Der „Black Metal“ hat seit den Neunzigern einen weiten Weg hinter sich. Ursprünglich war diese meist rasend schnell gespielte Extremform des Metal eine Nischenmusik, die aufs engste mit „neuheidnischer“ oder gleich „satanischer“ Ideologie verbunden war. Jugendlichen Black Metallern geht es um eine diffuse Feindschaft. Auf Fotos setzt man sich archaisch in Pose, etwa mit „Kriegsbemalung“ und Streitäxten im Wald, um der gefühlten Entfremdung zur modernen Welt Ausdruck zu verleihen.
Bilder dieser Art werden das Image der Musik immer prägen, doch hat sich das Spektrum der Botschaften enorm erweitert und mitunter geradezu umgekehrt. So gibt es heute sogenannte „Unblack Metal“-Gruppen, die stilistisch und physiognomisch zwar kaum von den herkömmlichen Projekten zu unterscheiden sind, aber nun offensiv eine christliche Botschaft verkünden. Solche Formationen geben sich dann, den dramatischen Duktus ihrer Widersacher annehmend, Namen wie Light Shall Prevail (USA) oder Crush Evil (Norwegen).
Eine Armageddon-Inszenierung mit verteilten Rollen innerhalb einer Subkultur? Ein pubertärer Mummenschanz? Jein, denn genauso vielfältig wie die Botschaften ist der heutige Black Metal in seiner qualitativen Bandbreite. Eine Gruppe wie Wolves In The Throne Room (USA) durfte beispielsweise mit ihrem „ökosophischen“, von Rudolf Steiner, Otfried Eberz und Günter Bartsch (JF 35/06) inspirierten Folk-Black Metal schon auf der Berlinale auftreten – was freilich noch nichts über Qualität aussagt, aber zeigen kann wie breit diese Musik mittlerweile rezipiert wird. Woran liegt’s? Was ist das Besondere?
Zuerst wäre hier anzuerkennen wie sehr dieser Stil sich als inspiriert bis im Vollsinne „besessen“ versteht und Ausdruck einer ernsten Weltanschauung sein will. In dem Sinne ist etwa C. G. Jungs berühmter „Wotan“-Essay (1936), in dem er vom Aufbrechen eines furor teutonicus unter der dünnen Schicht christlich-aufgeklärter Kultur schrieb, ein für den neopaganen Teil des Black Metal wichtiges Referenzwerk geworden.
Dazu passend wird Black Metal als künstlerische Ausdrucksform weltweit zunehmend als Vehikel für kulturnationalistische Anliegen benutzt. Die taiwanesische Gruppe Chthonic, die zwar klingt wie eine westliche, kommerziell ausgerichtete Genre-Band, lyrisch aber taiwanesische Legenden verarbeitet und sich politisch für die Unabhängigkeit von China einsetzt, wäre so ein Fall. Zu Hause sind Chthonic echte Stars, in Europa aber noch weitestgehend unbekannt. Hört man sich den bombastischen Keyboard-Metal mit typischer Kreischstimme und „Er-Hu“-Begleitung (asiatische Violine) an, könnte ein relativer Durchbruch hier aber auch durchaus funktionieren.
Auch das aktuelle Album der erwähnten Wolves In The Throne Room, „Black Cascade“ (Southern Lord/Soulfood), wird von einigen, die mit der Musik bisher gar nicht in Berührung kamen, als großer Wurf gefeiert. Kennern scheint das übertrieben, dennoch ist die Gruppe wohl prädestiniert, um in die absonderlichen Welten des Genres einzuführen. Viele werden ihre Musik als puren, rauschenden Gitarrenkrach, nebst Geschrei empfinden, doch dem geübten Ohr offenbart sich inmitten des Getöses irgendwann eine eigentümliche romantische Sehnsucht und feine Melodien hinter eisigen Nebelschwaden.