Die meisten kennen ihn wohl als den listigen Gegenspieler der drei Musketiere: Kardinal Richelieu. In dem Roman von Alexander Dumas erscheint der machtbewußte Kleriker als Intrigant von hohen Graden, als eine Art J. R. der Frühen Neuzeit. Daß der Schöpfer des modernen Frankreichs vor allem aber ein Virtuose der Selbstinszenierung war, zeigt die Ausstellung „Kunst, Macht und Politik“, die zur Zeit im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zu sehen ist. Stolz blickt der Kardinal den Besucher an. Gekleidet in der roten Kardinalsrobe wirkt Richelieu wie der geborene Staatsmann. Dem Maler Philippe de Champaigne gelingt es hier, die tatsächlichen Machtverhältnisse im Frankreich des Dreißigjährigen Krieges einzufangen. Der Erste Minister wird stehend dargestellt, in einer Pose, die traditionsgemäß eigentlich nur seinem Souverän, dem König, zusteht. Doch der schwächliche Ludwig XIII. hatte kein wirkliches Interesse an der Politik. Er überließ nur zu gerne dem politisch ambitionierteren Kardinal die Staatsführung. Betrachtet man die Gesichtszüge Richelieus auf Champaignes Gemälde, so erblickt man einen eleganten, ja fast schon grazilen Mann mittleren Alters. Listig blicken einen kleine dunkle Augen aus einem fein geschnittenen Gesicht an, das von einem grauen Spitzbart dominiert wird. Kein Wunder, daß der Kardinal auch heute noch gerne in Zeichentrickverfilmungen des Dumas-Romans als Fuchs dargestellt wird. Mit diesem Vergleich dürfte Richelieu durchaus zufrieden gewesen sein. Werden dem Fuchs doch genau die Eigenschaften zugeschrieben, denen er im hohen Maße bedurfte, wollte er seinem politischen Ziel näherkommen: der Formierung der „Grande Nation“. Innenpolitisch entmachtete Richelieu den Adel und schuf somit die Basis für einen straff durchorganisierten Zentralstaat. Er gewann den Kampf gegen die Hugenotten, war aber auch klug genug, nach seinem Sieg Nachsicht walten zu lassen, um die aufmüpfigen Protestanten in das Staatswesen einzubinden. Außenpolitisch lag das Hauptziel des strategisch denkenden Kirchenfürsten darin, die Macht des Hauses Habsburg einzudämmen. Hier schreckte er sogar nicht davor zurück, während des Dreißigjährigen Krieges Frankreich an die Seite des protestantischen Königs von Schweden, Gustav Adolf, zu führen. Für alle diese politischen Großleistungen bedurfte es einer Unmenge an Kraft und Durchsetzungsvermögen. Richelieu mußte also darauf achten, daß in der französischen Gesellschaft nicht zu sehr das Bild von dem asketischen und frommen Kardinal dominierte. So erhob er Einspruch gegen eine Marmorbüste Berninis. Hätte man einer Person mit einem Gesicht, das solche feinen Züge trägt, abgenommen, die Kraft aufzubringen, Frankreich neu zu formen? Vielleicht liegt der Grund für Richelieus Sensibilität in dieser Frage darin, daß ihm an seiner Wiege keineswegs gesungen wurde, einmal zum Premier Ministre seines Königs aufzusteigen. Aus verarmtem Landadel stammend und von Geburt an von schwächlicher körperlicher Konstitution, mußte er sich mühsam emporarbeiten. Aber dank seiner geistigen Eloquenz und seines Ehrgeizes wurde er mit 21 Jahren bereits zum Bischof geweiht. Zwei Jahre früher als erlaubt. Der Ausspruch des damaligen Papstes, Paul V., sollte wie ein Motto über seinem Lebens stehen: „Dieser Junge wird ein großer Spitzbube werden.“ Und in der Tat assoziierten wohl nicht wenige Zeitgenossen Richelieus das Rot in seiner Kardinalstracht weniger mit christlicher Liebe als mit Blut. Der Kirchenfürst erwies sich in der praktischen Politik als durchaus weltlich. So ließ er unbarmherzig die hohen Steuern bei den verarmten Bauern eintreiben. 1636 wurde gar von einer aufgebrachten Menge der Tod des Kardinals gefordert. Ein Hauch von Revolution lag bereits in der Luft. Auch dieses soziale Elend fand Ausdruck in der zeitgenössischen Kunst. Beispielhaft stehen hierfür George de La Tours „Leierkastenmann“ und Callots zerlumpte Elendsgestalten. Doch statt sich Gedanken über die Lösung dieser sozialen Probleme zu machen, gehörte die Aufmerksamkeit des Rote-Roben-Trägers den schönen Künsten. Insbesondere die Literatur hatte es ihm angetan. Er gehörte zu den Förderern Corneilles, auf ihn geht die Gründung der Académie francaise zurück. So gelingt es der Kölner Ausstellung, sowohl die Licht- als auch die Schattenseiten des Kardinals und seiner Zeit zu zeichnen. War er der große, einzigartige Staatsmann oder ein unbarmherziger Tyrann? Eine eindeutige Antwort wird hier nicht zu geben sein. Auf jeden Fall hat er einen wichtigen Teil der Geschichte Frankreichs und Europas geprägt. Und das ist allemal ein Grund, sich näher mit ihm zu beschäftigen. Die Ausstellung „Richelieu. Kunst, Macht und Politik“ ist bis zum 21. April im Kölner Wallraf-Richartz-Museum, Martinstraße 39, zu sehen. Info: 02 21 / 2 11 19 Bild: Henri Motte, „Richelieu auf dem Deich von La Rochelle“ (1881): Großer Staatsmann oder Tyrann?