Auch bei der ARD kam die Botschaft inzwischen an: der deutsche Fernsehzuschauer, er ist neugierig auf die Alternative für Deutschland, die gleich bei ihrem Wahldebüt über zwei Millionen Stimmen gewinnen konnte. So lockte Anne Will zu Beginn ihrer Sendung mit Parteichef Bernd Lucke. Doch erst einmal wurde in Anwesenheit des Euro-Kritikers über die Euro-Kritiker diskutiert. Eine bizarre Situation, in der die mediale Ausgrenzung tatsächlich sichtbar wurde. Da saß er nun, wie bestellt und nicht abgeholt.
Die übrigen geladenen Gäste? Das übliche Anne-Will-Einerlei. Als einziger gab Serdar Somuncu seinen Beruf korrekt an – Kabarettist. Mitgebracht hatte er drei Kollegen. Die berufsdaueroppositionelle Gesine Schwan, zu deren zickiger Einfalt ein altväterlich nickender Edmund Stoiber als Kontrapunkt gesetzt wurde. Weit übertroffen wurde deren Leistung aber von Ulf Poschardt von der Welt, der perfekt den zugleich besserwisserischen wie komplett ahnungslosen Journalisten darstellte.
Einbruch der Realität
Geschlagene vierzig Minuten mußte sich der Zuschauer diese Plapperei antun, bis die Wohngemeinschaftsmoderatorin Will jovial ankündigte. „Ich will noch unseren anderen Gast in unsere Gedankengänge mit hineinholen.“ Endlich, Einbruch der Realität. Welche Koalition aus Sicht seiner Partei die beste ist? Unerheblich, da die etablierten Parteien mit Blick auf die Euro-Rettung „letzten Endes alle einer Meinung sind“.
Wenige Sätze, viel Inhalt. Die Strategie von CDU-Chefin Angela Merkel sei es bisher gewesen, sich auf jedes sozialdemokratisches Projekt zu setzen und als ihr eigenes auszugeben. Durch die AfD könne es zwar sein, daß die CDU sich nun wieder stärker um ein eigenes Profil bemüht. „Doch die meisten Wähler werden schon sehen, was das Original und was die Kopie ist“, zeigte sich Lucke überzeugt.
Weigerung, den Buhmann zu spielen
Auf eine Einordnung seiner Partei im Links-Rechts-Schema mochte sich Lucke nicht einlassen. Die Zusammensetzung der AfD-Wähler hätte das auch bestätigt. Nein, man wolle seine Partei nicht in eine Schublade stecken, versicherte Will. Was sie und ihre Gäste nicht daran hinderte, eben genau das nach Kräften zu versuchen. Die AfD ist doch schon irgendwie „rechtspopulistisch“, nicht wahr?
Hart angegangen wurde Lucke für seine Weigerung, sich mit der AfD rechts von den Christdemokraten zu verorten von Poschardt. Dieser flehte ihn geradezu an: „Warum sagen sie nicht einfach: Wir sind die Partei, die diesen Freiraum, den die Union rechts von sich gelassen hat, nutzt.“ Er hätte „damit kein Problem“. Natürlich nicht, hätte man damit doch endlich wieder einen Buhmann gefunden.
So allerdings muß Poschardt auch in Zukunft weiter mit dem freundlich lächelnden Lucke in einer Sendung sitzen, gegen dessen Argumente er auch mit vereinter Hilfe seiner Kabarett-Freunde nichts vorbringen konnte.