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Konservativer Anti-Schick

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Betrachtet man die Ergebnisse der Berlinwahl sowie die aktuellen Umfragen, so erkennt man, daß vieles möglich ist – wenn man das riesige Potential der politisch Ungebundenen und Unzufriedenen anzusprechen versteht. Bis zu 25 Prozent, so hieß es letztes Jahr, sind für eine Sarrazinpartei drin; jetzt wird ein ähnliches Wählerpotential der Piratenpartei zugesprochen. Sie wird es zwar nicht ausschöpfen und auch die sieben oder acht Prozent, die derzeit realistisch erscheinen, nicht halten können, aber ihr Erfolg, der so offenkundig nicht auf Kompetenz beruht, sollte den wieder einmal durchgefallenen Kandidaten konservativer und rechter Parteien zu denken geben.

Dabei sind sich die programmatisch so unterschiedlichen „Protestparteien“ in mancherlei Hinsicht gar nicht so unähnlich. Mehr Bürgerbeteiligung fordern sie alle, und als Ein-Thema-Parteien werden sowohl Piraten als auch viele „Rechtspopulisten“ wahrgenommen. Aber es ist nicht ohne weiteres einsichtig, warum „freie Internetnutzung“ und Abschaffung des Copyrights die Wähler plötzlich so viel stärker bewegen sollen als die Islamisierung.

Immer öfter positionieren sich prominente Intellektuelle, Wirtschaftsforscher oder (ehemalige) Spitzenpolitiker „rechts“, auch wenn sie diese Selbstzuschreibung meiden, und der Problemdruck infolge demographischen Wandels, Parallelgesellschaften, Vergreisung, wirtschaftlichen Verfalls und dauerhafter Überschuldung spricht zweifellos für eine Rückbesinnung auf konservative Prinzipien; hinzu kommt die Euro-Krise, die ein „gefundenes Fressen“ für alle EU-kritischen Parteien hätte sein können.

Nette-Junge-von-nebenan-Image der Piraten

Doch nichts davon wurde genutzt. Während Konservative nach wie vor in Hinterzimmern tagen, und selbst Experten wie Hans-Olaf Henkel von der Öffentlichkeit kaum oder nur als „alte Männer von gestern“ wahrgenommen werden, können die Piraten gerade aufgrund von Kenntnisfreiheit als „nette Jungs von nebenan“ ihre Sympathiewerte steigern. Und natürlich haben sie die Massenmedien auf ihrer Seite, deren Interessen sie ja – insbesondere was Computer- und Internetfirmen betrifft – explizit vertreten, weshalb ihnen nun üppige Spenden aus dieser Branche zuwachsen. Auffallend war auch das tägliche Getrommel etwa in den Yahoo-Nachrichten, daß die Piraten möglicherweise um fünf Prozent, zwei Tage später vielleicht bei sechs Prozent liegen usw.

Natürlich können sich Konservative und Rechte damit herausreden, daß sie von den Medien totgeschwiegen oder nur negativ dargestellt würden. Aber auch ihre Selbstdarstellung ist jämmerlich: Wochenlang verschwendete „Die Freiheit“ ihre Zeit mit Abgrenzungsritualen, die das Lager „rechts“ der CDU schwächen und beim politischen Mainstream doch keine Akzeptanz bewirken. Zu einer Sommerparty in der Hauptstadt konnte man kaum mehr Leute als ein Kleingärtner für seine Gartenparty mobilisieren, der Wahlkampf fand überhaupt mehr in Israel oder New York als in Deutschland statt, und vom Glanz Geert Wilders’ fiel wenig Licht auf René Stadtkewitz.

Mediendemokratie verlangt nach origineller Verpackung

Besonders einfallslos waren die Wahlplakate: Statt aufzufallen, worin die einzige Chance einer ignorierten Kleinpartei liegt, bemühte man sich, die Blässe der CDU, die sich ihre Langeweile eher leisten kann, zu kopieren. CDU-blau waren die Plakate der „Freiheit“, darauf ein grämlich dreinblickender Stadtkewitz, über diesem die Parole „Leitkultur“ – eine von der CDU vor über zehn Jahren halbherzig diskutierte und dann beiseite gelassene Phrase –, und ganz klein in der Ecke der Schriftzug „Die Freiheit“, den viele Passanten kaum als Parteinamen erkannt haben dürften.

Kein Wunder, daß in meinem Bekanntenkreis auch potentielle Interessenten selbst kurz vor der Wahl noch nichts von der Partei gehört hatten.
Aber auch die Konkurrenz von der Pro-Bewegung hat wenig Ideenreichtum gezeigt. Statt positiver Aussagen und ansprechender Plakate dominierten altväterlich-paternalistische Sprüche („Unsere Frauen bleiben frei“). Mit der von der FPÖ abgekupferten halbmilitärischen Parole „Abendland in Christenhand“ dürften sich in Deutschland selbst viele Christen kaum identifizieren – von den 40 Prozent Nichtchristen nicht zu reden. Die NPD schließlich war anscheinend um Witz und Ironie („Gas geben“ und „Adolf“-Kreuzworträtsel) bemüht, nur merkte es keiner so recht.

Als Fazit bleibt festzustellen: Solange die Rechtsparteien sich einer attraktiven, modernen und originellen Darstellung verweigern, werden sie in der Mediendemokratie wenig Erfolg haben. Sie müssen sich ja nicht gleich Piratendreispitze aufsetzen.
 

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