Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Diesen launigen Satz Helmut Schmidts wird der Leser in der im 13. Jahrgang monatlich erscheinenden Zeitschrift Visionen (Untertitel: „Spiritualität, Bewußtsein, Wellness“) mit Sicherheit nicht finden. Hier hält man es lieber mit den „großen Geheimnissen der Menschheit“, kritisiert die „eingefahrenen Erklärungsmuster der etablierten Wissenschaft“ und sieht „unser herkömmliches Denken an seine Grenzen stoßen“.
Doch leider stößt auch bei Visionen mancher Beitrag an Grenzen. So etwa der Text des Yogaseelenlehrers Soami Diviyanad. Der Yogi und Übersetzer der Veden, der sich nach eigenem Bekunden für die „interreligiöse Verständigung“ einsetzt, nennt das Christentum ein „Produkt sektiererischer Spaltung“ und „outet“ – ausgerechnet im Paulus-Jahr 2009 – als dessen „Erfinder“ den Apostel Paulus. Dieser habe durch „gezielte Täuschungsmanöver“ und einen „fingierten Sendungsauftrag“ die ursprüngliche Lehre Jesu verfälscht und sich zudem mit dem „Schwindel vom neuen Bund“ unberechtigt „in den Vordergrund gespielt“.
Eine genaue Spurensuche in der Apostelgeschichte und den kanonischen Evangelien findet indes für all diese kruden Vorwürfe keinerlei historisch nachweisbare Belege. Überraschend ist dies allerdings nicht, denn wenn es darum geht, dem Christentum „eins auszuwischen“, greifen inzwischen Zeitgeist und politische Korrektheit auch noch die absonderlichsten und plattesten Behauptungen begierig auf.
So trachtet auch die Autorin Beate Simmerock danach, in einem „Leben ohne Angst“ endlich „das wahre Ich zu finden“, um sich „in einer Zeit noch nie dagewesener Umwälzungen und ungewohnter Herausforderungen“ von den „begleitenden Existenz- und Erwartungsängsten zu befreien“. Doch sei es zuvor angebracht, daß „wir uns der Wahrheit über uns selbst stellen und die geistigen Gesetze anerkennen“. Wenn man der Autorin Glauben schenken möchte, ist es dafür jedoch erst einmal unbedingt notwendig, sämtliche „energetischen Verbindungen“ zu lösen und „den Intellekt (niederer Verstand) und die Intuition (höherer Verstand) in Einklang zu bringen“. Wer hätte das gedacht?
Wenig Erhellendes bringt auch der Beitrag eines Dozenten an der Möbelfachschule in Köln über „Bewegungen zum Geist“ und „Systemische Aufstellungen mit Fragen über Gott und die Seele“. Dafür wird für September dieses Jahres in Deutschland die „Aktivierung einer Energiewelle des Friedens und der Heilung durch mindestens 999 LichtarbeiterInnen, die ein kraftvolles Resonanzfeld dafür bilden“, angekündigt. Spätestens jetzt fallen einem Adornos Thesen gegen Esoterik, Spiritismus und Okkultismus und die Subalternität der Medien wieder ein, deren „läppische Offenbarungen“ er recht ungalant als „Metaphysik der dummen Kerle“ und „Hilfshypothesen des paranoischen Systems“ bezeichnete.
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