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Letzte Generation: Wenn Klima-Kleber Kirchen kapern

Letzte Generation: Wenn Klima-Kleber Kirchen kapern

Letzte Generation: Wenn Klima-Kleber Kirchen kapern

In der Reformationskirche in Berlin Moabit sitzen rund 30 Menschen auf dem Boden und laschen einer Klima-Kleberin
In der Reformationskirche in Berlin Moabit sitzen rund 30 Menschen auf dem Boden und laschen einer Klima-Kleberin
Die Klima-Kleber der „Letzten Generation“ trafen sich in einer Berliner Kirche Foto: JF
Letzte Generation
 

Wenn Klima-Kleber Kirchen kapern

In einer Berliner Kirche veranstalten die Klima-Kleber der „Letzten Generation“ einen meditativen Gottesdienst mit Gesang und Stuhlkreis. Sie vergleichen sich mit Jesus und Gandhi und machen deutlich, wie sehr sie „normale Arbeit“ verachten. Die JF war dabei.
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Eine Frau, vielleicht Ende 30, steht vor der Gemeinde der Reformationskirche in Berlin Moabit. Hier wird wahlweise auf Decken auf dem Boden gesessen, einige Besucher liegen auf dem Rücken, andere machen es sich auf Sesseln in den Ecken des großen Saals bequem. Minutenlanges meditatives Schweigen wechselt sich ab mit Geschichten aus der Bibel, Gesang und konkreten Anweisungen: „Mit dem, was du jetzt spürst, wende dich an Gott. Lege den Tag zurück in ihre Hände“, flötet die Frau ins Mikrofon.

 

Die Dame, die durch den Abend führt, stellt sich den rund 30 Zuschauern vor. Sie kommt aus Oldenburg und ist Kirchenmusikerin. Ihr Alltag sei derzeit „sehr stark von zivilem Widerstand geprägt“, denn sie engagiert sich seit Anfang des Jahres bei der „Letzten Generation“.  Sie kündigt neue Straßenblockaden für den folgenden Tag an. „Ich empfehle, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen“, sagt sie amüsiert. Das Publikum lacht. Im Anschluß stellt sie eine Hymne der „Letzten Generation“ vor und animiert die Gemeinde zum Mitsingen. „They thought they could bury us, but we are seeds” („Sie dachten, sie könnten uns begraben, doch wir sind Samen“).

An starken Metaphern und gewagten Vergleichen mangelt es bei den selbsternannten Klimaschützern nicht. Die Kirchenmusikerin referiert über die Tempelreinigung Jesu, als der Sohn Gottes im Jerusalemer Tempel die Händler und Geldwechsler vertrieb, Tische umstieß und dabei wütete: „Macht meines Vaters Haus nicht zum Kaufhaus!“ Die Oldenburgerin schließt daraus, daß Gesetze und Gewohnheiten schädlich und falsch sein könnten, weshalb Straßenblockaden moralisch gerechtfertigt seien. Immer wieder fallen Begriffe wie „Widerstand“, die Frau gendert konsequent. Weil die meisten Menschen sich nicht mit der kommenden Katastrophe befassen wollten, sondern sich lieber ablenkten, etwa durch „normale Arbeit“ oder Freizeitaktivitäten wie den Besuch eines Fußballspiels, störe die „Letzte Generation“ diese auch bewußt. Drei Teilnehmerinnen, darunter die Moderatorin im roten Mantel, blockieren am nächsten Tag den Berliner Berufsverkehr.

Klima-Kleberin hat ihre Tochter zurückgelassen

Nach weiteren Liedern, in denen der eigene Aktionismus mit Gandhi verglichen wird, ist der spirituelle Teil der Veranstaltung beendet und die Gemeinde begibt sich zur anschließenden Klima-Diskussion in einen kleinen Nebenraum. Dort steht ein Stuhlkreis, die Besucher melden sich mit der Hand und werden nacheinander von der Moderatorin aufgerufen. Eine wirkliche Diskussion entsteht nicht, dafür sind die geäußerten Meinungen zu einheitlich. Ein hagerer Mann mittleren Alters ergreift das Wort. Er sei gerührt und glücklich über die Aktionen der „Letzten Generation“, er selbst habe bereits vor Jahren „Widerstand auf der Castor-Strecke“ geleistet. Es sei sehr wichtig, daß Reformkirchen sich der Bewegung anschließen und „die Systemfrage stellen“.

Ein anderer betont, wie wichtig eine starke Gemeinschaft sei. Auf der Straße zu kleben sei für ihn fast schon eine „traurige Routine“, doch ihm gehe es den Umständen entsprechend gut. Eigenen Aussagen zufolge habe er morgens bei sieben Grad den Berufsverkehr blockiert, in den nächsten Tagen wolle er es wieder tun. Die Hauptrednerin schildert ihre eigenen Entbehrungen. Sie habe ihre 15jährige Tochter in Oldenburg zurückgelassen, um in Berlin Vollzeit-Aktivistin zu sein. Sie tue das für die Zukunft ihres Kindes. „Ich glaube, sie kommt klar“, sagt sie mit Blick auf die Gefühlslage ihrer daheimgebliebenen Tochter.

Das Publikum ist gemischt, vom Teenager bis zur Seniorin ist alles dabei, auffallend viele von ihnen kommen nicht aus Berlin. Eine Frau mit starkem schwäbischem Dialekt will das gesamte Wirtschaftssystem umstoßen und „vom Leistungsprinzip wegkommen“. Die Klimakrise sei lediglich die logische Konsequenz des Kapitalismus. Sie möchte „ganz grundlegend anders umverteilen“, sieht neben der Politik auch die Wähler in der Pflicht, selbstverständlich gendert sie beim Sprechen.

„Die Grenze ist Gewalt“

Eine vorsichtige kritische Nachfrage kommt gegen Ende der Veranstaltung doch noch auf. Ein betagter Herr betont, die „Letzte Generation“ prinzipiell zu unterstützen, jedoch störe er sich an der Zerstörung von Kunstwerken. Der Anblick eines beschädigten Monet-Bildes könne Menschen verstören und sie von der Klima-Bewegung abstoßen. „Wo ist die Grenze?“, fragt er deshalb.

Augenblicklich verdüstert sich der Blick der sonst immer lächelnden Moderatorin. Ein zerstörtes Kunstwerk sei im Angesicht der drohenden Katastrophe das geringste Problem. „In Afrika verhungern Menschen wegen unseres Lebensstils“, faucht sie. Auf die erneut vorsichtig formulierte Nachfrage nach den Grenzen von legitimem Aktivismus, stellt sie klar: „Die Grenze ist Gewalt.“

Die Klima-Kleber der „Letzten Generation“ trafen sich in einer Berliner Kirche Foto: JF
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