Range einer Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin als Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration fungiert und mit Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) verheiratet ist. Seit Anfang der sechziger Jahre lebt Özoguz in Deutschland. 1991 promovierte er an der Uni Bremen. Heute ist er Vorsitzender des Vereins Islamischer Weg im niedersächsischen Delmenhorst.
Kontakte zu Islamisten
Hierbei handelt sich um die Nachfolgeorganisation des in Clausthal im Harz/Niedersachsen ansässig gewesenen Vereins Islamische Gemeinschaft. Dessen Gründer Mohammad-Ali Ramin dürfte in seiner Funktion als stellvertretender iranischer Minister und Berater des damaligen iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad entscheidend dafür gesorgt haben, daß Elsässer gemeinsam mit Özoguz im April 2012 einer Delegation angehörte, die zu einer Privataudienz bei Ahmadinedschad geladen worden war.
Wie vertraut das Verhältnis zu Özoguz ist, beschreibt Elsässer auf seinem Blog: „So habe ich mich auch sehr gefreut, daß ich letzte Woche zu einer Diskussion im Rahmen der Tagung ‘Islamischer Weg’ eingeladen war. Organisator war mein guter Freund Yavuz Özoguz, der auch letztes Jahr unsere Reise in den Iran und zu Ahmadinedschad organisiert hat: Ein prächtiger Mensch, tief gläubiger Muslim – und ein guter Deutscher! Ja, das geht zusammen!“
1999 gründete Özoguz zusammen mit seinem Bruder Gürhan die Internetplattform Muslim-Markt, die aufgrund ihrer antiisraelischen Inhalte vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Auch publiziert er eine deutschsprachige Enzyklopädie zum Islam, die unter anderem von der Kulturabteilung der iranischen Botschaft gefördert wird.
„Diese Leute stehen zweifelsohne nicht auf dem Boden unserer Verfassung“
Die Brüder veröffentlichten Bücher mit Titeln wie „Wir sind fundamentalistische Islamisten“. Im Juni 2004 erklärten sie, daß eine wirkliche Verfassung nur der Gottesstaat allein habe und Imam Khamenei sie anweise. „Diese Leute stehen zweifelsohne nicht auf dem Boden unserer Verfassung“, ist Tilman Nagel überzeugt. „Das Fatale ist, daß sie Einfluß auf die Jugend ausüben.“
Um so bemerkenswerter ist in diesem Zusammenhang, daß sich Elsässer mit den Hooligans solidarisierte, die in Köln gegen Salafisten demonstrierten. „Salafismus ist Islamofaschismus. Und im Grunde genommen war die Demonstration der HoGeSa deshalb eine antifaschistische Demonstration“, sagte Elsässer auf einer Kundgebung anläßlich des Mauerfalljubiläums vor dem Bundeskanzleramt.
Kontinuitäten sind vorhanden
Alexander Benesch, ein libertärer Blogger und ehemaliger Weggefährte Elsässers, sieht in den widersprüchlichen Aussagen durchaus Kontinuitäten. So bündele Elsässer jene Kräfte, die sich gegen den Westen und speziell gegen die USA stellen: Die Islamisten des Iran sind gut, weil sie näher an Rußland stehen. Die Salafisten hingegen sind böse, weil sie im Syrien-Krieg gegen den von Rußland unterstützten Präsidenten Assad kämpfen. Diese Haltung spiegele sich auch in den Artikeln von Compact wider.
Benesch beschreibt das Strickmuster, nach dem Artikel bei Compact konzipiert sind so:„Jeder Vorfall wird pauschal westlichen Kräften angehängt. Spuren nach Osten werden verwischt.“ Allen mit der Politik Unzufriedenen solle über das Compact-Magazin ein Anti-US und Pro-Rußland-Kurs schmackhaft gemacht werden. Wobei die Stoßrichtung der Artikel stets auf dem Prinzip Nato/USA schlecht und schuldig, Rußland/China gut oder neutral aufgebaut seien.
„Selektive Darstellungen“
Elsässer verfährt damit unter umgekehrten Vorzeichen genau nach dem Schema, das er deutschen Leitmedien vorwirft, indem er ihnen eine einseitige, prowestliche Berichterstattung unterstellt. „Bei offenen Fällen werden nur Spuren behandelt, die in den Westen führen und vergleichende Beispiele aus dem Westen genannt. Moskaus subversive Aktiviäten werden nicht behandelt“, erklärt Benesch.
Dies solle den Eindruck erwecken, Rußland sei in jeder Hinsicht eine vernünftigere, moralischere Weltmacht sowie ein Vorbild und besserer Partner für Deutschland. Durch „selektive Darstellungen“ werde eine „historische Freundschaft zwischen Deutschland und Rußland herbeikonstruiert“, meint Benesch, der gegenüber der JUNGEN FREIHEIT erzählt, wie er zur Anfangszeit von Compact selbst von Elsässer zu einem Vortrag über die Terroranschläge vom 11. September 2001 eingeladen worden war: „Damals war mir noch nicht klar, daß das Ganze eine Mogelpackung war.“ Bald aber sei ihm die Einseitigkeit der Veranstaltungen bewußt geworden.
These von der „zionistischen Unterwanderung“ der Ukip
Jedoch ist es Elsässer durchaus mit Erfolg gelungen, auf seinen Compact-Souveränitätskonferenzen außerhalb des linken Spektrums Persönlichkeiten für seine Veranstaltungen zu gewinnen. Etwa die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herman, die Reporterlegende Peter Scholl-Latour, den SPD-Rebellen Thilo Sarrazin oder den Ukip-Vorsitzenden Nigel Farage. Bei letzterem regte sich hingegen Unmut unter einigen Compact-Anhängern. So behauptete etwa Fatima Özoguz, daß die Ukip zionistisch unterwandert sei. Die konvertierte Islamistin mit dem ursprünglichen Namen Elke Schmidt ist die Ehefrau von Muslim-Markt-Betreiber Yavuz Özoguz.
