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„Von Rettern und Rebellen“: Mut zur Wahrheit

„Von Rettern und Rebellen“: Mut zur Wahrheit

„Von Rettern und Rebellen“: Mut zur Wahrheit

Klaus-Peter Willsch
Klaus-Peter Willsch
Klaus-Peter Willsch: Schreibt Klartex Foto: dpa
„Von Rettern und Rebellen“
 

Mut zur Wahrheit

Wer das Buch „Von Rettern und Rebellen – Ein Blick hinter die Kulissen unserer Demokratie“ liest, wird zum Schluß gelangen, daß die deutsche Politik in der Eurorettung den Wählern alles servierte und serviert, nur nicht die Wahrheit. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch spricht in dem Werk Klartext.
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Es gibt eine alte Karikatur über den politischen Betrieb: Ein Abgeordneter liegt auf der Couch beim Psychiater, und der Arzt fragt: „Wann hat dieser Zwang bei Ihnen begonnen, die Wahrheit sagen zu müssen?“ Wer das Buch „Von Rettern und Rebellen – Ein Blick hinter die Kulissen unserer Demokratie“ liest, wird zum Schluß gelangen, daß die deutsche Politik in der Eurorettung den Wählern alles servierte und serviert, nur nicht die Wahrheit.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch hat dieses Buch geschrieben – zusammen mit seinem Mitarbeiter Christian Raap. Willsch, Jahrgang 1961, vertritt den Wahlkreis Rheingau-Taunus-Limburg in Hessen und hat sich als sogenannter Abweichler einen Namen gemacht. Seit Beginn der Eurokrise warnte Willsch vor den Gefahren der Rettungspolitik, als andere sich wegduckten und die Wahrheit nicht hören wollten. Seinen persönlichen Weg durch die Eurokrise faßte Willsch in diesem Buch zusammen, das genausogut den Titel „Von Lügnern und Belogenen“ tragen könnte.

Aushöhlung demokratischer Grundsätze

Schon das Vorwort von Thilo Sarrazin macht deutlich, daß der Niedergang des ursprünglich als stabile Währung mit unabhängiger Notenbank angelegten Euro mit einer Aushöhlung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze einherging: Sarrazin verweist auf die Gesetzes- und Vertragsbrüche im Zusammenhang mit der Währungspolitik und meint, „wenn man so anfängt, ist im Staat nichts mehr sicher, sobald die Politiker darüber einig sind (…) Der Begriff Gewaltenteilung bekommt für mich eine ganz neue, elementare Bedeutung. Auch die Gewaltenteilung hilft nämlich nicht, wenn die Gewalten sich beim Rechtsbruch einig sind.“

Die Geschichte der Rechtsbrüche beschreibt Willsch mit einer erschreckenden Klarheit in Form eines detaillierten, in die Tiefe gehenden Protokolls. Der Leser erfährt, daß Gesetzgebungsverfahren ihren Namen kaum noch verdienen, weil die Regierung die Texte viel zu spät vorlegt, so daß sie niemand mehr intensiv lesen kann. Oder sie werden in letzter Minute in entscheidenden Punkten verändert. Öffentliche Anhörungen des Bundestages mit Experten sind zur Farce verkommen: Eingeladen werden überwiegend Sachverständige, die die offizielle Position bestätigen.

Kritische Sachverständige nicht mehr eingeladen

Willsch erinnert an Max Otte, der als einziger ernstzunehmender Ökonom die Finanz- und Wirtschaftskrise vorausgesagt habe, aber nie zu öffentlichen Anhörungen eingeladen wurde. Andere Experten wurden öffentlich als Spinner abgetan. Willsch schreibt: „Wenn aus den Experten von gestern plötzlich die Spinner von heute werden, dann sollte man hellhörig werden.“

Die Veränderung des Charakters der öffentlichen Anhörungen steht beispielhaft für eine Politik, in der andere Meinungen als die offizielle nicht mehr erwünscht sind und in der die Opposition allenfalls noch in Nuancen von der Regierung zu unterscheiden ist. Und diese Politik führt dazu, daß jede Debatte vermieden werden soll. Während kritische Sachverständige nicht mehr eingeladen werden, bekam Willsch für kritische Äußerungen häufiger von der Fraktionsspitze der CDU/CSU zu hören: „Du wirst nichts mehr.“

Lohn für Linientreue, Strafe für Abweichler

Genau das geschah nach der Bundestagswahl 2013, als Willsch von seiner Fraktion nicht wieder in den Haushaltsausschuß des Bundestages entsandt wurde, der federführend in Sachen Eurorettung und Griechenland ist. Im Buch wird das System mit klaren Worten beschrieben: „Gefolgschaft wird belohnt: Allein in der 311 Mitglieder starken Bundestagsfraktion können aktuell 144 Funktionen vergeben werden, die zum Teil mit zusätzlicher Bezahlung und/oder mit zusätzlichen Mitarbeitern und Büroräumen verbunden sind, Einfluß sichern oder schlicht persönliche Eitelkeiten befriedigen.“

Und Abgeordnete, die in die Regierung aufsteigen, werden mit gigantischen Gehältern und unzähligen Privilegien belohnt. Im Gegenzug werden Dissidenten strafversetzt, oder es wird die Versetzung öffentlich angedroht, wie erst kürzlich durch den CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder. Willsch beschreibt detailliert, wie die Regierung Druck ausübt und die Opposition eingeschüchtert wird.

Willsch wirft Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, „die Eurokrise argumentativ ins Metaphysische zu überhöhen“, indem er die Griechenlandrettung mit Warnungen vor dem drohenden Untergang Europas verknüpfe. Schäubles eigenartiges Verhältnis zur Wahrheit wird in dem Buch mehrfach deutlich. „Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart“, hatte Schäuble gesagt, sich aber genausowenig wie Kanzlerin Angela Merkel und die anderen Regierungschefs um die Vereinbarung geschert. Die Rettungsschirme existieren heute noch. Willsch stellt fest: „Mit Lügen kann man kurzfristig vieles erreichen. Das dadurch langfristig verspielte Vertrauen zurückzugewinnen, ist fast unmöglich. Es geht ein Riß durch Europa.“

„Nichts, was man im Leben von Herzen tut, ist vergebens“

Es ist das Verdienst von Willsch, den auf Lügen aufgebauten Betrieb schonungslos und detailliert mit dem Wissen des Insiders aufzudecken: „Die Eurokrise ist eine Geschichte des gebrochenen Wortes.“ Schuldenberge, Anleihenkaufprogramme, Rettungsaktionen: „Nichts ist umsonst. Die Bundesregierung weiß das, versucht aber den Tag X möglichst lange hinauszuschieben.“ Gäbe es mehr Abgeordnete vom Typ Willsch, man müßte sich um Demokratie und Rechtsstaat in Deutschland weniger Sorgen machen.

Er selbst trauert der verlorenen Karriere nicht nach: „Unter dem Strich hat es sich gelohnt, meinem Gewissen treu zu bleiben und meine Positionen standhaft zu vertreten (…) Nichts, was man im Leben von Herzen tut, ist vergebens.“

JF 40/14

Klaus-Peter Willsch: Schreibt Klartex Foto: dpa
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