Wo immer man anfängt, das Euro-Rettungs-Desaster zu betrachten, man landet bei jenem genial-brutal-aufrichtigen französischen Zeitungskommentar aus dem Jahr 1992: „Maastricht, das ist der Versailler Vertrag ohne Krieg“.
Versailles, das hieß vor neunzig Jahren, mit dem schlechtgetarnten Vorwand der Alleinkriegsschuld bemäntelt: Die immer noch beunruhigende Wirtschaftskraft der Deutschen, gegen die man den Krieg ja recht eigentlich in der Hauptsache geführt hatte, durch Beschlagnahme, Ausplünderung und vor allem durch maßlose, faktisch ewige Tributzahlungsverpflichtungen dauerhaft zu schwächen und zu fesseln.
„Le boche payera tout“ – die verfluchten Deutschen werden alles bezahlen – hieß es seinerzeit und anscheinend heute wieder. Die Unverfrorenheit, mit der die europäischen „Freunde“ derzeit Deutschland unter Druck setzen, im Namen Europas und des Euro Abermilliarden als Beihilfe zur Konkursverschleppung im griechischen Faß ohne Boden zu versenken, muß auch dem Naivsten klarmachen, wie bitter wahr die Analogie des hellsichtigen Figaro-Leitartiklers zwischen den Versailler Reparationsbestimmungen und der Abschaffung der Deutschen Mark war.
„Stark wie die Mark“-Parolen
Stabilitätspakt und „stark wie die Mark“-Parolen waren nichts als Opium fürs Volk. Die es verabreichten, glaubten wahrscheinlich selbst nicht daran. Es ging von Anfang an um die Vergesellschaftung der deutschen ökonomischen Potenz, die sich in ihrer starken Währung und unabhängigen, keinen politischen Vorgaben unterworfenen Zentralbank manifestierte, die folglich beseitigt werden mußten.
Jetzt, da das politische Willkürkonstrukt Euro an seiner ersten Belastungsprobe scheitert, ist Zahltag: Le boche payera tout. Man muß das nicht so plump rüberbringen wie die griechischen Pleitiers, die zu Erpressungszwecken schon mal die Reparationskeule auspackten. Unsere tapferen italienischen Verbündeten geben sicher gerne Schützenhilfe.
Etwas eleganter sind da schon die Franzosen, deren Wirtschaftsministerin Christine Lagarde via Europa den deutschen Export an die Leine legen und die systemsprengenden Ungleichgewichte in der Währungsgemeinschaft durch verordnete Zügelung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit ausgleichen wollte.
Lieblingsprojekt europäische Wirtschaftsregierung
Es ist nur folgerichtig, daß man in Paris die Griechenland-Krise zum Anlaß nimmt, ein Lieblingsprojekt wieder hervorzuholen, in das die Währungsunion wohl von Anfang an münden sollte: Die europäische Wirtschaftsregierung. Kollaborateure finden sich zur Genüge: Die Grünen übernehmen die Forderung direkt, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nennt das „Europäischer Währungsfonds“. Der Effekt wäre derselbe: Ein – voraussichtlich französisch dominiertes – europäisches Gremium kontrolliert künftig die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Mitgliedstaaten.
Die Fehlkonstruktion Euro wird indes auch dadurch nicht gerettet werden, daß man die Melkerei auf die Spitze treibt. Helmut Kohl wollte das Aufgehen des deutschen Nationalstaats in „Europa“, das ewigen Frieden gewährleisten sollte, durch den Euro „irreversibel“ machen.
Damit hat er uns eine Situation hinterlassen, die dauerhaften Streit garantiert, den Aufwand zur Beilegung desselben per Scheckbuchdiplomatie in surreale Dimensionen gesteigert hat und zwangsläufig dazu führen muß, daß eins von beiden zusammenbricht: Deutschland oder der Euro.
Die Entscheidung sollte bei einer solchen Alternative an sich nicht schwerfallen.