Gestern, Faschingsdienstag, hat sich das Karnevalsvolk ein letztes Mal aufgebäumt und es richtig krachen lassen. Selbst in der bayerischen Hauptstadt schaut niemand pikiert, wenn Batman, Elvis Presley oder ein Pirat um 10 Uhr sein Bier in der U-Bahn trinkt. Auf dem Münchner Marienplatz standen die Leute so dicht beieinander, daß es unmöglich war, den Nebenmann nicht zu berühren. Und nicht nur der Platz war brechend voll, die meisten Leute waren es ebenfalls. Und alle schienen mit sich – so wie sie sind – zufrieden zu sein.
Manche Dinge kamen einem komisch vor: Da war zum Beispiel dieses magere englische Mädchen, höchstens 20, mit aufgeklebten Pailletten im Gesicht. Gegen 16 Uhr rempelt sie mich an, besoffen taumelnd. Sie möchte mit irgendjemandem anstoßen und macht mich dafür aus, weil ich halt neben ihr stehe. Ich deute auf ihren seltsamen Gesichtsschmuck und lüge: „That’s pretty.“
Dann will sie mir ihr ganzes Kostüm zeigen, was ihr nur halb gelingt, denn beim Ausziehen ihrer Jacke reißt sie sich auch ihre Verkleidung vom Leib. So steht sie einigermaßen barbusig und sturzbetrunken vor tausend Fremden. Vor lauter Schreck will ich ihr die Jacke wieder anziehen, die sie auf Höhe ihrer Hüfte hält. Das gelingt mir nicht, denn sie sperrt sich und ich erhalte von hinten einen Stoß, dessen Energie ich auf sie übertrage. Sie fällt auf den Marienplatz, ich fast hinterher. Sackzement!!
Wo Menschen sind, da menschelt es
Solche Geschichten passieren tausendfach an solchen Tagen. Spontan kam mir ein Gedanke, den viele andere dort wohl auch hatten: „Das hältst Du echt nur betrunken aus.“ Mit dieser Erkenntnis bleiben zwei Alternativen: Gehen oder Trinken. Doch anstatt den vermeintlich unangenehmen Reiz des Aufgehens in der Masse zu vermeiden, betäubt man sich und nimmt Anteil daran. Ich will das nicht verurteilen, wo Menschen sind, da menschelt es eben.
An Karneval ist ja alles erlaubt. Am Tag danach ist es aber doch komisch, wenn das Konfetti, die Scherben und der Verpackungsmüll dort weggefegt werden, wo sich in hoher Konzentration beinahe unendlich viele schräge Geschichten abgespielt haben, die zu dem Zeitpunkt niemand schräg fand. Gott sei Dank ist jetzt Aschermittwoch. Wir sind alle Staub und kehren zum Staub zurück.