„Eine irgendwie angemessene Gegenleistung dafür war nirgendwo in Sicht.“

Ich würde sagen, die Ost-Verträge, auf Grund deren West-Deutschland auf jegliche Ansprüche auf Gebiete östlich der Oder und Neiße Verzicht geleistet hat (später bestätigt durch die 4+2-Verträge), waren keine Anzahlung sondern eine angesichts der zuvor in Anspruch genommenen Leistung eher bescheidene Nachzahlung.

1972 war die Sache mit dem Osten politisch bereits gegessen – insofern tragisch u. Unrecht, aber letztlich unvermeidbar. Daß man hernach das polnische „Geschichtsbild“ 1:1 übernahm, ist eine ganz andere Geschichte, deren Ursache in der politischen Kernschmelze beginnend mit H. Frahm zu finden ist.

Dieser Eiterherd hätte 1972 vllt. nicht ganz desinfiziert, aber aufgehalten und eingedämmt werden können, wenn Barzel erfolgreich gewesen wäre.

Oder eine entschlossenere Riege um Strauß u. Dregger. Sie prahlten doch immer mit ihren Beziehungen zu den Herren in USA. In Chile wußte man diese Rückendeckung auszunutzen und dem Land (rückblickend) etwas gutes zu tun. Derweil man bei uns so blind wie unerbittlich den eigenen Zerfallsprozeß startete.

@Strossner
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Fast guter Punkt, wobei jedoch besser die sowjetische Karte gezogen hätte werden müssen, denn was hätten die USA denn von einer BRD mit Exklave „Königsberger Gebiet“ gehabt, doch nur einen noch stärkeren Marktkonkurrenten durch ein Billigproduktions-Hinterland.

In den Verhandlungen zum 2+4-Vertrag drängten alle vier Siegermächte auf die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie, so dass es fragwürdig erscheint, ob Brandt de facto etwas aufgab, das nicht sowieso verloren war. Selbst Kohls Insistieren, die Anerkennung erst von einem gesamtdeutschen Parlament vornehmen zu lassen, führte zu diplomatischem Aufruhr: in Polen gab es Überlegungen, die Sowjettruppen zu behalten. Die Aufregung legte sich erst, als Kohl indirekt über den amerikanischen Präsidenten Bush als Mittelsmann eine Garantie abgab.

@Der Querdenker
Die Ostpolitik war für den Zusammenbruch des Sowjetimperiums irrelevant, die Hauptursache war ökonomischer Natur. Der einzige positive Effekt war, dass 1989 die DDR vollständig und die SU zu einem Teil von westdeutschen Krediten und anderen finanziellen Zuwendungen abhängig war, ein Trumpf, den Kohl ausspielen konnte.

@Manfred Strossner
Wie kommen Sie darauf, die USA hätten Interesse an einem Putsch gehabt, in einem Staat, den sie sowieso kontrollierten – im Gegensatz zu Allendes Chile? Zudem missverstehen Sie die Motive der 68er, die wenig mit dem „polnischen“ Geschichtsbild zu tun haben.

Querdenker, die Wiedervereinigung war mitnichten die Folge der dt. roten Ostverzichtspolitik,
sondern die Folge des Bankrottgehens des UdSSR-Systems mit seiner tiefroten Plan- und Korruptionswirtschaft.

Man mag ja einwenden, daß die sogen. DDR (das eingesetzte Regime) de facto ein „Staatsgebiet“ besaß, aber es war nicht ihr Eigentum, und sie hätte es nie auch nur einen Tag halten können ohne die Bajonette der Roten Armee (s. 17. Juni). Das Sichhalten aus eigener Kraft — genau nur das aber definiert einen Staat! Daher war es auch falsch, daß in der von der pausenlosen kommunist. Agitation zermürbten BRD am Schluß die Zwei-Staaten-Theorie weigehend übernommen worden war, selbst Springers „Welt“ gebrauchte zuletzt DDR ohne Anführungsstriche. Und wir können bei dieser inneren Schwäche des Westens von Glück sagen, daß der systembedingte ökonomische Zusammenbruch des Ostblocks noch rechtzeitig kam!!!

Ich kann mich noch gut an diesen 27. April 1972 erinnern. Ich war damals 14 (9. Klasse Hauptschule) und wir sahen die Fernsehübertragung im Klassenzimmer. Ich war der einzige, der Barzel die Daumen drückte. Alle anderen himmelten den Heilsbringer Brandt an. Und so ist es bis heute geblieben. Immer Außenseiter in einem Land von unpolitischen und treuherzigen Schwärmern, die gar nicht merken, wie sie über den Tisch gezogen werden. Es ist zum verzweifeln.

