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Der Johannes Rau aus dem Osten

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Das war peinlich! Die Europa-Rede von Bundespräsident Joachim Gauck enthielt weder konkrete Problem- noch allgemeine Lageanalysen. Keine geistig-kulturellen Horizonte wurden aufgerollt, keine realistischen Perspektiven aufgezeigt. Der Präsident bot nur eine Apologetik der sogenannten Euro-Rettung. Fazit: Wir sollen das Maul halten und zahlen! Während die Brüsseler Bürokratie 80 Prozent der im Bundestag verabschiedeten Gesetze vorformuliert, redet Gauck von der EU als Hort und Schirm von Freiheit und Demokratie.

In der DDR hat er erfahren, wie die offizielle Terminologie eine Welt der Lüge konstitutiert. Nun kultiviert er selber das „Kaderwelsch“ (Bertolt Brecht), versetzt mit einem Schuß von pastoralem Pathos. Er ist ein Mann des Apparats geworden – beziehungsweise der Apparat hat sich als stärker erwiesen.

Das Fremdschämen vor dem Fernseher erreichte einen Höhepunkt, als Gauck sich an die „lieben Engländer etc.“ wandte und sie zum Bleiben im EU-Club aufforderte. So sprechen normalerweise Erwachsene zu beschränkten Kindern, doch hier lag die Infantilität ganz klar auf Seite des Bundespräsidenten. Gegen die britische Politik läßt sich eine Menge sagen, aber Premierminister David Cameron hatte in seiner Europa-Rede die Argumente, die gegen die EU in ihrem heutigen Zustand sprechen, sehr präzise dargelegt. Gauck antwortete darauf mit Worthülsen.

Aus Gauck spricht der bieder-treuherzige Michel

Er erklärt sich zum Europäer, ohne viel von der europäischen Geschichte zu verstehen. Sonst wüßte er zum Beispiel, daß Camerons Rede ein später Abglanz des alten, kühlen Machtpragmatismus war, der die Engländer einst ein Weltreich erobern ließ. Dieser Pragmatismus blieb unbeeindruckt von Sentimentalitäten, kalkulierte sie bei den anderen aber ein. Die Briten werden in der EU bleiben, wenn sie sich Vorteile davon versprechen. Sie werden sie verlassen, wenn sie meinen, daß die Nachteile dauerhaft überwiegen. Allenfalls ein Donnerwort aus Washington, das Großbritannien in Brüssel als Trojanisches Pferd benötigt, könnte sie davon abhalten. Aus Gauck aber sprach der bieder-treuherzige Michel, der glaubt, die anderen durch die Demonstration eigener Arg- und Harmlosigkeit beeindrucken zu können.

Auf der gleichen Ebene lag die Versicherung, man wolle kein „deutsches Europa“, sondern ein „europäisches Deutschland“. Natürlich ist Deutschland „europäisch“, so wie Frankreich, Polen, Schweden es ebenfalls sind. 80 oder 90 Prozent haben die Europäer gemeinsam, der Rest sind ihre nationalen Spezialitäten. Unsere Nachbarn werden selber dafür sorgen, daß die zehn oder 20 Prozent, die das Besondere an Deutschlands ausmachen, ihnen nicht als neuer Wesenskern aufgedrängt wird. Die tautologische Leerformel drückt nichts weiter aus als die deutsche Unsicherheit und Unterwürfigkeit und lädt die anderen zur moralischen Erpressung Deutschlands ein.

Gauck hat, wie gesagt, in der DDR ein Reich der Lüge erlebt. Anscheinend hat ihn das zu dem Umkehrschluß geführt, daß die Bundesrepublik ein Reich der Wahrheit darstelle. Im Brustton tiefster Ergriffenheit erklärte er: „War es doch unser Land, dem die westlichen Siegermächte (…) gleich nach dem Krieg Hilfe und Solidarität zuteil werden ließen.“ Gibt es im gesamten Bundespräsidialamt niemand, der Konrad Adenauers Berner Rede vom März 1949 parat hat, in der der spätere Kanzler eben diese Siegermächte (am wenigsten die Amerikaner) anklagte, den Wiederaufbau  zu sabotieren und damit das Leiden der Deutschen zu verlängern?

Gauck offenbart seine Grenzen

Seine Europa-Rede hat letzte Zweifel und Hoffnungen beseitigt. Joachim Gauck erweist sich als das östliche Gegenstück zu seinem Vor-Vor-Vorgänger, dem Laienprediger Johannes Rau. Der 73jährige hat seine intellektuellen, habituellen und institutionellen Grenzen offenbart. Das war’s!

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