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Studienzentrum Weikersheim, Burg Lichtenberg

Das deutsche Jahrhundert (I)

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Wer im Frühjahr des Jahres 1918 in Deutschland für einen Augenblick Zeit zum Durchatmen und zum Analysieren der Gesamtsituation hatte, für den konnten sich erstaunliche Perspektiven auftun. Im vierten Kriegsjahr hatte sich das Deutsche Reich gegen die Kriegsgegner mehr als nur behauptet.

Die ursprünglich französisch-russische Koalition „zur Eroberung Deutschlands und zu seiner Aufteilung in Kleinstaaten“, (wie sich der russische Zar bei Vertragsunterzeichnung ausgedrückt hatte) war gesprengt. Rußlands Zaren hatte man seinerseits abgesetzt und sein Reich war sowohl revolutioniert wie zerteilt worden. In Mittel- und Osteuropa hatte Deutschland dafür gesorgt, daß die Umrisse der im Jahr 2013 existierenden Staatenwelt zum ersten Mal erkennbar wurden. Staaten wie Polen, die baltischen Länder, die Ukraine oder auch Georgien entstanden zum ersten Mal seit langem oder überhaupt zum ersten Mal.

England und Frankreich auf Amerikas Unterstützung angewiesen

Im Westen konnten die deutschen Kriegsgegner – zu Frankreich hatte sich zu Kriegsbeginn damals einigermaßen überraschend auch noch Großbritannien gesellt – den Krieg aus eigener Kraft schon lange keinen einzigen Tag mehr länger führen. Was sie aufrecht erhielt, das waren amerikanische Waffen, amerikanischer Kredit und zunehmend auch amerikanische Soldaten.

So konnte es aussehen, als sei das ursprünglich ausgegebene deutsche Kriegsziel, sicher vor weiteren russisch-französischen Aggressionen zu sein, tatsächlich erreicht worden. Die neu entstandene Staatenwelt in Mittelosteuropa konnte sogar eine Zukunft aufzeigen, in der Deutschland und Österreich-Ungarn in der neuen strategischen Sicherheit und bei einigermaßen beibehaltenem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum eine der ersten Stellungen in der Weltpolitik zufallen würde. Das 20. Jahrhundert konnte vielleicht ein deutsches Jahrhundert werden.

Solchen Aussichten stand nun allerdings ein Imperium aus Übersee entgegen. In Washington gedachte man die Maßstäbe der Weltpolitik künftig selbst festzusetzen und eine gleichberechtigte deutsche Stellung war dabei nicht vorgesehen. Insofern spitzte sich die Situation im Jahr 1918 zunehmend auf eine Frage zu: Wie weit wollten die Vereinigten Staaten den Konflikt mit Deutschland treiben?

Das Jahrhundert wurde ein amerikanisches

Die Antwort wurde bekanntlich gegeben. Hinter der Proklamation des amerikanischen Präsidenten Wilson, in der neuen Weltordnung dürfe kein Staat dem anderen seine innere Ordnung vorschreiben, stand die amerikanische Absicht, genau dies umfassend zu tun. Mit Blick auf Deutschland lief das auf eine Unterwerfung unter amerikanische Maßstäbe hinaus, die nicht ohne vollkommene Niederlage und Revolution des Kaiserreichs befriedigt werden konnten.

Letztlich sollte das 20. Jahrhundert dann ein amerikanisches und kein deutsches werden. Die Entscheidung darüber war im Jahr 1918 für einige Monate tatsächlich offen und hing sowohl von Entwicklungen in Berlin wie in Washington ab. Daß es diese Situation gegeben hat, ist in der Folgezeit aus nachvollziehbaren Gründen in Vergessenheit geraten – was doch als Versäumnis gesehen werden muß.

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