Die Linke hat es derzeit nicht leicht. Erst wird in Potsdam wegen eines nackten Oberkörpers der Punk beerdigt, dann erfahren die DDR-Nachtrauerer aus dem Mund einer Linken-Abgeordneten, daß sie damals gar nicht in einem sozialistischen Arbeiter- und Bauernparadies gelebt, sondern lediglich dem Machterhalt einer Rechtspartei gedient hatten, und dann geht auch noch die sonst so gepriesene Solidarität flöten.
In Berlin wurde am Dienstag die besetzte Teppichfabrik geräumt. Wobei, „besetzt“ war das denkmalgeschützte Areal zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr. Die „heterogene Gruppe aus Gentrifizierungsgegner_innen, Wohnungslosen und Aktivist_innen“ war beim Eintreffen der Polizei bereits ausgeflogen – offenbar aus Angst, verhaftet zu werden.
Stundenlanges Rumtheorisieren
Und das, obwohl sie noch vor wenigen Tagen in einem flammenden Appell dazu aufgerufen hatten, ihr besetztes Areal mit „Kraft und Entschlossenheit“ zu verteidigen. Doch der Mahnruf zündete offenbar nicht richtig. Möglicherweise hatte sich die Szene mit den Kämpfen um die Rigaer Straße sowie der Randale während des G20-Gipfels etwas verausgabt. Vielleicht waren die Feierabendrevolutionäre aber auch einfach nur in den Sommerurlaub gefahren.
Wie auch immer: Frustriert platzte einem anarchistischen Nobelwohnungsgegner nun der Kragen. Auf Twitter empörte er sich über den mangelnden Kampfgeist der Genossen („Vollidioten mit Nietenarmband und Bierflasche“).
„Wenn ihr schon die Nazis und die von ihnen ausgehende Bedrohung für die Gesellschaft ignoriert, bewegt euren Arsch wenigstens zur Teppichfabrik und zeigt mal, daß ihr auch nur den Ansatz einer Ahnung von dem habt, womit ihr andere in autonomen Kneipen stundenlang vollabert, rumtheorisiert und euch voll Anarcho fühlt“, schimpfte der anonyme Twitterer, dessen Profilbild ein Kleinkind mit Irokesenschnitt in edlem sepiabraunem Vintagestyle ziert.
„Seid ihr nur noch zum Saufen gut?“
https://twitter.com/KinderLebenFrei/status/896057733702598657
Das Problem seien nicht „die Bullen“. Die hätten schon immer geprügelt und geräumt. „Unser Untergang sind Pseudolinke, die einen Dreck von anarchistischem Aufbau verstehen.“ Anarchie bedeute nicht, seine Eltern mit bunten Haaren und zerrissenen Hosen zu schockieren, sondern an Alternativen zu arbeiten. Wer das nicht verstehe, sei auch kein echter Anarcho.
Seine Solidarität gelte daher den Kämpfern und Bewohner*innen vor Ort, die ihre Köpfe hinhielten, schrie er über den Kurznachrichtendienst hinaus. „Macht es den Bullen so schwer wie nur irgend möglich.“ Doch auch dieser Aufruf verpuffte wirkungslos. Zur Solidaritätsdemo erschienen gerade mal 80 Teilnehmer. Frustriert greinte der Anarchie-Profi, ob denn allen der „anarchistische Aufbau scheißegal“ sei. „Seid ihr nur noch zum Saufen gut?“
„Der Kampf geht weiter!“
Amüsiert fragte daraufhin ein anderer Nutzer: „Anarchisten erscheinen nicht pünktlich zum Aufbau? Ja was denkst Du denn, warum man es Anarchisten nennt?“ Patzig erwiderte der Kleinkind-Irokese, der Fragesteller habe schlicht keine Ahnung von Anarchismus, um so gleich die Proteste gegen die Räumung auf Twitter anzufeuern. Der Kampf gehe schließlich weiter.
Das aber hatten die Besetzer der Teppichfabrik in Berlin offenbar nicht mitbekommen. Am frühen Mittag übergaben Polizei und Gerichtsvollzieher das geräumte Areal an den rechtmäßigen Eigentümer.