Die Bücher Joachim Fernaus, der am heutigen Freitag hundert Jahre alt geworden wäre, wurden zu seinen Glanzzeiten von Millionen Menschen gelesen. Sie galten der Mehrheit seines Publikums und den Feuilletons als bloße Unterhaltungslektüre, denen Ephraim Kishons vergleichbar, dem zweiten großen Zugpferd des Herbig-Verlags.
Unter der schnoddrigen Narrenkappe verbarg sich jedoch ein unerbittlicher Zeitkritiker, der einmal gestand, daß alles, was aus seinem Herzen komme, „auf der Barrikade geschrieben“ sei.
In der Maske des „Spaßvogels“ erlaubte sich Fernau ungeheure Ketzereien gegen bundesrepublikanische Denk- und Sprachregelungen, deren Implikationen nur wenige verstanden. Armin Mohler war einer der ersten, die den tiefen Ernst hinter Fernaus Erzählermasken erkannten: „Cäsar läßt grüßen“ etwa nannte er „eines der bittersten und sicher das furchtloseste Buch, das ein Deutscher nach 1945 geschrieben hat“.
Dabei haben Fernaus Ironie und Spöttelei nichts mit jener nihilistischen Attitüde gemein, die die Dinge zu entwerten, zu relativieren und lächerlich zu machen sucht. Seine Verneinungen verbergen nur um so größere Bejahungen, die auch heute noch den Biedermännern des Zeitgeists skandalös erscheinen müssen, seine Respektlosigkeit ist die Kehrseite einer tiefen Demut.
Fernau neu entdecken
Fernau war überzeugt, daß menschliche Größe etwas unendlich Kostbares, Seltenes und schwierig zu Erlangendes sei. Die Geschichte war für ihn eine Art „Katastrophe in Permanenz“ (Adorno), die nur gelegentlich durch geglückte, aber fragile Perioden unterbrochen wird.
Auch das „Deutschsein“, Thema seines wohl schönsten Buchs „Disteln für Hagen“, ist alles andere als ein unproblematisches Erbe. Die Bejahung der „deutschen Seele“ und Geschichte durch alle Abgründe und den Bruch von 1945 hindurch ist eines von Fernaus zentralen Themen.
Der Reiz seiner eigentümlichen Mischung aus abgeklärter Distanz („Clio ist kalt wie eine Hundeschnauze“) und emotionalem Engagement ist bis heute ungebrochen; die Themen, die ihm, wie er es ausdrückte, „auf der Haut brannten“, sind so dringlich wie eh und je. Deswegen lohnt es sich, zumal für Jüngere, Joachim Fernau neu zu entdecken.
Der Text ist der 16seitigen Sonderbeilage zum Leben und Wirken Joachims Fernau aus der aktuellen JF 38/09 entnommen.
Anläßlich von Fernaus hundertsten Geburtstag in in der Edition Antaios „Joachim Fernau – Leben und Werk in Texten und Bildern“ von Götz Kubitschek und Erik Lehnert erschienen.
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Leben
1909: Joachim Fernau wird am 11. September in Bromberg (Provinz Posen) geboren.
1920: Die Familie zieht ins schlesische Hirschberg um, dort besucht Fernau das Gymnasium und legt sein Abitur ab.
Ab 1930: Studium in Berlin und Arbeit als Journalist vor allem für die Telegraphen-Union und Blätter des Ullstein-Verlages.
1939–1945: Einberufung zur Wehrmacht, Abkommandierung zur Waffen-SS als Kriegsberichterstatter, Einsätze an der Ostfront in Rußland und in Frankreich.
1949: Fernau wird im Zuge der Entnazifizierung als „nicht belastet“ eingestuft. Arbeit als freier Journalist und Schriftsteller, auch unter dem Pseudonym „John Forster“.
1952: Veröffentlichung von „Deutschland, Deutschland über alles …“ Das Buch wird zu einem Bestseller.
1953: Veröffentlichung von „Abschied von den Genies. Die Genies der Deutschen und die Welt von morgen“ und „Fibel der Demokratie“
1954: Der „Bericht von der Furchtbarkeit und Größe der Männer“ erscheint. Später wird das Buch unter dem Titel „Hauptmann Pax“ veröffentlicht.
1955: „Heldentum nach Ladenschluß“ startet in den deutschen Kinos. Von Fernau stammt die Buchvorlage und das Drehbuch.
1958: Veröffentlichung von „Und sie schämeten sich nicht“ sowie „Knaurs Lexikon alter Malerei“.
1961: Veröffentlichung von „Rosen für Apoll. Die Geschichte der Griechen“.
1966: Veröffentlichung von „Disteln für Hagen. Bestandsaufnahme der deutschen Seele“.
1967–1970: Veröffentlichung von „Der Gottesbeweis“, „Wie es euch gefällt. Eine lächelnde Stilkunde“ und „Brötchenarbeit“.
1971: Veröffentlichung von „Cäsar läßt grüßen. Die Geschichte der Römer“.
1973–1976: In dichter Folge erscheinen die Romane „Ein Frühling in Florenz“ und „Ein wunderbares Leben“, der Erzählband „Die treue Dakerin“ sowie „Ernst und Schabernack“.
1977: Veröffentlichung von „Halleluja. Die Geschichte der USA“.
1981: Veröffentlichung von „Sprechen wir über Preußen. Die Geschichte der armen Leute“.
1988: Joachim Fernau stirbt am 24. November in Florenz. Beigesetzt wird er in München.