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Fünfzig Jahre nach der Uraufführung zeigte sich endlich auch die Wiener Staatsoper den künstlerischen Ansprüchen von Benjamin Brittens Oper „Billy Budd“ gewachsen. Nicht ganz so lange hatte es gebraucht, den sowieso schon recht durchsichtigen Schleier zu lüften, den Britten und seine Librettisten Edward Morgan Forster und Eric Crozier um ihre Adaption von Herman Melvilles gleichnamiger Erzählung zu legen suchten, war doch 1951 der Homosexuellen-Paragraph auch in Großbritannien noch in Kraft. Den alten Kapitän Vere quälen Erinnerungen an seine Dienstzeit auf der „Indomitable“, der „Unzerstörbaren“, 1797, dem Jahr der großen Meutereien während der Koalitionskriege gegen Frankreich: Die Schönheit und Unschuld des jungen Seemanns Billy Budd, der früher auf der „Rights o‘ Man“, der „Menschenrechte“, gedient hatte, weckte den Haß des Waffenmeisters John Claggart. Der bezichtigte Billy Budd der Meuterei. Weil Billy vor Erregung die Worte wegblieben, wußte er sich nicht anders als durch einen Faustschlag zu verteidigen, der Claggart tötete. Kapitän Vere entschied nach Kriegsrecht, gegen die Unschuld, gegen sein Gefühl. Billy Budd wurde am Hauptmast gehängt. Dem alten Vere bleibt der Trost, dem toten Jungen bald nachfolgen zu dürfen. Er weiß sich der Vergebung Billy Budds sicher. Die Aufnahme von 1967, die Britten selbst dirigierte (Decca), beruht auf der gestrafften zweiaktigen Fassung von 1961. Britten hatte die dramatische Ansprache des Kapitän Vere am Ende des ersten Akts gestrichen, weil der Tenor Peter Pears, Brittens Lebensgefährte, sich ihr stimmlich nicht gewachsen glaubte. Kent Naganos Einspielung von 1997 bewies erstmals die Lebensfähigkeit der vieraktigen Originalfassung (Erato), wenngleich Thomas Hampson die Titelpartie mit befremdend milieuferner Noblesse anging. Mit gutem Grund verwendet auch die Aufführung der Wiener Staatsoper, deren Premiere am 12. Februar 2001 der österreichische Rundfunk mitgeschnitten hat (Orfeo C 602 033 D), die vieraktige Fassung, ermöglicht sie doch, die ganze widersprüchliche Persönlichkeit des Kapitän Vere zu zeigen, nicht nur den kontemplativen Plutarch-Leser, sondern auch den militärischen Führer, der seiner Mannschaft durchaus noch andere als Flötentöne beizubringen weiß. Es sind vor allem drei Sänger, die den archaischen Kampf des Bösen gegen das Gute und die Ohnmacht des Gesetzes, den Kampf für das Gute zu entscheiden, rückhaltlos zu gestalten wissen. Der Amerikaner Eric Halvarsson setzt die Schwärze seines Basses mit der dunklen Seele des Waffenmeisters voll in eins. Ist die Partie des Billy Budd nur durch äußerst reflektierten Gebrauch stimmlicher Gestaltungsmittel zu erfüllen, welcher jahrelange sängerische Erfahrung voraussetzt, so kann die Gutgläubigkeit des Jungen wiederum nur ein jüngerer Darsteller glaubhaft spielen, ohne auf Manierismen zu verfallen. Mit seiner Interpretation der Titelrolle, kulminierend in dem „Lullaby“ des verurteilten Billy, da dem Hörer alle Zeit abhanden kommt und aller Atem aussetzt, hat der dänische Bariton Bo Skovhus Operngeschichte gemacht. Der amerikanische Tenor Neil Shicoff trägt Veres Zerrissensein zwischen Pflicht und Neigung ohne jede falsche Attitüde aus – und fast will es scheinen: in sich, dem Sänger, selbst -, der sich selbst vernichtet und durch Billy Budd doch gerettet weiß. Insbesondere im dritten und vierten Akt bekommt die Aufführung unter dem Dirigat Donald Runnicles die Wucht einer antiken Tragödie. Wer sie gehört hat, wird sie so schnell nicht vergessen können. Sie steht auf der Bestenliste des Preises der Deutschen Schallplattenkritik. Zu Recht.

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