Der neue Bericht des Wehrbeauftragten ist da. Hellmut Königshaus (FDP) liefert damit einen tollen Beleg für die Zivilisierung der Bundeswehr. Anders gewendet: Ein Beleg dafür, daß zivile Logiken ungefiltert auf das militärische Leben übertragen werden. Und das alles mit einer onkelhaften Jovialität, die zum Schmunzeln anregt.
So erzählt der Mahner davon, daß viele Rekruten schon nach kurzer Zeit den Dienst quittiert hätten. Dieser sei ihnen nicht „attraktiv“ genug gewesen. Schon am ersten Tag sei Dienst bis nach Mitternacht befohlen worden! Außerdem habe man unzulässige erzieherische Maßnahmen erlitten. „Das muß zu denken geben“, findet Königshaus. Nur, warum? Wenn 100 Rekruten eingeschleust werden, dann kann es schon mal länger dauern.
Und, nebenbei bemerkt, Liegestütze gelten auch als „unzulässige erzieherische Maßnahme“ – bis heute will sich mir der Grund dafür nicht erschließen. Für eine Ausbildung in der Stadtverwaltung wäre beides unangemessen, aber doch nicht bei der Bundeswehr. Die allgemeine Grundausbildung ist nun mal nicht „attraktiv“.
Ein gediegener Herr am Platz der Republik
Außerdem habe Königshaus „mit Erstaunen verschiedene Fachzeitschriften zur Bundeswehr zur Kenntnis genommen, in denen deutlich in Frage gestellt wurde, daß sich Frauen in den Streitkräften bewährt haben.“ „Mit Erstaunen“ also, ja? Da kann man sich richtig vorstellen, wie ein gediegener Herr am Platz der Republik die Stirn runzelt, durch seine Lesebrille die „Fachzeitschriften“ mustert und dann – „pfui!“ – den Kopf schüttelt, um sie verächtlich wegzulegen.
Er meint natürlich Erik Lehnerts Beitrag im Marineforum und Felix Springers Kommentar in der Campus, der Studentenzeitschrift der Bundeswehr-Universität München. Der studierende Leutnant Springer wird sogar zitiert, leider ohne Quellenangabe. Seine herrliche Wendung vom „strukturellen Kampfwertverlust“ bügelt der Wehrbeauftragte ab. Denn Frauen hätten sich bewährt, sie würden für Durchsuchungen von anderen Frauen benötigt und – am allerbesten – durch sie hätte sich der Ton verbessert. Ja, natürlich „der Ton“.
Königshaus hält diese Argumentation offensichtlich für ausreichend. Ist sie aber nicht. Er übersieht, daß Springer sich auf Frauen in der Kampftruppe bezogen hat, daß die körperlichen Unterschiede offensichtlich sind und so weiter. Also drängt sich die Frage auf, welchen Praxisbezug dieser Bericht haben soll. Und Praxis, das heißt in der Bundeswehr seit mehr als zehn Jahren „vom Einsatz her“ denken. Und nicht etwa vom Schreibtischstuhl der Gleichstellungsbeauftragten.
Die militärischen Erfordernisse mitdenken
Der Wehrbeauftragte, das ist ein „Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle über die Streitkräfte“. Gut, daß es dieses Amt gibt. Als Ombudsmann der Soldaten hat er schon in vielen Fällen Sorge dafür getragen, unberechtigte Willkür oder Schikane in der Bundeswehr abzufedern. Auch der aktuelle Bericht stellt zum Teil Zustände vor, die so nicht hingenommen werden dürfen.
Allerdings sollte der Wehrbeauftragte nicht nur als lieber Onkel, Fürsprecher und Mahner auftreten, sondern auch die militärischen Erfordernisse mitdenken. Und diese gehen über gutes Material hinaus. Ein militärisches Erfordernis ist auch der Geist einer Truppe, der mit Erlassen, Wehrberichten und zivilen Logiken nicht zu erfassen ist. Wenn Königshaus einmal von diesem Geist schreiben würde, dann wäre man doch ein Schritt weiter.