Der „Pariser Salonlöwe“ (WDR 5) und „Medienintellektuelle“ Bernard-Henri Lévy (BHL) gilt als einer eifrigsten Lautsprecher der Intervention in Libyen. Seine Reise im Osten Libyens Anfang März des Jahres, so will es die Fama, soll den Stein ins Rollen gebracht haben. Hier suchte er den Kontakt mit Anti-Gaddafi-Rebellen, um zu eruieren, wie glaubwürdig deren Absichten seien, den Despoten Gaddafi in die beziehungsweise – hier wohl angemessener – aus der Wüste zu jagen.
Die „Rebellen“ sollen BHL treuherzig versichert haben, daß sie es mit ihren Putsch-Plänen selbstverständlich ernst meinten, aber keinen islamischen Gottesstaat anstrebten. Lévy will daraufhin bei Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy angerufen haben, und zwar „auf gut Glück“, wie er ebenso treuherzig wie die „Rebellen“ versicherte. Was aus diesem Anruf wurde, wissen wir. Mittlerweile indes wachsen aber selbst bei Befürwortern der sich unabsehbar in die Länge ziehenden Intervention die Zweifel.
Das Lager der „ewigen Nichtinterventionisten“
Exemplarisch hierfür steht der Streit zwischen BHL und dem Filmregisseur Claude Lanzmann. Lanzmann hatte zunächst für eine Intervention gestimmt, hat nun aber seine Meinung geändert. Daraufhin reihte ihn der französische Publizist Gilles Hertzog, ein Parteigänger von BHL, ins Lager der „Pontius Pilatus, der Münchner, der ewigen Nichtinterventionisten“ ein. Die libyschen „Rebellen“ kämpften, so Hertzog, wie einst „die freien Franzosen unter Leclerc“ gegen Hitler und Petain.
Mit anderen Worten: Wer kein „Appeaser“ sein will, der habe die Pflicht zur Einmischung. Daß dieser moralische Imperativ insbesondere von linksliberalen Kreisen verfochten wird, ist nicht ohne Hautgout, wie unter anderem der Publizist Rudolf Maresch in einem Beitrag für das Online-Magazin Telepolis deutlich gemacht hat. Waren es nicht diese Kreise, die den „Demokratieexport“ à la Bush und seiner „Neocons“ geißelten? Oder, in den Worten von Maresch: „Sind Bomben und Cruise Missiles, die im Namen von Sarkozy und Obama abgeworfen werden, moralisch höherwertiger als die von Neocons, Bush und Konsorten?“ Man müsse sich fragen, so Maresch, warum die NATO nur in Libyen interveniere, „nicht aber im Jemen oder in Syrien“.
Den Bellizisten der Libyen-Intervention ist dieses Argument, das analog zu Paul Kennedys Paradigma von der „imperialen Überdehnung“ auf eine „moralische Überdehnung“ hinausläuft, durchaus bewußt. Der Befreiungsschlag aus diesem Dilemma ist das altbekannte Spiel auf der Klaviatur der angelsächsischen Kriegspropaganda: Gaddafi wird zum „hostis humani generis“, zu „Hitlers Wiedergänger“ (Enzensberger) aufgeblasen, dessen angebliche Alleinstellungsmerkmale in Sachen Grausamkeit alle Mittel heiligen – und eine Intervention geradezu herbeigezwungen haben.
Die obskuren Anführer der „Rebellenarmee“
Mit Blick auf BHL steht die Frage im Raum, inwieweit er Kenntnis über den obskuren Hintergrund der „Rebellen“ hat, die in Libyen angeblich das Banner von Demokratie und Freiheit tragen. Was hier mittlerweile von namentlich bekannten Protagonisten dieser „Rebellen“ kolportiert wird, spricht für sich. Chalifa Hifter zum Beispiel, der Führer der Rebellenarmee, kehrte erst vor kurzem aus den USA nach Libyen zurück.
In den 1980er Jahren war er Oberst in Gaddafis Armee, sei dann im Zuge des Tschad-Konfliktes Gaddafi-Gegner geworden und emigrierte schließlich mit seiner Familie in die USA, wo er vor den Toren Washingtons, einige Kilometer von der CIA-Zentrale in Langley entfernt, lebte. Wovon seine Familie und er dann gelebt haben, ist unklar. Hifter soll – dies kann unter anderem in Pierre Péans Buch „Manipulations africaines“ (2001) nachgelesen werden – für die „Libysche Nationale Rettungsfront“ tätig gewesen sein, einer wichtigen Anti-Gaddafi-Organisation, die auch mit CIA-Geldern finanziert wurde.
Fünf Jahre auf Guantánamo
Mindestens ebenso schillernd ist die Karriere von Abu bin Qumu – heute einer der Exponenten der Anti-Gaddafi-Rebellen, der – so berichtete unter anderem die Junge Welt – nach den Anschlägen vom 11. September als „Mitglied der militanten Libysch-Islamischen Kampfgruppe in Pakistan festgenommen wurde“ – auch dank der Hinweise eines gewissen Muammar al-Gaddafi. Qumu brachte dann fünf Jahre auf Guantánamo zu; 2007 wurde er nach Libyen abgeschoben.
Im Zuge einer Amnestie, die Gaddafi verfügte, wurde er dann freigelassen. Qumu gilt als einer der Anführer der sogenannten „Darnah-Brigade“. Darnah (oder Derna) ist als Hochburg von Selbstmordattentätern (die insbesondere im Irak Anschläge durchführten) und Dschihad-Terroristen bekannt geworden. Unweit von Bengasi gelegen, gilt Darnah als ein Zentrum der „Rebellen“ im Kampf gegen Gaddafi.
Parallelen zu Afghanistan
Auch die Biographie des zum Musterdemokraten mutierten Abdel-Hakim al Hasidi, ein anderer bekannter Führer der Rebellenarmee, spricht für sich. Er kämpfte in Afghanistan für El Kaida, wurde von pakistanischen Einheiten verhaftet und an die USA ausgeliefert. Diese überstellten ihn Gaddafi, der ihn ins Gefängnis schickte. Einige der wenigen deutschen Zeitungen, die über Hasidis Hintergrund berichtete, war Anfang April die Berliner Zeitung:
„Einer der Rebellenführer, Abdel-Hakim al Hasidi, hatte einer italienischen Zeitung bereits vor zwei Wochen gesagt, daß viele Dschihadisten, die zuvor die westlichen Alliierten im Irak bekämpft hätten, nun auf Seiten der ,Rebellen? gegen das Gaddafi-Regime kämpfen würden. Der Libyer muß es wissen – er kämpfte selbst in Afghanistan gegen die Amerikaner, bis er in Pakistan festgenommen und ans US-Militär ausgeliefert wurde.“
Die Parallelen zu Afghanistan, wo die CIA die Mudschaheddin finanzierte und ausrüstete, damit sie die Russen aus dem Land jagen, sind nicht nur nicht zu übersehen, sondern drängen sich mit Blick auf die libyschen „Rebellen“ regelrecht auf.