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Brückenbauer zum fernöstlichen Denken

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Das Deutschtum am Rhein hochzuhalten, die Liebe zur rheinischen Heimat und zum deutschen Volkstum zu pflegen“ – mit diesen Worten umriß in einem Rundschreiben vom 2. September 1923 der 18jährige Heinrich Dumoulin, damals niederrheinischer Gauleiter im katholischen Schülerbund Norddeutschland (ND), die besondere Aufgabe der jungen Katholiken in dem von alliierten Truppen besetzten Rheinland. Er ahnte damals sicher noch nicht, daß er sechs Jahrzehnte seines Lebens fern von Deutschland in Japan verbringen und daß seine Lebensarbeit die Erforschung des fernöstlichen Denkens, insbesondere des Zen-Buddhismus, sein würde. Als einer der weltbesten Kenner des Buddhismus hat Heinrich Dumoulin (1905-1995) dem deutschen Ansehen in Asien gedient, wie dies vor ihm schon andere Ordensleute getan hatten. Über viele Jahre hinweg hat Dumoulin einen wichtigen Beitrag zum christlich-buddhistischen Dialog geleistet und den Zen-Buddhismus mit seinen Meditationsweisen den Europäern nahezubringen versucht. Wer dem alten Heinrich Dumoulin begegnete, war erstaunt, wie stark dieser in Auftreten und Verhalten Japanisches angenommen hatte. Und doch war er innerlich ganz stark der rheinisch-deutschen Heimat verbunden geblieben. Dumoulin wurde vor hundert Jahren am 31. Mai als Sohn eines Notars im niederrheinischen Wevelinghoven (bei Neuss) geboren. Als ND-Führer entfaltete er bei seiner außergewöhnlichen Begabung ein mitreißendes Wirken für den Durchbruch zu jugendbewegtem Geist und jugendbewegten Formen. 1923 war Dumoulin führend beteiligt an der Ausformulierung der ND-Programmatik (Hirschberg-Programm: „Neue Lebensgestaltung in Christus“). In der bedrückenden Lage von Ruhrkampf, Inflation, Massenverelendung und drohendem Separatismus deutete Dumoulin in einem Gaurundbrief vom August 1923 eine Zukunftsperspektive an: „Wir suchen den Weg zur Volksgemeinschaft und glauben, und das mit Recht, daß wir als Gebildete, als geborene Führer des Volkes den inneren Zusammenhang, den seelischen Kontakt mit dem Volk wieder finden müssen … Führer zur Volksgemeinschaft können wir nur werden, wenn wir zunächst selbst opfern und dienen.“ Die damalige „völkisch-nationalistische Bewegung“ aber lehnte er ab, weil sie ihrem Wesen nach „chauvinistisch“ war. Nach dem Abitur trat Dumoulin in den Jesuitenorden ein und wurde schon im Noviziat für die Japanmission bestimmt. Damit schied er für weitere Versuche aus, mit Hilfe des ND-Bundes, der von den Jesuiten stark beeinflußt war, eine katholische Elite für ein neues Deutschland aufzubauen. Nach theologischen, philosophischen und philologischen (japanologischen) Studien wurde Dumoulin 1933 zum Priester geweiht. Im Oktober 1935 nahm er in Japan seine Studien (japanische Religionsgeschichte und Kultur) wieder auf. Er schaffte es als einer von ganz wenigen Europäern, in Japan den philosophischen Doktorgrad (Doktor der Kulturwissenschaft) zu erlangen. 1942 begann er mit seiner Lehrtätigkeit an der Philosophischen Fakultät der katholischen Sophia-Universität in Tokio. Daneben war Dumoulin als Seelsorger tätig. Seine Studien führten ihn auf Forschungsreisen durch mehrere asiatische Länder. Als Professor für Philosophie und Religionswissenschaft leitete er bis zu seiner Emeritierung das Forschungsinstitut der Sophia-Universität für östliche Religionen. In seinen deutschen Veröffentlichungen trat Dumoulin falschen Vorstellungen über den Buddhismus entgegen: „Als ob die Buddha-Religion freudlosen Pessimismus, lebensuntüchtige Passivität oder gar ehrfurchtslosen Atheismus pflege.“ Andererseits sollte der christlich-buddhistische Dialog keine Verwischung der Unterschiede bringen: „Wo die Annäherung am nächsten scheint, tritt der wesentliche Unterschied am klarsten hervor.“ Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) war Dumoulin 15 Jahre lang Berater des päpstlichen Sekretariats für den Dialog mit den nicht-christlichen Religionen. Die westliche Welt, davon war er zutiefst überzeugt, könne von Asien sehr viel lernen: „Was die Kultur der Seele betrifft, so hat Asien einen Vorsprung vor Europa von zweitausend Jahren.“ „Ich bin doch nur ein einfacher Missionar“ Auch im fernen Japan blieb der Jesuit seiner rheinisch-deutschen Heimat stets verbunden: durch konzentrierte Lektüre, durch Briefkontakte und durch gelegentliche Deutschlandbesuche. Sehr aufmerksam verfolgte er den Ablauf der deutschen Wiedervereinigung. Einem niederrheinischen ND-Bundesbruder schrieb er auf Silvester 1990: „Ja, es bleiben bei aller Freude über den Umschwung viele Sorgen, wie ich bei meinem kurzen Aufenthalt in Deutschland im vergangenen Herbst sehen konnte.“ Ohne Schönfärberei kommentierte er die Zeitereignisse: „Wir stecken in einer harten Umbruchzeit, inzwischen nicht nur religiöser, sondern auch politischer und kultureller Hinsicht. Noch ist kein Licht am Tunnelende abzusehen, aber wir bewahren doch Mut und Hoffnung. ‚Uns geht die Sonne nicht unter!‘ So sangen wir in Neudeutschland, und die Melodie kommt mir zuweilen hoch.“ (Der Pater spielte dabei auf das Lied „Wilde Gesellen, vom Sturmwind durchweht“ an, das Jugendbewegte in seiner Jugendzeit und noch später gern anstimmten.) Ein Kölner Prälat besuchte den fast 90jährigen Jesuiten in Japan: „Der enge Raum war zugepackt und vollgestapelt mit Büchern. In einer Ecke ein erbärmliches Bett, daneben ein winziges Waschbecken, der Schreibtisch beladen mit Manuskripten; dämmriges Licht. Jesuitische Kargheit.“ Voller Bescheidenheit sagte Dumoulin dem Besucher: „Ich bin doch nur ein einfacher Missionar.“ Vor zehn Jahren, am 21. Juli 1995, starb Heinrich Dumoulin in Tokio nach längerer schwerer Krankheit.

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