Auf Jürgen Elsässers Compact-Souveränitätskonferenzen waren auch loyale Putin-Vertreter aus Rußland geladen. Zu ihnen gehören Jelena Borissowna Misulina, ein ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei Rußlands, das heute für die Partei „Gerechtes Rußland“ der Duma angehört. Im Zuge der Krimkrise war sie auf die Sanktionsliste der EU gesetzt worden. Ebenfalls dabei: die Historikerin, Politikerin und Diplomatin Natalija Alexejewna Narotschnizkaja, die seit 2008 die Pariser Filiale des im Oktober 2007 gegründeten Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit leitet.
Fragen läßt Elsässer unbeantwortet
Die Einrichtung mit Hauptsitz in Moskau gilt als Denkfabrik der russischen Regierung und wurde von dem Juristen Anatoli Kutscherena ins Leben gerufen. Kutscherena vertritt unter anderem Edward Snowden als Rechtsanwalt in Moskau, zählte zudem Größen wie den russischen Oligarchen Suleiman Abusaidowitsch Kerimow und den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch zu seinen Mandanten.
Kontakte zum Kreml will Elsässer nicht haben, wie er seinen Anhängern auf der Bootsfahrt in Koblenz versicherte: „Ich hab keine Verbindungen. Null. Diese Verbindungen in den Kreml hinein, die gibt’s nicht.“
Ebenso erhalte Compact kein Geld aus Moskau. Auch nicht für eine Compact-Edition von Putin-Reden an die Deutschen. „Wir haben gedacht, wenn wir so etwas vorhaben, dann kriegen wir Unterstützung vom Kreml. Wir haben uns den Finger wund telefoniert, das war denen so was von egal, was wir da vorhaben“, versichert Elsässer seinen Anhängern. „Wir waren bei der Botschaft. Wir haben gedacht, wir kriegen da vielleicht Geld von der Botschaft, wenn wir so was rausbringen. Oder wir kriegen vielleicht ein paar Fotos umsonst oder Übersetzungshilfe. Nichts. Niente. Nada.“
Wie man sich den Finger wund wählen, mit der russischen Botschaft sprechen und gleichzeitig null Verbindungen zum Kreml haben kann, wollte die JF von Elsässer genauer wissen. Unter anderem fragten wir nach den Verbindungen von Compact zum Institut für Demokratie und Zusammenarbeit und inwiefern das Magazin finanzielle oder sachliche Zuwendungen vom Institut oder sonstigen Einrichtungen der Russischen Föderation erhalte. Eine Antwort hierzu blieb ebenso aus wie zu der Frage, womit er seinen vorgeblichen Bruch mit der Linken erklärt.
„Wir müssen Europa erobern, eingliedern und anschließen“
Anläßlich der Gründung des Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit hatte der Putin-Mitarbeiter Sergej Jastrzhembskij gegenüber dem Online-Nachrichtenportal Newsru.com erklärt, daß Rußland bereit sei, für die Bedürfnisse des Instituts ungefähr 70 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Als Ort für seine Veranstaltungen dient Elsässer häufig das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin, eine ausländische Vertretung des Zentrums für internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit beim russischen Außenministerium. Auch in Medien wie dem Staatssender Russia Today ist er häufig zu Gast.
Der russische Philosoph und Publizist Alexander Dugin wiederum ist bei Compact ein gerngesehener Gesprächspartner. Der 52jährige gilt als einer der Hauptprotagonisten für die Bildung einer Eurasischen Union, die letztlich von Wladiwostok bis Lissabon reichen solle. Im April vorigen Jahres hatte er in einer Videobotschaft einen Angriff Rußlands auf Europa gefordert. „Wir müssen Europa erobern, eingliedern und anschließen. Wir würden Europa einfach zu unserem Protektorat machen.“
Schon früher im Interesse der Sowjetunion gehandelt
Dabei müsse Rußland nicht zwingend mit Waffengewalt vorgehen. Dugins Ziel: „Die EU würde zur Eurasischen Union als Teil derselben beitreten.“ Zudem empfahl er Rußland, darauf hinzuarbeiten, Europa über westliche Bündnispartner parlamentarisch zu unterwandern. Schon 1997 hatte Dugin zwecks einer Umgestaltung in Europa vorgeschlagen, Strategien der „Subversion, Desinformation und Destabilisierung“ zu entwickeln. „Darüber hinaus haben wir Erfahrungen mit der Expansion nach Europa, die zu Sowjetzeiten stattfand.
Als unsere kommunistische Partei, die Komintern und die Kominform sehr beeindruckende Ergebnisse in Sachen Eindringen in die europäischen Parlamente erzielt haben. Ja, das war unser außenpolitisches Instrument.“ Ein Instrument, das offensichtlich auch heute zum Einsatz kommt. „Daß es eine prorussische fünfte Kolonne in Europa gibt, steht fest. Das sind europäische Intellektuelle, die die europäische Identität stärken wollen.“
Mit seinem Magazin bietet Elsässer Dugin das nötige mediale Forum, um seine Ideen in Deutschland zu verbreiten. Nicht zuletzt deshalb sieht Alexander Benesch in Elsässers Aktivitäten rund um sein Compact-Magazin mehr Kontinuität als Wandel. „Moskaus Ziele sind, wie früher auch, den amerikanischen Einfluß in Europa zurückzudrängen.“ So habe Elsässer einst als Linker im Interesse der Sowjetunion gehandelt. „Und heute dient er Rußland eben von rechts.“