So unwichtig, langweilig und – für den mit einem konservativen Menschenbild Ausgestatteten – vorhersehbar das virtuelle Geplänkel um das zu recht unbeachtete Buch der „Piraten“-Politikerin Julia Schramm auch sein mag, offenbart es doch auch eines schonungslos: Wie blitzartig man es sich auch bei den „Piraten“, dieser ehemals angeblich so großen Hoffnung, dieser angeblich frischen Brise im erstarrten bundesrepublikanischen Politikbetrieb, im – zum Glück wohl nur vorläufig – gemachten Nest wohlig eingerichtet hat.
Es bleibt hanseatisch: Vom Freibeuter …
Vor diesem Hintergrund kann man den Inhalt des Buchs, so man diesen Begriff denn verwenden möchte (und würde man mich nun fragen, ob ich damit „Aussage“ oder „Werk“ meine, so könnte nicht einmal entschieden antworten), getrost außen vor lassen. Dazu haben im übrigen schon andere das Notwendige geschrieben. Es geht eben nicht um die Person Schramm, die die konzentrierte Aufmerksamkeit der vergangenen Tage mitnichten rechtfertigt: „Ned amal ignorier’n“, wie ich es in Wien so schön und prägnant beigebracht bekam. Nein, viel interessanter ist es, sich nach dieser bereits im Abflauen begriffenen Spätsommerlochskapriole Gedanken über die „Piraten“ zu machen – vielleicht ein letztes Mal.
Ob es sich nun lohnt, schon einmal prophylaktisch Krokodilstränen zu vergießen, vermag ich nicht zu beurteilen. Es steht zu hoffen, daß mittlerweile längst auch die „Protestwähler“ und vor allem jene rechten Dissidenten, die zumindest auf ein wenig Alarmstimmung im etablierten Politbüro hofften und daher zu Zeiten deren Aufwinds den „Piraten“ zuneigten, inzwischen ihren Irrtum erkannt und sich wieder abgewandt haben. Mit was für einer janusköpfigen Selbstverständlichkeit man dort inzwischen arriviert ist, die Schnauzen in den Futtertrog gesenkt hat und sich dem innerparteilichen Geplänkel hingibt, hat sich in den letzten eineinhalb Jahren hinreichend gezeigt. Da wirft man denn auch schon mal seine Prinzipien über Bord (hahaha, eine Schiffsmetapher in Bezug auf die „Piraten“…), wenn es um Macht und Pfründen geht. Und der ganze Hickhack um die Urheberrechte Frau Schramms an ihrem papiernen Narzißmus bestätigt vollumfänglich die schöne Karikatur vom „grünen“ Wutbürger, der fleißig gegen Atomkraft demonstriert und Innenstädte mit Propaganda zupflastert, nur um in Heulen und Zähneknirschen zu verfallen, wenn denn auch sein Garten einmal von einem Windrad gekrönt werden soll.
… zum Pfeffersack
Die „Piraten“ sind und bleiben, was sie waren: eine realpolitische Totgeburt. Der Versuch, den politisch Uninteressierten und -informierten ein politisches Sprachrohr zu verleihen, mußte schlichtweg scheitern – die vielfache Apostrophierung als „Protestpartei“ ist nicht einmal zutreffend, da das allfällige Geschrei nach Erleichterungen des Internetverkehrs mit allem, was dazugehört (inklusive Kinderpornographie), nichts weiter als eine Manifestation handfester materieller Interessen war. Das wortreiche Transparenz-Blabla und sonstige Seelenfangkampagnen der youth bulge-Freibeuter kann man daneben getrost als Nebelkerzen bezeichnen, die die allgemeine Politikunfähigkeit dieser sogenannten „Partei“ mühselig zu verhüllen versuchten.
Ich erinnere mich noch gut an ein Interview anläßlich des Einzugs der „Piraten“ in das Berliner Parlament, in dem deren Sprecher für das Fehlen klarer politischer Zielsetzungen seiner Fraktion in so ziemlich allen Feldern die „Geheimhaltungspolitik“ der Regierungsparteien verantwortlich machte. Nun, man darf sich wohl fragen, ob bei kompletter „Transparenz“ der entsprechenden Ressorts das Ergebnis anders ausgesehen hätte. Wohin die „Piraten“ wollen, wissen sie nicht; wie sie dorthin wollen, ebenfalls nicht, und eine Scheidung zwischen „wir“ und „die“ als Begriff des Politischen (man weiß ja, woher das kommt) ist heutzutage sowieso nicht mehr drin. Insbesondere nicht für eine so – allerdings nicht finanziell – „liquide“ Gruppe, die stolz verkündet, alles und jeden (nota bene: außer „Nazis“) mit offenen Armen zu empfangen.
Der Weg aller Medienhomunculi
Daß sich etliche zeitweilig von den „Piraten“, die unter all den politischen Emporkömmlingen immerhin einen überraschend durchschlagenden Anfangserfolg vorweisen konnten, derart haben einlullen lassen, ist beschämend genug. Der im eingangs verlinkten Artikel zitierte Satz ist allerdings eine Unverschämtheit: „Wenn die Piraten so krachend scheitern, diskreditiert das die komplette politische Jugend“. Nein, das tut es eben gerade nicht! „Die politische Jugend“, wie auch immer man diese Pauschalisierung begreifen will, ist nicht einmal im Traum mit den „Piraten“ kongruent. Ganz im Gegenteil – die „Piraten“ stellen (neben den Jugendorganisationen der verschiedenen Parteien) eine Reuse dar, in der junge Menschen mit ihrer Ungeduld, ihrem Willen zur Tat und ihrer jugendlichen Unbedingtheit sich verfangen und so von der Realpolitik allmählich eingerahmt und gezähmt werden können. Man hüte sich vor ihren Schlingen!
Und hinsichtlich der noch verbliebenen Popularität der Möchtegernrebellen in Orange, auch wenn sie stetig schwinden mag, lohnt sich die abermalige Lektüre des zugespitzten und zwanzig Jahre zu spät geführten Interviews mit Manfred Güllner: „Die Grünen haben sich immer als die Gutmenschen präsentiert, die für Umweltschutz, Frieden und Frauenrechte sind. Wer kann schon dagegen sein? Da haben sich die anderen Parteien angepaßt. Die Grünen erhielten zudem massive Unterstützung von Wissenschaftlern und einem großen Teil der deutschen Massenmedien. Diese wissenschaftlich-mediale Unterstützung läßt die Grünen größer wirken, als sie sind.“ Der von Güllner beschriebene Mechanismus läßt sich exakt, allerdings in anderer Größenordnung, auf die „Piraten“ übertragen – gäbe es nicht Spiegel Online und den Rest der Mischpoke, wären sie schon vor drei Jahren so sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden, wie es ihnen gebührt hätte.