BERLIN. Der Potsdamer Kunstpädagoge Andreas Brenne hat sich dafür ausgesprochen, sich kritisch mit den Werken von Karl May auseinanderzusetzen, ohne sie pauschal zu verdammen. „Wir müssen die Werke Karl Mays aus heutiger Sicht neu lesen. Es reicht nicht aus, diese Texte auf kolonialistische und rassistische Inhalte zu reduzieren“, stellte er gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung klar.
Zu Teilen seien die Bücher des Autors dies sicher. Es finde sich darin aber auch das Gegenteil. Die Welt Karl Mays sei geprägt von Fallstricken und Problemen, aber auch von Chancen. Deshalb plädiere er dafür, sie in „ihrer Ambivalenz aus heutiger Perspektive produktiv zu rezipieren“, erklärte Brenne.
Karl May sei in jedem Fall noch lange nicht auserzählt. Jedes Jahr pilgerten rund 900.000 Menschen zu den Karl-May-Bühnen. Seit 120 Jahren würden die Werke wie „Winnetou“ tradiert.
Karl May habe auf der Seite der Unterdrückten gestanden
Der Schriftsteller sei in jedem Fall vieles. „Man kann ihn als Rassist sehen“, gab der Kunstpädagoge zu bedenken. „Er stand trotz eines inhärenten kolonialen Habitus auf der Seite der Unterdrückten. Ein Rassist er für mich aber nicht, auch wenn er mit Klischees arbeitet.“
Er sei aber vor allem ein „widerborstiger Mensch“ gewesen, der auch als Autor der Kolonialzeit Normalitätsvorstellungen hinterfragt habe. Selbst im Dritten Reich habe es Strömungen gegeben, die ihn ob seiner Gedanken zur Völkerverständigung abgelehnt hätten.
Brenne: Dürfen Kindern die Werke nicht vorenthalten
Davon, Werke und Adaptionen, wie „Der junge Häuptling Winnetou“, pauschal zu canceln, halte er nichts. „Meine pädagogische Haltung ist, Kinder und Jugendliche nicht vor inkriminierten Texten oder Wörtern zu bewahren.“ Die Welt sei zum Teil eben auch grausam.
„Wir müssen Räume schaffen, in denen über solche Verstörungen gesprochen werden kann. Die ethische Haltung muß ein Kind aber selbst entwickeln. Das geschieht nicht dadurch, daß man nur ideale Zustände erzeugt“, betonte Brenne. Literatur habe auch etwas Wildes. Das solle man Kindern nicht vorenthalten. Er spreche sich bei der Debatte um Karl-May klar für den Diskurs aus. „Wir müssen die Positionen schärfen; aus Gegnerschaft darf keine Feindschaft werden.“ (zit)