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Fafner in Schwabing

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Wenig ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Vom „Nazi-Schatz“ in einer „vermüllten Rentner-Wohnung“, von „Raubkunst“ zwischen vergammelten Essensresten in einem verdunkelten Apartment in München-Schwabing sensationstitelte der Focus am Wochenende.

Zwei Tage und eine Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft weiter stellt sich das Bild schon differenzierter dar. Da erfahren wir, daß die – 1406, nicht 1500 – Bilder sachgemäß gelagert und in sehr gutem Zustand gewesen seien; und es zeigt sich, daß es auch mit der „Raubkunst“ denn doch nicht so einfach ist. Der Vater des Besitzers, Hildebrand Gurlitt, war Kunsthändler gewesen, nicht Kunsträuber.

Nur wenige Werke stammen wohl tatsächlich aus jüdischen Sammlungen; dem Verkauf eines Bildes aus der Kollektion Flechtheim 2011 ging eine diskrete Einigung mit dessen Erben voran. Ob Gurlitt die Bilder rechtmäßig erworben hat oder nicht, ist damit nicht gesagt; das Washingtoner Rückgabeabkommen bindet im übrigen Staaten, nicht Privatsammler. Einige Werke sollen zudem gänzlich unbekannt gewesen sein.

Wer ist da nun der Räuber?

Was der NS-Staat aus staatlichen Museen entnehmen und über Kunsthändler wie Gurlitt verkaufen ließ, hat er allenfalls sich selbst, oder vielmehr seinen Bürgern gestohlen und nicht den Künstlern, die ihre Bilder den Museen zuvor verkauft hatten. Einiges spricht dafür, daß Gurlitts mittlerweile 80jähriger Sohn Cornelius seine Kunstsammlung, zumindest den größten Teil davon, rechtmäßig besessen hat.

Auf diesen „Schatz“ hat nun der Staat seine Hand gelegt, genauer gesagt: der Zoll, der gleich die ganze Sammlung beschlagnahmt hat und an unbekanntem Ort verwahrt. Und das schon seit anderthalb Jahren, und wenn es nach der Staatsmacht gegangen wäre, wüßte die Öffentlichkeit auch heute noch nichts davon. Das verträgt sich schlecht mit dem suggerierten Ziel, „Raubkunst“ den rechtmäßigen Eigentümern zurückgeben zu wollen.

Seltsam zumindest auch der Anlaß von Razzia und Beschlagnahme: Ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich, Cornelius Gurlitt, wird nahe der Schweizer Grenze mit 9.000 Euro in bar angetroffen. Unterhalb der deklarationspflichtigen 10.000-Euro-Grenze, aber Bargeld und Eigentum sind nun mal verdächtig. Entsprechend schnell ist es weg. Permanent geldhungrige Umverteilungsstaaten kennen bekanntlich kaum einen besseren Grund zum gnadenlosen Zuschlagen als den „Verdacht auf Steuerdelikt“. Wer ist da nun der Räuber – das Mißtrauen der kommentierenden Leser spricht Bände.

Einen „Nazi-Räuber“ stellt man sich anders vor

Schon beim Blick in die Geschichte ist nicht alles so schwarz-weiß, wie es manche Kommentatoren gerne hätten. Wer war Hildebrand Gurlitt? Ein Kenner, promovierter Kunsthistoriker, Förderer der „Modernen“, von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Großmutter schon vor der Machtergreifung kaltgestellt, später wegen seiner exzellenten internationalen Kontakte reaktiviert, um mißliebige „entartete Kunst“ im Ausland zu Devisen zu machen, die der nationalsozialistische Staat, wie übrigens jedes von der Substanz lebende sozialistische Wirtschaftssystem, dringend benötigte.

Einen „Nazi-Räuber“ stellt man sich anders vor. Von den Amerikanern, die Teile der Sammlung bereits kurz nach dem Krieg beschlagnahmt hatten, erhielt Gurlitt übrigens seine Bilder nach Jahren wieder zurück. Man darf gespannt sein, wie’s beim bayerischen Staat laufen wird.

Welch ein Szenario, wenn es denn stimmt: Die Sammlung, die Hildebrand Gurlitt selbst erworben hat, erklärte der Dresdener Sammler für im Feuersturm vernichtet, was die Fachwelt anscheinend bis heute akzeptierte. Tatsächlich jedoch hat er sie offenkundig seinem Sohn Cornelius vermacht. Der saß darauf mehr als ein halbes Jahrhundert lang, wie Fafner auf dem Rheingold, nur daß er ab und zu ein Stück daraus veräußerte, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Frage nach Eigentum und der Verantwortung daraus

Wie ist das wohl für einen Mann der Kunst, eine Sammlung zu besitzen, die ein eigenes Museum von Weltrang füllen könnte, und sie niemandem präsentieren zu können, nicht einmal einem diskreten Kunsthändler oder Auktionator? Warum das Versteckspiel: Schlechtes Gewissen, oder – berechtigte – Furcht vor neuerlicher willkürlicher Beschlagnahme?

Es fällt leicht, einen betagten Sonderling, der mit seinen Salzburger Nachbarn jahrzehntelang kein Wort wechselte, zum enteignungswürdigen Quasi-Nazi-Profiteur zu stempeln. Wem gehört ein Kunstwerk: Dem, der es erworben hat? Oder der Allgemeinheit, als Kulturerbe? Über dem Fall steht nicht nur die Frage nach dem Eigentum, sondern auch nach der Verpflichtung daraus.

Die Gurlitts, Vater und Sohn, sind die eigentlich faszinierenden und tragischen Figuren in dieser Geschichte. Gerne erführe man mehr über sie. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt wußte auf Nachfrage nicht mal zu sagen, ob Cornelius Gurlitt überhaupt noch lebt.

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