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Die Theodizee der politischen Korrektheit I

Die Theodizee der politischen Korrektheit I

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Die Theodizee der politischen Korrektheit I

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Früher war das Leben erheblich einfacher. Man hat hart gearbeitet, seine Kinder großgezogen und nach Feierabend saß man zusammen und betrachtete die Tagesereignisse von einem Standpunkt aus, den zuvor mehr oder weniger Lehrer und Pfarrer setzten. Was anständig und was unanständig war, der Einzelne bekam das schon schnell mit. In der Jugend ab und an eine Schlägerei, später lautes Schimpfen auf die Verhältnisse, so gingen die Tage einher. Alles im allem war man eigentlich glücklich.

Heute ist das Leben viel schwieriger geworden. Man muß zwar nicht mehr unbedingt hart arbeiten. Viele brauchen überhaupt nicht mehr zu arbeiten. Man muß auch nicht mehr unbedingt seine Kinder großziehen. Viele haben überhaupt keine Kinder mehr. Das alles sei nicht mehr notwendiger Bestandteil eines modernen Lebensentwurfes, heißt es. Was auch so seine Richtigkeit hat. Denn der ganze Rest, der ist furchtbar kompliziert geworden. Und das kostet Zeit. Sehr viel Zeit.

Äußerlich sieht das zunächst recht ähnlich aus. Auch heute sitzt man zusammen und betrachtet die Tagesereignisse, nur dauert das viel länger. Einerseits, weil der Feierabend umfangreicher geworden ist – bei einigen fließt er gleich in den Lebensabend über – andererseits aber auch, weil einem der Standpunkt abhanden gekommen ist. Was ist heutzutage anständig, was unanständig? Und wer sagt einem das? Die Erkenntnis von Gut und Böse, sie schwebt heute im Dunkel des Unterbewußtseins.

Verbrechen ist nicht gleich Verbrechen

Früher wurde einem gesagt, du bist ein Junge, verhalte dich so und so. Du stammst aus einer Familie von Bauern, verhalte dich so und so. Niemand dachte über „ein durch Repression generiertes, geschlechtstypisches Rollenverhalten“ nach, niemand grübelte über „die strukturelle Gewalt der bürgerlichen Gesellschaft“. Das alles gab es nicht. Denn die Menschen hatten dafür ganz einfach keine Zeit. Sie übernahmen einfach dasjenige, was ihre Eltern, der Lehrer oder Pfarrer als das Gute und das Böse festsetzten.

Heute dagegen muß man alles kritisch hinterfragen. Früher war derjenige, der ein Verbrechen beging, auch der Verbrecher. Heute sollte man sich schon fragen, ob das Verbrechen auch wirklich eines ist. Es könnte beispielsweise die Reaktion auf eine „repressive Gewalt der bürgerlichen Mehrheitsgesellschaft“ sein. Oder eine „aus sexueller Frustration“ und „persönlichen Diskriminierungserfahrungen“ geborene Affekthandlung. Oder ganz einfach „ein stummer Schrei nach Anerkennung“. Oder, oder.

Man sieht also, es ist heute gar nicht mehr so einfach, festzustellen, was das Gute und was das Böse ist. Kein Dieb, kein Mörder, kein Vergewaltiger, deren Taten sich prinzipiell dieser Interpretation entziehen könnten: Nein, er wollte es nicht. Ihm tut es leid. Er konnte nichts dafür. Aus diesen und diesen Gründen. Nicht noch ein weiteres Leben zerstören. Er verdient eine weitere Chance. Und es findet sich immer irgendwo ein Anwalt, ein Richter, der bereit ist, dafür sich noch im ekelerregendsten Kot zu wälzen.

Das Gute und das Böse, es ist eine beliebige Interpretationsfrage geworden. Die Stammtische, früher lediglich Nachrichter dessen, was von Pult und Kanzel verkündet wurde, sie sind zu den ganzen Sit-ins und Drop-ins geworden, in denen orientierungslose Menschen über die Frage grübeln, was ist das Gute? Was ist das Böse? Na, zumindest eine Antwort haben sie schon gefunden. Sie, ja sie, sie sind die Guten. So recht wissen sie zwar eigentlich nicht wieso. Aber das ist doch schon einmal was. Oder nicht?

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