HAMBURG. Der Rechtsstreit zwischen dem Komiker Jan Böhmermann und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geht in die zweite Runde. Vor dem Hamburger Oberlandesgericht hat am Dienstag der Berufungsprozeß begonnen. Im Februar 2017 hatte das Landgericht Hamburg bestimmte Teile eines Schmähgedichts des ZDF-Satirikers verboten, durch das sich Erdogan in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt.
Beide Seiten hatten dagegen Berufung eingelegt. Während Erdogan über seinen Anwalt das komplette Verbot des Gedichts erreichen will, möchte Böhmermann es in voller Länge weiterverbreiten dürfen. Der türkische Präsident wird bei der heutigen Verhandlung von einem neuen Anwalt vertreten. Sein früherer Rechtsbeistand hatte das Mandat niedergelegt, nachdem Erdogan deutschen Behörden im vorigen Jahr Nazi-Methoden vorgeworfen hatte.
Böhmermann beklagt mangelnde Unterstützung
Hintergrund des Streits ist Böhmermanns in der ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ vom 31. März 2016 vorgetragenes Gedicht. Darin nannte er Erdogan einen „Ziegenficker“, der Minderheiten unterdrücke und Kinderpornos schaue. Erdogans Kopf sei „so leer wie seine Eier“; er sei „schwul, pervers, verlaust, zoophil und der Star auf jeder Gangbangfeier“.
Vor der Berufungsverhandlung zeigte sich Böhmermann enttäuscht über den deutschen Staat, von dem er sich mehr Unterstützung erwartet hätte. „Staatliche Akteure müssen die Grundrechte der Bürger schützen“, sagte er der Rheinischen Post. „Wenn es den Menschen selbst überlassen ist, sich vor Feinden der Meinungsfreiheit zu schützen, muß man den Staat in Frage stellen.“
Er beklagt: „Ich muß jetzt dafür einstehen, daß das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Deutschland geachtet wird. Dabei ist das gar nicht mein Job.“ Die Politik habe sich nach der Veröffentlichung des Gedichts falsch verhalten, sagte auch Böhmermanns Anwalt Christian Schertz dem Tagesspiegel. Vor allem Merkels Charakterisierung des Gedichts als „bewußt verletzend“ wenige Tage nach der ZDF-Sendung sei ein „ziemlicher Fauxpas“ gewesen. (tb)