Ein Jahr später hat dann, auf Betreiben von F.J.Strauß, das Bundesverfassungsgericht erklärt, daß das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 völkerrechtlich fortbesteht und die Gebiete östlich von Oder und Neisse nach wie vor deutsch sind.
Wie sich die völkerrechtliche Lage seit 1990 darstellt, ist mir nicht klar (es wird ja auch offiziell nicht darüber gesprochen), aber mir leuchtet die Argumentation ein, daß die BRD nicht Rechtsnachfolger des Reiches sein kann, da das Reich nach wie vor fortbesteht. Folglich kann sie auch keine Verzichtserklärungen für das Reich abgeben und nicht auf Territorium verzichten, das ihr nie gehört hat.

2) Fakt ist, dass fast 30 Jahre nach Kriegsende eine Rückführung der Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Grenze nicht mehr möglich gewesen wäre, ohne erneut großes Unrecht unter der dort lebenden Bevölkerung anzurichten. Sprich, die Gebiete waren für Deutschland verloren – nicht wegen Brandts Ostpolitik sondern als Folge des 2. WK.

Was also soll diese Diskussion? Glaubt irgendjemand ernsthaft, ohne die Ostverträge Brandts wären wir heute wiedervereinigt? Mit den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Grenze?

Das wäre keine Geschichtsklitterung sondern schlicht Dummheit, bestenfalls Naivität.

@Manfred Strossner
Die 68er mögen den USA suspekt erschienen sein, die größere Befürchtung  galt aber einem Wiederaufleben des Nationalsozialismus oder ähnlicher Bestrebungen, und zwar  noch 1990, wie  Bemerkungen von Bush zeigen. Nachdem sich die USA nach längerem Zögern gegenüber Kohls 10-Punkte-Plan  positioniert hatten und des Kanzlers Streben zur Einheit – zu ihren Bedingungen – unterstützen, gab  es eine Begegnung zwischen Bush und Gorbatschow. Der amerikanische Präsident meinte gegenüber dem Generalsekretär der KPdSU, bei allen Vorbehalten gegenüber Deutschland und den Deutschen sei man sich im Westen einig, dass erniedrigende Bedingungen kontraproduktiv seien und genau zu dem führen könnten, was jeder vermeiden möchte – dem Wiederaufleben des deutschen Revanchismus und Militarismus. Eine ähnliche Stoßrichtung hatte der Rat des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger, Kohl zu unterstützen – mit dem Argument, der deutsche Nationalismus könnte sich sonst gegen die USA wenden. 

der BRD die Legitimität abspricht, sie sei nur ein illegitimes Konstrukt der Fremdherrschaft der Besatzungs- oder Feindmächte. Das verkennt, daß die Väter des Grundgesetzes noch tief national dachten und den ihnen gewährten Spielraum weidlich ausnutzten, der nicht klein war, brauchte man uns doch damals als Bollwerk gegen das sozialistische Weltsystem; man hatte das falsche Schwein geschlachtet! Daher schützt das GG heute gerade die nationale Rechte (soweit nicht bereits ausgehöhlt). Und als Basis für die Rückgewinnung der v o l l e n Souveränität taugt die BRD daher allemal!

Lieber g h aus Berlin: Nach irgend einer THEORIE ist also die BRD mit dem Deutschen Reich identisch. Aber nach der Auffassung des obersten deutschen Gerichts (1973 u. ff) ist sie es eben nicht (Deutsches Reich z.zt handlungsunfähig, aber völkerrechtlich nicht untergegangen). Und das ist keine bloße Theorie, sondern ein rechtsgültiges und verbindliches Urteil.

