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Weder Tragik noch Hoffnung, nur Purzelbäume

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Anton Tschechows „Drei Schwestern“, lebende Leichname, sehnen sich nach Moskau, denn dort, glauben sie, tobe das richtige Leben. Das war – unter anderem – der Geist, aus dem die Revolutionen von 1905 und 1917 hervorgingen. 1989 wurde in der DDR auf den Brettern, die die Welt ersetzten, Volker Brauns Tschechow-Adaption „Die Übergangsgesellschaft“ gespielt. Diesmal waren es die drei Töchter eines alten Parteifunktionärs, denen Elan und Lebenssinn abhanden gekommen waren. Beim Verlassen des Theaters wußte man, die DDR ist am Ende. Das Publikum schwankte zwischen Bangen – ein Blutbad wie in Peking war nicht ausgeschlossen – und Hoffen: Hinter der Mauer würden sich neue, endlose Horizonte entrollen … Doch einer, Frank Castorf, schien damals schon zu wissen, daß da nichts dran war. Seine Theaterproduktionen vor 1989 zeigten, daß ihn die DDR bereits nicht mehr interessierte, als sie noch weste. In ihrer Perspektivlosigkeit war die des Westens schon inbegriffen. Einer seiner größten Erfolge nach 1990 war eine Kompilation aus Heiner Müllers „Die Schlacht“ und der Komödie „Pension Schöller“. Der Geschichtstragiker gerät in ein Hotel, das er durch ein Mißverständnis für ein Irrenhaus hält. Und siehe da, es gibt weder Tragik noch Hoffnung, nur irre Purzelbäume! Zugegeben, Castorfs Stil mit Krawall, Videos und fliegendem Kartoffelsalat geht einem schnell auf die Nerven, aber ihn auf den linken DDR-Clown zu reduzieren, wie Konrad Adam es jüngst anläßlich seiner Entlassung bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen (JF 29/04) getan hat, ist grundfalsch. So sehr man sich nach der bittersüßen Melancholie Tschechows mit ihrer transzendierten Hoffnung, inszeniert von Peter Stein, zurücksehnen mag, das aktuelle Lebensgefühl wird bei Castorf verhandelt. Dem konservativen Publizisten aber fällt es genauso schwer wie dem DGB anzuerkennen, was längst Sache ist.

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