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Religionswissenschaft: Die Autonomie des Heiligen

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Religionswissenschaft
 

Die Autonomie des Heiligen

Heute vor fünfundzwanzig Jahren, am 22. April 1986,starb Mircea Eliade. Er galt lange Zeit als der bedeutendste Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, der darüber hinaus für manche den Nimbus eines Gurus hatte. Wie kaum ein anderer betonte er die Wirklichkeit und Autonomie des Heiligen.
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Cato, Palmer, Exklusiv

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Mircea Eliade: Glaube an die Geburt eines „neuen Menschen“ Foto: Wikimedia

Jede Art von Nihilismus, selbst ein metaphysischer, war ihm fremd“, schrieb Emil Cioran über seinen Freund und Weggefährten seiner Jugend, Mircea Eliade. „Eliade glaubte an das Heil; er stand offenkundig auf der Seite des Untragischen, des Guten.“ Die beiden großen Rumänen, die häufig in einem Atemzug genannt werden, waren Antipoden.

Cioran, der radikalste und schwärzeste Verneiner unter den Philosophen des 20. Jahrhunderts, der Apologet des Suizids, den er selbst nie vollstreckte, vermochte nur das Nichts und die Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins zu sehen, während ihm jegliche Hoffnung, jeglicher Ausweg metaphysischer Natur als trügerische Täuschung und neurotische Selbstbelügung des Menschen erschien.

Ein Religionswissenschaftler mit dem Nimbus eines Gurus

Er war sich mit Eliade einig, daß, wenn Gott nicht existiert, „alles Asche“ sei. „Wenn es kein Absolutes gibt, das unserer Existenz Bedeutung und Wert verleiht“, dann habe sie, so Eliade, „keinen Sinn“. Doch das zu denken, würde nicht nur Verzweiflung bedeuten, sondern auch „eine Art Verrat. Denn es ist nicht wahr, und ich weiß, daß es nicht wahr ist.“

Der so sprach, galt lange Zeit als der bedeutendste Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, der darüber hinaus für manche den Nimbus eines Gurus hatte. Wenn sein Status von heutigen Vertretern seiner Zunft eher in Frage gestellt wird, dann hängt das eng mit der vielen peinlich gewordenen Entschiedenheit zusammen, mit der Eliade die Wirklichkeit und Autonomie des Heiligen betonte.

Die Gegner Eliades verweisen an dieser Stelle triumphierend auf seine Parteinahme für die rumänische Spielart des Faschismus, die „Eiserne Garde“ Corneliu Codreanus. Mitte der dreißiger Jahre gab es in Rumänien kaum einen jungen Intellektuellen, der sich der Faszination dieser radikal nationalistischen, fanatisch christlichen und antisemitischen Bewegung entziehen konnte.

Die Geburt eines „neuen Menschen“

Während Cioran allerdings vor allem von der kultischen Todesmystik der Legionäre angezogen wurde und versuchte, sich in einen furiosen Rausch des Irrationalismus hineinzusteigern, scheint Eliade von der „Garde“ tatsächlich die initiatische Geburt eines „neuen Menschen“ erhofft zu haben, eine genuin religiöse Vorstellung, die ihn zeitlebens ebenso als Wissenschaftler wie als Gottsucher und als vom Mythos Ergriffener fesselte.

Darin glich er in vielerlei Hinsicht dem Schweizer Psychoanalytiker C. G. Jung, der auf eine Wiedergeburt der Götter aus den Tiefen der menschlichen Seele setzte. Daß auch Jung zeitweise mit dem Faschismus sympathisierte, war wohl tatsächlich kein Zufall. Es waren eben stets die politischen Bewegungen der Rechten, die Partei ergriffen für die Transzendenz und das Sakrale, auch wenn sie dadurch oft eher Dämonen beschworen, wie der in blutigen Pogromen und Gewaltexzessen endende Gardismus.

Für Eliade war die „faschistische“ Episode weniger eine politische als eine spirituelle Station auf dem Weg einer lebenslangen Pilgerfahrt. Wie viele der vom Christentum ermüdeten Köpfe seiner Zeit, wandte er sich zunächst nach Osten und unternahm eine dreijährige Indienreise, die zur prägenden Erfahrung wurde. Frühe Fotos aus dieser Zeit zeigen ihn als jungen, selbstbewußten Asketen in indischer Tracht und mit Vollbart, von dem allerdings eine eigenartige Vitalität ausgeht.

Ein „Überflieger“ für die Hippie-Bewegung

Unter den Köpfen der „jungen Generation“ der dreißiger Jahre, die unter der Ägide des Philosophen Nae Ionescu standen, war Eliade der Star und „Überflieger“, wie Bernd Mattheus schrieb, als „Dozent, rastlos publizierender Essayist, Romancier, Indienfahrer, der von Geliebten belagert“ wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Eliade als Exilant in verschiedenen europäischen Ländern, ehe er 1956 auf den Lehrstuhl für Vergleichende Religionsgeschichte in Chicago berufen wurde, den er bis zu seinem Lebensende innehatte. Den Zenit seiner Bekanntheit erreichte er schließlich in den sechziger Jahren, als mit dem Auftreten der Hippie-Bewegung und ähnlichen Jugendsubkulturen das Interesse an Mythos und Magie neu aufflackerte.

Ob Eliades umfangreiches religionswissenschaftliches Werk diesen Zugang aber tatsächlich eröffnen kann, wird wohl ebenso offenbleiben wie die Frage, ob sich wahre Religion, die Rückkehr zum „Ursprung“ und zur spirituellen Heimat des Menschen denn tatsächlich auf dem „traditionalistischen“ Wege des spät-abendländischen, universell-synkretistischen Alleswissens finden und verwirklichen läßt. „Religion ist ursprünglich Handlung, nicht Glaube. Erst aus der Technik entwickelt sich die Theorie“, bemerkte Oswald Spengler. Indirekt hart fiel das Urteil Ciorans aus: „Wir alle sind, Eliade an der Spitze, ehemalige Gläubige, wir alle sind religiöse Geister ohne Religion.“

Es bleiben immer noch seine Romane und Erzählungen, in denen die Kraft der Imagination der Seele jene unmittelbare Nahrung gibt, die sie in trockenen Abhandlungen nicht finden kann. Mircea Eliade starb vor fünfundzwanzig Jahren, am 22. April 1986, in Chicago.

JF 17/11

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