@g h
„Erpressung“ ist das falsche Wort, da Kohl die Rückgabe der deutschen Ostgebiete in den Verhandlungen nicht thematisierte. Die Erwartungshaltung der Vier Mächte war aber eindeutig. Zelikow/Rice, die zu dem Zeitpunkt zum Stab des Nationalen Sicherheitsberaters gehörten, schreiben in „Germany unified and Europe transformed“, niemand in der amerikanischen Regierung habe  sich vorstellen können, dass Kohl oder ein anderer deutscher Poltiker die Nachkriegsgrenzen in Frage stellen würde. Der äußerst nervöse polnische Ministerpräsident Mazowiecki wurde beschwichtigt, es gebe kein zweites Jalta und die Vereinigten Staaten würden ihre Freunde nicht verraten. Mitterand versuchte gar mit einem Störmanöver, die Anerkennung  der Oder-Neiße-Linie als Vorbedingung für die 2+4-Verhandlungen zu erzwingen, scheiterte damit aber an Kohl. Zum Thema „das falsche Schwein geschlachtet“: Das ist denke ich ein großer Irrtum der BRD-Konservativen, denn in Bezug auf Deutschland verstanden sich selbst die beiden damaligen Supermächte sehr gut. Zelikow/Rice z.B. schreiben, die deutsche Frage, die sich den Regierungen aller vier Mächte zwischen 1948 und 1955 stellte, sei eine dreigeteilte gewesen:

„1. Do we trust the Germans enough to let them become unified again?
2. Do we trust the Germans enough to let them freely determine their own political-military alignment?
3. Do we trust the Germans enough to feel confident that their national aspirations will not threaten European peace?“

(Bitte nur als Ganzes bringen. Danke)

(«verbatim» & „Zitat“ & ‚kursiv‘)

«…die „DDR“ war weder deutsch..» (w.u.)

Die Auffassung zahlreicher, wenn nicht der überaus meisten akademischen Deutschland-Kenner, die man seit den späten 50er Jahren bis weit in die 90er getroffen hatte, war, daß die DDR das ‚deutschere‘ Deutschland bzw. der ‚deutschere‘ Teil sei. Von manchen wurde der geschmacklos-herablassend besitzanzeigende Fall für die BRD-Deutschen benutzt.

Aber vielleicht etwas aus eigener Erfahrung. Als ein der deutschen Kultur und Sprache nicht abholder Akademiker (Modern Languages, Comparative Literature) hatte man an einer Anzahl von Austausch-Seminaren in der DDR teilgenommen. Man hat heute noch die Bündel eng beschriebener Notizheftchen, von denen eines aufgeschlagen eben vorliegt.

Man ware Ende der 60er Jahre zu Besuch in Halle, um an einem Seminar zur ‚Sozialistischen Gegenwartsliteratur‘ teilzunehmen. Zur Abwechslung ging man eines Abends ins Kino. Es wurde ein sowjetischer Kriegsfilm (‚Mosfilm‘) gezeigt, als deutsche Synchronisation. Es kam eine Szene, wo ein einzelner Sowjetsoldat in einem Graben umgeben von lauter Toten und Verwundeten mit einer Handwaffe eine Anzahl von anrollenden deutschen Panzern abschoß — einer nach dem anderen ging in Flammen auf. Sprangen noch deutsche Soldaten heraus, griff er zum MG und mähte sie alle nieder. Daraufhin erhoben sich eine merkliche Anzahl von Zuschauern und verließen schweigend den Saal. Nein, das Kino wurde nicht von Volkspolizei oder Stasi umstellt. Es wurde keiner abgeführt. Man machte sich eine ausführliche Notiz. Sie liegt eben vor.

Man reiste über Westberlin zurück. Dort sah man sich im ‚Delphi-Filmpalast‘ den Film „The Battle of Britain“ an; ebenfalls als deutsche Synchronisation. Beim Absturz von deutschen Flugzeugen erhob sich johlend ein beachtlicher Teil des Publikumes und klatschte frenetisch Beifall. Es waren keine Ausländer, es waren Deutsche! Ausländer — darunter allierte Militärs –, zeigten Verwunderung, wenn nicht sichtbare Verachtung. Einige standen auf und verließen den Saal. Man machte sich eine ausführliche Notiz. Sie liegt eben vor.

Zu Till Eulenspiegel: Jein! Die „Untertanen“ in der „DDR“ träumten mit Sicherheit von 1945 bis 1990 inbrünstig von der nationalen Einheit — ganz anders als bis noch nach der „Wende“ am Ende fast alle westdeutschen Politiker, Multiplikatoren und wohl auch ein Teil der breiten „Masse“, die die Einheit ablehnten oder auf den St.Nimmerleinstag verschieben wollten, was das Buch „Deutsche Einheit, deutsche Freiheit“ prima belegt. Auch das „Verstecken“ der roten Besatzer, der „Abstand“ von den ausländischen Vertragsarbeitern hebt sich ab von der kritiklosen GI-Bewunderung und dem Migranten-Kult bei uns. Selbst das R e g i m e schwärmte insgeheim von der „nationalen“ Einheit, aber eben als moskauhörige Provinz des sozialist. Weltsystems! Deutsch?