An ihrem 21. Geburtstag im Jahr 1947 gab die junge Prinzessin Elizabeth Alexandra Mary aus dem Hause Windsor ein Versprechen an das Commonwealth ab. Ihre Vorfahren hätten ein edles Motto gehabt: „Ich dien“. Entsprechend wolle sie nun, so sprach sie mit dünner Stimme in ein Radiomikrofon, einen feierlichen Akt der Hingabe vollziehen: „Ich erkläre vor Ihnen allen, daß mein ganzes Leben, egal ob lang oder kurz, Ihrem Dienst und dem Dienst an unserer großen imperialen Familie gewidmet sein soll, zu der wir alle gehören.“ Gott möge ihr helfen, diesem Gelöbnis gerecht zu werden.
Wenn Queen Elizabeth II. heute, am 70. Jahrestag ihrer Thronbesteigung, in Sandringham House in aller Ruhe auf die Zeit ihrer Herrschaft zurückblickt, kann sie versichert sein, daß sie dieses Versprechen erfüllt hat. Nur selten hat man den Eindruck gehabt, daß sich ein Amtsträger derart persönlich an ein Gelübde gebunden fühlte wie die britische Königin an das ihre.
Die Queen schweißt zusammen
Ihr ganzes Leben hat die Monarchin der Aufgabe, ihrem „Schicksal“, wie sie einmal sagte, untergeordnet, das ihr – und das macht das ganze umso bemerkenswerter – keineswegs in die Wiege gelegt war, sondern nur aufgrund der Unzulänglichkeit ihres Onkels David (Edward VIII.) zufiel. Mit einem fast schon stoischen Patriotismus bereiste sie mehr als 100 Länder, hieß unzählige Staats- und Regierungschefs willkommen und sah in ihrer allwöchentlichen Sprechstunde 13 verschiedene Premierminister – von Winston Churchill bis Theresa May – kommen und gehen. Den amtierenden 14. muß sie womöglich demnächst verabschieden.
Ihre größte Leistung bestand dabei darin, sich fast konsequent aus dem politischen Tagesgeschäft herauszuhalten. Den „würdevollen“ Teil des britischen Staatswesens solle die Krone in Abgrenzung zum „effizienten“ Teil der Regierung darstellen, hatte bereits 1867 der britische Publizist Walter Bagehot in „The English Constitution“ ausgeführt – das Volk in der eigenen Person und Tradition mit dessen Geschichte verbinden, sein Bestes repräsentieren, Identität stiften. Gerade in der schnelllebigen Zeit der Gegenwart eine Qualität von leider unterschätzter Relevanz.
Elizabeth erfüllt diese Aufgabe bis heute: Sie schweißt nicht nur das Commonwealth zusammen, während das Empire zugleich endgültig an faktischer Macht verloren hat, sondern ist auch eine nationale Überfigur des Königreichs. Ihr wichtigstes Kapital ist dabei die Institution selbst, mit all ihren historisch gewachsenen Bräuchen und Ritualen, gleichzeitig aber dem Wandel der Zeiten unterworfen und stets darauf angewiesen, angemessen ausgefüllt zu werden. Wenn Anfang Juni die offiziellen Feierlichkeiten zum Platin-Jubiläum anstehen, wird zu beobachten sein, daß ein ganzes Land nicht nur seine Monarchin, sondern auch sich selbst, seine eigene Geschichte feiert.
Die Queen brachte „The Firm“ wieder in Schwung
Doch freilich war nicht immer alles Gold, was glänzt, oder besser: zeitweise gar nicht mehr glänzte. Dellen im Ansehen des Königshauses gab es nicht nur einmal. Die Eheprobleme der Kinder bescherten der Königin 1992 schließlich ihr berühmtes „annus horribilis“ (Schreckensjahr), wie sogar sie, das Paradebeispiel einer „stiff upper lip“ (steifen Oberlippe), damals freimütig zugab. Der bereits erwähnte Bagehot hatte einst gemahnt, es dürfe „kein Tageslicht auf das Magische“ des Royalen fallen. Nun strahlte das Licht heller und greller als je zuvor selbst in die hintersten Ecken des Privatlebens der Windsors, intimste Details inklusive. Gerade nicht mehr würdevoll, sondern würdelos.
Als die Königin 1997 dann auch noch Volkes Stimmung angesichts des Unfalltodes ihrer vormaligen Schwiegertochter Diana unterschätzte, fand sich die Monarchie in der tiefsten Krise des zweiten elisabethanischen Zeitalters wieder. Dennoch gelang es der Queen, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen und „The Firm“, wie schon ihr Vater George VI. das Königshaus genannt haben soll, erneut in Schwung zu bringen.
Die Queen ist eine Werbung für die Monarchie
Im Ergebnis scheint die Queen heute beliebter als je zuvor, auch wenn sie sich noch immer mit den Skandalen und Skandälchen ihrer Nachfahren herumschlagen muß – von Prinz Andrew bis Herzogin Meghan. Vor allem die neu-linke Amerikanerin bot zuletzt in ihrer Fokussierung auf die eigene Selbstverwirklichung und „woke“ Themen einen unrühmlichen Kontrast zur Monarchin, der dies zwar Ärger bereitete, sie aber letztlich in noch hellerem Licht hervortreten läßt.
So wird gerade in diesem Jubiläumsjahr selbst Republikanern kaum etwas anderes übrig bleiben, als ehrfürchtig anzuerkennen, daß Elizabeth auch mit 95 Jahren noch ein Bild der unerschütterlichen Pflichterfüllung abgibt, ein Lehrbuchbeispiel geradezu für ein vorbildliches Staatsoberhaupt, eine Werbung für die monarchische Staatsform, die auch Deutsche vor Neid erblassen lassen müßte.
An eine altersbedingte Abdankung ist bei ihr nicht zu denken. 1980 soll die Queen den Rückzug der niederländischen Königin Juliana laut einer Erzählung mit den Worten kommentiert haben: „Typisch holländisch“. Als Elizabeth im Oktober vergangenen Jahres kränkelte, verbreitete ein Palastsprecher, sie habe „widerwillig“ den Rat angenommen, einige Tage zu ruhen. „Widerwillig“ – es war ihr offenbar wichtig, daß die Untertanen das wußten. Denn sie hatte es ja vor mehr als 70 Jahren versprochen: „Ich dien“ – und zwar ein ganzes Leben, sei es kurz oder eben lang.