Anfang der neunziger Jahre breitete sich der ursprünglich aus Seattle stammende Grunge Rock wie eine Seuche in der harten Musikszene aus. Wer langweiligen Indie-Rock und Punk mit Siebziger-Jahre-Hardrock mischte und dabei irgendwie nach Alice in Chains, Nirvana, Pearl Jam oder Soundgarden klang bekam einen oft hochdotierten Plattenvertrag nachgeworfen. Selbst Erfolgskapellen wie Metallica (aus der härteren Fraktion) oder Queensrÿche (aus der melodischeren Ecke) glaubten auf den Zug aufspringen zu müssen. Sie quälten ihre treuen Anhänger mit uninspiriertem Sondermüll wie „Load“ und „Reload“ bzw. „Promised Land“ oder „Hear In The Now Frontier“. In dieser Zeit entwickelte sich in Europa unter dem Schlagwort Black Metal die extremste der musikalischen Gegenbewegungen. Die Engländer von Cradle Of Filth oder die Norweger von Dimmu Borgir fanden sich zusammen und entwickelten sich musikalisch weiter. Mit ihrem inzwischen zum melodischeren Dark Metal gewandelten Stil zählen beide Bands heute zu den Besserverdienenden — und das in einer Zeit, wo die CD-Verkäufe wegen MP3 & Co. unaufhaltsam in den Keller gehen. Etwa genauso lange wie ihre unverkennbaren Vorbilder sind Stormlord aus Italien musikalisch aktiv. Bandgründer und Sänger Cristiano Borchi sowie seine fünf Mitspieler fabrizieren laut eigener Aussage zwar „Extreme Epic Metal“, doch auch mit ihrer neuesten CD „Mare Nostrum“ (Locomotive Records) dürften sie vor allem Dauerkonsumenten von melodischen Black/Dark Metal ansprechen. Speziell das Titelstück des Albums sowie das darauffolgende „Neon Karma“ und „And The Wind Shall Scream My Name“ enthalten alle Genrekennzeichen wie melodische Tastenklänge oder hintergründigen Damengesang. Lediglich das vorletzte Stück „Dimension: Hate“ trübt etwas den guten Eindruck der ansonsten empfehlenswerten dunklen römischen Dreiviertelstunde. Ebenfalls auf den Spuren nordischer Vorbilder wandeln Folkstone aus dem lombardischen Wälsch-Bergen (Bèrghem/Bergamo). Auch wenn der englische Name etwas anderes suggeriert — das Oktett spielt Mittelalter-Rock in der Tradition von In Extremo, Corvus Corax, Saltatio Mortis oder Schandmaul. Wie ihre deutschen Kollegen singen sie nicht auf englisch, sondern in der Regel im heimatlichen Idiom. Zum metallischen Grundgerüst von Gitarre, Bass und Schlagzeug kommen Dudelsäcke, Pommer (Bombarde), verschiedene Flöten, Drehleier, Harfe oder diverse Trommeln. Eine Besonderheit ist der von ihnen verwendete „Bergamo-Dudelsack“ Baghèt. Vergangenes Jahr brachten sie ihre erste Mini-CD unter dem Titel „Briganti di Montagna“ heraus, und in diesem Jahr nun folgt das ebenfalls in Eigenregie produzierte Album „Folkstone“ (Fuel Record). Und was darauf geboten wird, könnte auch von den deutschen Protagonisten stammen, obwohl bis auf zwei der zwölf Kompositionen alle Stücke aus der Folkstone-Feder stammen. „Avanti“ ist ein Lied aus dem 15. Jahrhundert und „Igni Cena“ ein Tribut an die rheinischen Vorbilder Schelmish. Wer Folkstone leibhaftig in Deutschland erleben will kann dies am 21. September — am Schlußtag auf Europas größter Mittelalter-Veranstaltung, dem dreitägigen Festival Mediaval (www.festival-mediaval.com) im oberfränkischen Selb.
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