Gegenwärtig, so hört man in Szenekreisen, stecke der Neofolk in einer Identitätskrise. Protagonisten lassen wie jüngst Uwe Nolte (Orplid) in einem Gespräch mit der Blauen Narzisse durchblicken, daß sie das Thema an sich mittlerweile für historisch abgeschlossen halten. Und in der Tat, gute Genreprojekte schließen sich erfolgreich mit breiteren neopsychedelischen Rocktraditionen kurz, und übrig bleibt ein etwas verloren wirkender Haufen, der sein Heil zunehmend in einer unernst wirkenden und bewußt schräg gehaltenen Volkstümlichkeit sucht.
Nicht so Darkwood. Ursprünglich aus dem brandenburgischen Finsterwalde kommend, hat dieses Projekt alle wichtigen Stationen der Genregeschichte durchlaufen. So debütierte man 1999 beim legendären englischen World-Serpent-Vertrieb und war mit unter den ersten, die auch deutsch sangen. Während jedoch andere lyrisch und im Auftreten vornehmlich ein romantisch suchendes, antimodernes und naturreligiöses Wollen pflegten, war bei Darkwood immer eine andere, expressionistische, aber auch kälter-kontrolliertere Dimension spürbar. Während die einen Goethe vertonten, präsentierten Darkwood mit einem sicheren Gespür für eine ganz eigene Vision den Hofgeismarer Arbeiterdichter Karl Bröger, um nur ein Beispiel zu nennen. Wenn es je einer Neofolk-Truppe gelang, mit einfachen Mitteln – Akustikgitarre, Elektronik, unauffälligem Gesang und Schlagwerk – preußische „Metaphern des Standhaltens“ zu vermitteln, dann Darkwood.
Allein dies gibt jedem Darkwood-Alben eine kleine Sonderstellung, einschließlich der natürlich gegebenen Gefahr, daß dieser Standhalte-Gestus in einer grundsätzlich anderen Popwelt befremdlich einstudiert, ja steif wirken kann. Man muß dies alles wissen, wenn man verstehen will, was für Fragen sich dem „Fan“ wohl stellen werden, wenn nun das achte, mit „Ins dunkle Land“ (Heidenvolk, HV 12) betitelte Album auf den Markt geworfen wird. Da nicht davon auszugehen ist, daß Darkwood atmosphärisch ihr angestammtes Terrain verlassen, um fortan „ausgeflippt“ zu sein, geht es für den Hörer vor allem darum herauszufinden, inwieweit es Darkwood diesmal gelingt, ihre Vision so zu verwirklichen, daß ihr tieftrauriger Folk-Stil nicht befremdlich wirkt, sondern wie eine Bestandsaufnahme eines spezifisch deutschen Verlusts erlebt wird. In der Hinsicht leistete bereits das 2006er-Album „Notwendfeuer“ Großes; deutschsprachiger Neofolk erreichte hier kompositorisch sein Limit.
Es ist also nur folgerichtig, daß das Projekt auf dem neuen Album ganz subtil, aber doch hörbar einen anderen Weg einschlägt. Das Thema Krieg und Verlust ist zwar ebenso wie die Referenzen an Georg Trakl, Ernst Jünger und Andrei Tarkowski nichts Neues, doch wird der deutsche Standpunkt zugunsten einer neblig gehaltenen Allperspektive ein wenig verlassen, was schon allein durch die vielen englischsprachigen Titel deutlich wird.
Herausgekommen ist ein faszinierendes Neofolk-Album, jedoch eines, was weit resignierender wirkt als alles, was auf diesem Gebiete jemals erschienen ist. Von dem Sozialphilosophen Peter Furth stammt der Aphorismus: „Was man der Resignation hoch anrechnen muß: Sie bewahrt den Fatalismus vor dem Zynismus.“ Das trifft die Atmosphäre dieses ungewöhnlichen Werkes sehr gut.
Foto: Darkwood, Ins dunkle Land: Deutscher Verlust